In dem Moment krachte es so gewaltig, dass ich kurz in Ohnmacht fiel. Als ich meine Augen wieder aufkriegte, stellte ich überrascht fest, dass ich noch lebte. Die Nase der Spiral war plattgedrückt, das Cockpit zusammengequetscht wie ein Akkordeon. Absurderweise war aber kein einziges Fenster zersprungen, und die Beleuchtung funktionierte auch noch. Auf dem umgestürzten Jumper hockte der Zähler und band sich das Seil ab, das ihn gesichert hatte. Wie hatte er es bloß geschafft, nicht zerfetzt zu werden?
Indem ich den Kopf schüttelte, versuchte ich den blutigen Rotz aus meinen Augen zu vertreiben.
Bis plötzlich alles in mir eiskalt wurde.
Das Blut war nicht in meinen Augen. Alle Scheiben der Spiral waren mit blutrotem Matsch verschmiert.
Gütiger Gott!
Ich riss die Gurte ab, rappelte mich aus dem Sitz und torkelte zur Schleuse. Der Zähler, der sich auf dem Gehäuse des Jumpers aufgerichtet hatte, klatschte mir die Pfote auf den Arm, als wollte er mich aufhalten, doch ich kümmerte mich nicht weiter um ihn. Das Schiff zitterte, offenbar rutschte es den Hang runter. Die Tür zur Schleuse gab erst beim dritten Ruck nach, anschließend zerrte ich am Hebel des Notausgangs. Die Luke ging nicht sofort auf, schließlich schaffte ich es aber doch - meine Panik verlieh mir Kraft.
Die Luft war kalt und feucht, von der glühend heißen Verschalung stieg Dampf auf. Um mich herum richtete sich das lädierte Kiefernwäldchen wieder auf, der Ikarus, der starr vor mir aufragte, verströmte Brandgeruch. Ich sprang aus zwei Metern Höhe zu Boden, rutschte im nassen Gras aus, stolperte und torkelte zum Bus. Ein Teil der Scheiben war ebenfalls noch intakt und lediglich mit einem Spinnennetz aus Rissen überzogen, durch die ich genau den gleichen purpurroten Brei ausmachte.
Bitte, lass es keine Kinder gewesen sein! Ein Kloß schnürte mir die Kehle zu. Mit zitternden Händen öffnete ich das Holster. Ich würde mich erschießen, wie es sich für einen Offizier gehört ...
Quietschend öffnete sich die Tür des Busses, und ein ausgemergelter, unrasierter Mann in Trainingsanzug sprang heraus. Kopfschüttelnd betrachtete er erst den zerquetschten Bus, dann mich. Er stand auf. In der einen Hand hielt er ein Brecheisen.
»Du bescheuerter Kosmonaut!«, brüllte er. »Fliegen in der Weltgeschichte rum, die Arschlöcher!«
»Wie viele?«, konnte ich nur fragen. Meine Beine trugen mich nicht mehr, Mütterchen Erde forderte mich tadelnd zum Hinlegen auf. »Wie viele ...? Da drin?«
Ich nickte in Richtung des zusammengedrückten Autobusses und versuchte, jeden weiteren Blick auf die verschmierten Fenster zu vermeiden.
»Achtzig!«, polterte der Fahrer. Alles in mir drin zerbrach. Die Kinder, die hatte ich auf dem Gewissen ...
»Achtzig Kisten, du Mistkerl! Wie soll ich die jetzt bezahlen?«
Noch bevor ich diese Worte bewusst wahrnahm und mir vergegenwärtigte, dass Menschen nicht in Kisten transportiert werden, hatte der Fahrer mit seinem Brecheisen mich auch schon beinahe erreicht.
»Halt!«, schrie ich und riss die Pistole heraus. »Ich bin Major der russischen Luftwaffe! Pjotr Chrumow! Ich habe das Recht, von der Waffe Gebrauch zu machen! Nicht näherkommen!«
Der Fahrer ließ das Brecheisen fallen, sackte auf die Böschung und heulte los, den Kopf in beide Hände gestützt und sich wiegend. Ich schnappte etwas von chinesischen Vertragsbauern auf, die Tomaten anbauten, über die Einwohner von Chabarowsk, die sich ohne diese Tomaten kein Leben vorstellen konnten, über den armen Ikarus, der den Fahrer ernährt hatte und der jetzt nur noch für den Schrottplatz taugte. Mir fehlte jedoch die Kraft, um Mitleid mit ihm zu haben. Tomaten! Achtzig Kisten! Und selbst wenn es die ganze chinesische Jahresernte gewesen wäre!
»Wieso um alles in der Welt transportierst du in diesem Bus Tomaten?«, fragte ich.
»Worin denn sonst, wenn ich keinen Kamas-Laster habe?«
»Mach dir keine Sorgen, man wird dir deinen Verlust erstatten!«
Der Fahrer hörte prompt mit seinem Geflenne auf und hob den Kopf. »Wirklich?«, hakte er ungläubig nach.
»Wird man!«, versprach ich, während ich zum Bus rüberging. Er bot einen furchtbaren Anblick. Ich bückte mich, klaubte ein wenig von dem purpurroten Brei aus dem Gras und hielt ihn mir unter die Nase, wobei ich mir wie ein frisch initiierter Vampir vorkam. Kein Zweifel, das waren Tomaten ...
»Haben die wegen dir die Straße gesperrt?«, erkundigte sich der Fahrer hinter mir.
Ohne mich zu ihm umzudrehen, nickte ich.
»Mist! Ich hab gedacht, da sind mal wieder bei einem dieser Schrottdinger die Tanks geplatzt ...«, grummelte der Fahrer. »Echt, sobald euer Treibstoff ausläuft, riegeln die die ganze Strecke ab ...«
»Passiert das denn so oft?«, wollte ich wissen.
»Zwei Mal pro Jahr ...«
Klar. Die Trägerraketen flogen mit hochtoxischem Treibstoff. Es gab viele Starts, die Tanks waren alt, ewig fehlten Fachleute ...
»Wenn dein Vehikel nicht gewesen wäre«, brachte ich seufzend heraus, »wäre ich erledigt gewesen ...«
Der Fahrer schielte die Straße runter und kratzte sich die Wange. »Kannst du laut sagen! Du hattest ordentlich was drauf ... zweihundert Stundenkilometer?«
»Die Landegeschwindigkeit liegt bei dreihundertfünfzig.«
Der Fahrer schnalzte mit der Zunge. »Also, mehr als hundert, das trau ich mich hier nicht ...« Sein Ton hatte sich prompt geändert. Jetzt war ich nicht mehr ein abgestürzter Kosmonaut, sondern fast ein Kollege. »Meinen Motor kannst du sowieso vergessen. Aber klar, bei euch sieht das anders aus ...« Er verstummte und starrte zum Schiff rüber, spuckte aus und brummte: »Ich hab gewaltig was auf die Birne bekommen ... Wie heißt du, Kosmonaut?«
»Habe ich doch schon gesagt: Pjotr!«
»Petja ... Ich bin Kolja.«
Automatisch schüttelte ich die Hand, die er mir entgegenstreckte. Man hätte in diesem Moment von uns beiden problemlos ein Photo für ein Agitationsplakat der kommunistischen Partei schießen können: die unverbrüchliche Einheit von Armee und Volk. Nur das Schiff, das seine Nase so vorwitzig in den Bus gebohrt hatte, müsste dann retuschiert werden, andernfalls könnte man auf falsche Gedanken kommen.
»Von wo bist du gestartet?«, erkundigte sich der Fahrer.
»Von Sirius-A-8. Vom Planeten Hyxi.«
»Den kenn ich!«, begeisterte sich der Fahrer. »Sirius habe ich schon mal gesehen! Mein Sohnemann hat ihn mir gezeigt, er ist in einer Astronomengruppe, hat selbst ein Teleskop zusammengebaut, so ein kleines ... Er will auch Kosmonaut werden.«
Er ging näher an das Schiff heran, berührte scheu die Schutzhülle und zog fluchend die Hand zurück. Logisch, die Keramik war noch nicht erkaltet, sondern hatte mindestens hundert, zweihundert Grad.
»Verdammt, ist das heiß!«, schimpfte Kolja. »Mir verschmurgeln ja meine Tomaten. Hilf mir beim Ausladen!«
Ich bedachte Kolja mit einem tadelnden Blick.
»Ach ... schon gut«, winkte er ab. »Vergessen wir’s ... Sag mal, das Ding ist doch nicht verstrahlt?«
»Das Schiff? Nein, keine Sorge. Die Strahlung liegt ganz wenig über dem natürlichen Strahlungshintergrund. Sie ist nicht gefährlich.«
»Was sollten wir nach so einem Knall auch noch fürchten«, meinte der Fahrer. »Petja, das ist, als ob du ein zweites Leben gekriegt hättest!«
»Hm ...«
»Meinst du ... wir sollten das begießen?«
Der Vorschlag brachte mich derart aus dem Konzept, dass ich nicht wusste, was ich darauf erwidern sollte. Kolja fasste mein Schweigen als Zustimmung auf, zwängte sich in die Fahrerkabine und tauchte kurz darauf mit einer angebrochenen Flasche Wodka, einem Glas und einem in die Literaturzeitung eingewickelten Stück Speck wieder auf.