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»Aber nachher, wenn die Streifenhörnchen anrücken, sagst du, dass ich nüchtern war!«, verlangte Kolja, während er die Zeitung im Gras ausbreitete. »Dass wir erst jetzt ... um den ganzen Stress abzubauen ...«

Mich beschlichen leise Zweifel, ob Kolja wirklich nüchtern gewesen war und warum er sich derart auf die Flasche stürzte. Ich sagte jedoch kein Wort. Schließlich hatte sein Autobus mir das Leben gerettet.

Wir setzten uns hin, Kolja drückte mir das Glas in die Hand und goss ein. In dem Moment hörte ich das Rattern eines Hubschraubers.

»Meine Leute kommen«, teilte ich ihm mit und stand auf.

»He, mach schon, trink!«, drängte Kolja. »Hier ... soll ich dir ’ne Tomate holen?«

Er flitzte zum Bus und fischte aus dem Brei unter den Rädern eine unversehrte Tomate. Gerade schob sich der Hubschrauber, der tief über unseren Köpfen flog, ins Blickfeld. Allerdings kamen da keineswegs unsere Retter angeflogen: Aus der offenen Tür lugte das Auge einer Fernsehkamera heraus. Der Kameramann, mit einem Gurt gesichert, machte gierig seine Aufnahmen von dem Unfall.

»Die sind von uns, vom Fernsehen in Chabarowsk ...«, erklärte Kolja, während er mir die Tomate hinhielt. »Hier, für nach dem Wodka!«

Es war mehr ein Reflex, als ich den Wodka trank und in die Tomate biss. Das Gemüse der Chinesen war gut und schmackhaft, der Wodka verbrannte mir aber fast den Hals, das reinste Kerosin.

Kolja entspannte sich umgehend und zwinkerte mir zufrieden zu. »Wir sollten der Verkehrspolizei jetzt nicht in die Hände fallen!«, bemerkte er vertrauensselig. »Wenn bloß deine Leute schon da wären und uns hier wegbringen würden! Schließlich stecke ich voll im Stress und muss mich ausruhen!«

Alles klar ...

»Mach dir um die Polizei keine Sorgen. Damit befasst sich der Föderale Sicherheitsdienst!«, beruhigte ich ihn.

Der Hubschrauber kreiste immer noch über uns, machte aber nicht die geringsten Anstalten, tiefer zu gehen und uns Hilfe anzubieten. Wir spendierten uns ein weiteres Schlückchen, als unsere Retter kamen, zwei leichte Hubschrauber, mit einem orange und einem weißen Streifen, und ein Hubschrauber der Armee, ein Ka-72 mit Tarnanstrich. Die Reporter verdufteten prompt, als befürchteten sie, gleich unter Raketenbeschuss zu geraten. Der Armeehubschrauber zog über dem Hügel seine Kreise, während aus den beiden gelandeten Rettungshubschraubern Leute auf uns zuliefen. Ein paar Ärzte, zwei MPi-Schützen und Oberst Danilow höchstpersönlich. Ich stand auf, wimmelte die Herren Doktoren ab und rapportierte: »Ich melde eine erfolgreiche Notlandung. Keine Opfer, die Fracht ist unbeschädigt. Der Zustand des Schiffs ist zufriedenstellend ...«

Schweigend schloss mich Danilow in die Arme. Er war ein kräftiger, stämmiger Mann aus Sibirien, der mich um einen Kopf überragte.

»Na, Pjotr, da hast du ja ganz schön was ...«, brummte er. »Verdammt, aber du bist gelandet! Gelandet, gelandet!«

»Also ... es war ein Glück, dass der Bus aufgetaucht ist ...«

Als Danilow zum Ikarus rüberschielte, entglitten ihm die Gesichtszüge. »Wie viele?«, wiederholte er meine Frage.

»Da waren Tomaten drin, Genosse Oberst. Es gibt keine Opfer.«

»Petja, hol mich doch ...« Ungläubig starrte Danilow auf das Tomatenpüree, das an den Scheiben klebte. »Das gibt neue Sterne auf den Schulterstücken ...«

Er hatte einen Arm nach wie vor um meine Schultern gelegt und drückte dem plötzlich ganz eingeschüchterten Fahrer die Hand. Anscheinend beeindruckte diesen die militärische Uniform weitaus stärker als mein Pilotenoverall.

»Ich danke Ihnen.«

»Nicht doch ...« Der Fahrer machte mit beiden Händen eine abwehrende Geste. »Ich hab halt gesehen, dass da was angeflogen kommt! Direkt auf den Hügel zu. Pah, denke ich, zum Teufel mit ihnen, mit den Tomaten, meine ich, ein Mensch ist mehr wert! Hab den Stoßdämpfer gespielt ... äh ... also ...«

Er stockte verlegen. Kolja, Kolja!

»Ich werde persönlich veranlassen, dass Sie für eine Auszeichnung vorgeschlagen werden«, versprach Danilow. »Für den Schaden kommen wir auf.«

Der Fahrer strahlte.

»Für euch gibt es hier nichts zu tun!«, wandte sich Danilow an die geduldig wartenden Ärzte. »Habt ihr gehört? Nichts!«

Die Ärzte sahen nicht gerade so aus, als seien sie ob dieser Neuigkeit enttäuscht. Inzwischen schnappte sich der Oberst die Flasche vom Boden, nahm einen Schluck, verzog das Gesicht und erteilte Befehle. Fünf Minuten später entstiegen dem Armeehubschrauber drei weitere Soldaten, die etwas abseits ein Feldfunkgerät aufbauten.

»Sammel deine Sachen ein.« Doch dann winkte Danilow ab. »Ach was, zum Teufel mit ihnen ... Du hast hier nichts mehr verloren. Fliegen wir nach Hause.«

Ich nickte und blickte noch einmal zurück zum Schiff. Was hatte ich schon für Sachen? Ein paar Souvenirs, frische Unterwäsche ...

Und einen Zähler!

Das war wie ein Schlag gegen den Solarplexus.

Als ob sich der Vorhang hob, der mein Bewusstsein abgeschirmt hatte.

Der Zähler!

Wir waren in den Bus geknallt, ich hatte mich durch die Schleuse gezwängt - während der Reptiloid noch mit dem Seil hantierte.

Wo war er?

»Alexander Olegowitsch ...«, flüsterte ich. Danilow schaute mich stirnrunzelnd an. »Alexander Olegowitsch, da im Schiff ...«

Er packte mich am Arm und zog mich wortlos zum Schiff. Unter der offenen Luke stand bereits ein MPi-Schütze, reingeklettert war bisher jedoch noch niemand.

»Weshalb hast du die Leiter nicht runtergelassen?«, fragte er, während er die offene Luke taxierte.

»Ich hab mich beeilt und da ...«, murmelte ich schuld-bewusst.

»Wie heißt es doch so schön: Eile mit Weile ... Mach mir mal eine Räuberleiter!«

Unter dem neugierigen Blick des Soldaten stemmte ich Danilow ein Stück in die Luft, bis dieser sich hochziehen konnte und in der Luke verschwand. Kurz darauf glitt langsam die Leiter heraus.

»Komm rauf ...«, vernahm ich seine Stimme.

Danilow hatte die Schleusenkammer nicht verlassen. Als ich hochkam, öffnete er die Luke zum Frachtraum und betrachtete nachdenklich die aufgestapelten Kortrisonplatten.

»Alexander Olegowitsch, ich muss Ihnen etwas sagen ...«, setzte ich halb im Flüsterton an.

»Du musst überhaupt nichts«,’ fiel mir Danilow ins Wort, ohne sich umzudrehen. »Pjotr, alle Piloten haben mindestens einmal in ihrem Leben irgendwas geschmuggelt. Das verstehe ich doch. Schnapp dir deine Sachen und lass uns gehen.«

»Darum geht es doch gar nicht!«

»Mach jetzt hin!«, blaffte Danilow. »Ich überprüfe die Fracht. Du sammelst deine Sachen zusammen.«

Wie hypnotisiert kletterte ich ins Cockpit.

Am Pult blinkten Lichter. Der zerquetschte Zylinder des Jumpers. Die Tomatenschlieren an den Scheiben der Kabine. Der offene Schrank, aus dem ein Beutel mit frischer Unterwäsche gefallen war.

Sicherheitshalber inspizierte ich alle Fächer des Schranks und den Kühlschrank.

Warum erstaunte es mich überhaupt nicht, dass der Zähler verschwunden war?

Klar, ich hatte unter Schock gestanden - nachdem ich in den Bus gerast war. Und klar, die Erleichterung nach den Worten des Fahrers war noch größer gewesen.

Aber warum hatte ich trotz allem den Zähler so schnell vergessen? Und zwar völlig?

Ich erinnerte mich noch an das letzte Mal, als ich ihn gesehen hatte. Seine bekrallte Pfote hatte mich flüchtig berührt ... jene Pfote, die so mühelos die Festplatte des Computers gelöscht hatte.

Ein Mensch ist kein Rechner. Aber spielte das für einen Zähler eine Rolle? Er hatte mich gezwungen, seine Existenz - wenn auch nur vorübergehend - zu vergessen! Und dann war er, während ich mit dem Busfahrer Wodka trank und chinesische Tomaten aß, abgehauen!

Selbstverständlich wusste ich genau, was ich jetzt zu tun hatte. Ich musste alles Danilow erzählen, damit er die Gegend absperrte. Eine Razzia ... Soldaten, Hunde, Hubschrauber, eine Mobilisierung der Bevölkerung vor Ort. Um den geschuppten Karel zu finden!