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Natürlich hatte Mascha auch die Empfangsstation der Alarmanlage nicht vergessen, die einen Platz neben ihrem Teller gefunden hatte. Mascha war halt allzeit auf Posten.

»Wie gefällt’s dir?«, fragte sie mich, als ich stehen blieb und durchatmete. Mit ihrem langen bordeauxfarbenen Kleid und dem hochgesteckten Haar sah sie schon wesentlich hübscher aus.

Oder hatte ich mich inzwischen einfach an ihren Anblick gewöhnt?

»Also ...« Ich traute mich nicht recht, mit der Sprache rauszurücken, und fragte stattdessen: »Kommt noch jemand?«

»Nein. Wieso?«

»Na ja ...«

Am liebsten hätte ich die Nachbardatschen abgeklappert, einen der alten Schriftsteller oder ihrer lausigen Enkel angeschleppt und an die Tafel gesetzt. Sie hätten diese Pracht vermutlich zu schätzen gewusst.

Denn so stimmte das doch hinten und vorn nicht. Als ob wir Geschäftsverhandlungen führen wollten.

Erst eine halbe Stunde später setzten wir uns zu Tisch. Für das Mittagessen war es bereits zu spät, für das Abendbrot noch zu früh. Verstohlen blickte ich zu meinem Großvater hinüber, der reichlich komisch aussah. Er hatte seine Trainingshose und seinen Pullover gegen einen altmodischen Anzug, ein weißes Hemd und eine schmale Krawatte - bestimmt war sie irgendwann mal modern gewesen - eingetauscht. So kleiden sich Rentner, um eine Erhöhung ihrer Rente zu verlangen oder eine Renovierung ihrer Wohnung auf Kosten der Stadt. Fehlte nur noch ein Orden an der Brust ... den mein Großvater allerdings nie erhalten hatte. Denn er war nie beim Militär gewesen. Hatte weder im Kaukasus gekämpft noch während der Krim-Krise.

Ob er gerade deshalb bis heute so kämpferisch war?

»Kinder ...« Mein Großvater hüstelte, sah erst mich an, dann Mascha. »Jungs und Mädels ... es war längst an der Zeit, dass ihr euch kennenlernt.« Was für ein interessanter Anfang.

»Seit fünfundzwanzig Jahren warte ich nun auf den Tag, an dem die Menschheit diese Chance erhält«, fuhr mein Großvater fort. »Ein Vierteljahrhundert. Ein Drittel meines Lebens. Ich habe mich auf diesen Tag vorbereitet. Und vermutlich waren viele meiner Schritte nicht gerade ethisch ... Aber sie waren nun einmal notwendig.«

Er drehte das Schnapsglas in den Händen und schielte zu der Flasche Staraja stoliza rüber, dem besten Wodka Moskaus.

»Heute ist unser Tag gekommen, das spüre ich. Der Tag der ganzen Menschheit. Selbst wenn sie nichts davon weiß ... Petja!«

Schweigend öffnete ich die Flasche, goss meinem Großvater ein volles Glas und mir selbst ein wenig ein. Fragend blickte ich Mascha an.

Unter ihrem unerbittlichen Blick füllte ich das Glas bis zum Rand.

»Auf uns ... Abenteurer.« Mein Großvater stürzte sein Glas auf ex hinunter. »Wenn du keinen Wodka magst, Pjotr, dann nimm dir Mineralwasser.«

Erleichtert goss ich den Inhalt meines Glases in das meines Großvaters und schenkte mir Selters ein.

Mascha musterte mich mit kränkender Neugier. »Du schlägst wohl nie über die Stränge, was, Pjotr?«

»Ist das etwa schlecht?«, antwortete ich mit einer Gegenfrage.

»Es ist ein bisschen langweilig.«

»Das ist mir noch nicht aufgefallen.«

Die nächsten Minuten aßen wir schweigend unser Essen. Maschas Koteletts schmeckten hervorragend. Ich entspannte mich sogar ein wenig. Vielleicht liefen sämtliche Geschäftsverhandlungen ja auf ein paar patriotische Trinksprüche hinaus ...

»Die einzige Chance der Menschheit, eine akzeptable Position in der Galaxis einzunehmen, besteht darin, unersetzlich zu werden«, erklärte mein Großvater unvermittelt.

»Aber wir sind doch schon unersetzlich«, wandte ich ein.

»Wir haben die schnellsten Schiffe ... das stimmt. Und weiter? Wir sind nützlich, Petja. Du darfst Nützlichkeit jedoch nicht mit Unersetzlichkeit verwechseln. Ein Vierteljahrhundert habe ich gewartet. Gehofft und auf eine Situation gewartet, in der die Menschheit etwas tun kann, das sich andere Rassen nicht einmal vorzustellen vermögen ...«

Mein Großvater stieß mit Mascha an, die beiden tranken auf ex. Das Gesicht unserer Besucherin blieb reglos. Offensichtlich wusste sie, wovon mein Großvater sprach. Mich kränkte das ein wenig.

»Ich habe gehofft, dass drei relative junge Rassen, die sich genau wie wir nicht frei entfalten können, ebenfalls darauf warten«, fuhr mein Großvater fort. Seine Augen glänzten zart. »Die Alari, die Zähler und die Cualcua. Kämpfer, Mathematiker und Chamäleons.«

»Wer?«

»Du weißt, dass die Rasse der Cualcua kein beständiges Äußeres hat?«

Ich zuckte mit den Achseln. Klar, in den Filmen, die ich gesehen hatte, sahen die Cualcua jedes Mal anders aus.

»Es sind symbiotische Lebewesen aus Protoplasma, die kein Innen- und kein Außenskelett haben und zwischen einem halben Kilo und zwei Zentnern wiegen.« Mein Großvater lachte lautlos. »Sie sind unverzichtbar für Montagearbeiten und Reparaturen, denn sie können in jede Spalte hineinkriechen und gelangen noch in das winzigste Arbeitsmodul. Oder in einen Raketensprengkopf. Was glaubst du, Petja, gefällt ihnen diese Rolle?«

»Wir wissen nichts über ihre Psychologie, Großpapa. Nicht einmal du weißt etwas darüber.«

»Humbug! Der Überlebenswunsch, der Selbsterhaltungsinstinkt - das sind Konstanten. Rassen, die sich nicht um ihr Überleben scheren, gibt es nicht! Aber das Leben der Cualcua ist heutzutage keinen Pfifferling wert. Wer kriecht denn in einen Reaktor, der in Betrieb ist? Die Cualcua. Wer bringt eine Erkundungssonde auf einen Planeten, ohne die Möglichkeit der Rückkehr zu haben? Natürlich die Cualcua. Wer richtet einen Torpedo auf sein Ziel aus? Jene kleinen genügsamen und intelligenten Lebewesen ... die Cualcua eben.«

Klar, das war eine Schweinerei. Die mir nicht unbekannt war. Ich hatte jedoch noch nie gehört, dass die Cualcua sich über diese Rollenverteilung empörten. Übrigens: Wusste eigentlich ein durchschnittlicher Hyxoid oder Stäubler etwas von der Unzufriedenheit der Menschen?

»Die Zähler sind also auf der Erde gelandet. Und sie haben nur ein Zieclass="underline" mich zu treffen.« Mein Großvater langte nach der Wodkaflasche und goss sich sein nächstes Glas selbst ein. »Sie haben alles verstanden ... Sie konnten meine Texte analysieren. Sie wissen, dass ich in der Lage bin, ihnen zu helfen.«

Also echt, mein Großvater wurde langsam alt ... Worauf beruhte dieses Selbstbild? Schließlich stand nichts und niemand hinter ihm, abgesehen von ein paar wissenschaftlichen Zentren, die sich mit Fragen der extraterrestrischen Psychologie beschäftigten. Und abgesehen von einer fanatischen jungen Frau. Aber er kam nicht an Schiffe heran oder an ...

Halt! Ich kam an Schiffe ran!

Mir war zumute, als hätte mich jemand mit kaltem Wasser Übergossen ...

»Und wenn der Zähler gelogen hat, Großpapa?«, fragte ich. »Wenn er nicht zu dir kommt?«

»Er hat die Wahrheit gesagt!«, fuhr mich mein Großvater an.

»Und wenn er unterwegs verreckt? Er muss das ganze Land durchqueren. Er ist fremd hier, hat nicht die leiseste Ahnung von den Bedingungen, ist allein auf einem feindlichen Planeten.«

Mein Großvater senkte den Blick. »Er muss sich darauf vorbereitet haben«, knurrte er nach einer Weile. »Er war verpflichtet, sämtliche Faktoren zu berücksichtigen. Alle Rassen verfügen über Daten zu unserem Planeten. Das Prinzip der informativen Einseitigkeit des Konklave ist dir ja wohl bekannt, oder? Wir dürfen keine Informationen von älteren Rassen verlangen, müssen sie ihnen aber zur Verfügung stellen.«

»Ich weiß, Großpapa. Aber niemand kann sämtliche Faktoren berücksichtigen.«

»Es würde mich nicht wundern, wenn er sogar deinen Autobus mit den Tomaten einkalkuliert hat!«, brummte mein Großvater griesgrämig.

»Fangt jetzt bloß keine Schlägerei an«, bemerkte Mascha, während sie sich Salat auftat.