»Wünsche guten Flug«, sagte die Frau mit polnischem Akzent. »Kommen Sie wieder?«
»Glaub schon.«
»Wünsch gute Erholung, Panie.« Die Frau seufzte. »Ach ja ... mein Urlaub ... oi-oi ... muss noch ein halbes Jahr warten.«
Ich schüttelte mitfühlend den Kopf.
»Sie kennen Boris Kossuch? Von Aeroflot?«
»Nein«, antwortete ich. Mit unseren Hauptkonkurrenten hatten wir nicht häufig zu tun. Und zwar nicht, weil unsere Linie eine solche Politik ausgab, sondern einfach, weil unsere Flüge sich selten überschnitten.
»Ein lustiger Mann«, erklärte die Frau. Sie seufzte erneut. »Ich habe gedacht, alle russischen Piloten sind lustig ...«
Mit einem dummen Lächeln ging ich weiter zum Fahrstuhl. Was hatte sie wohl damit sagen wollen? Man konnte ja glauben, ich sei ein alter Trauerkloß!
Da mir noch Zeit blieb, schaute ich auf einen Sprung in der Bar im Erdgeschoss vorbei, um einen starken »intergalaktischen Kaffee« zu trinken, mit Zimt und Ingwer. Nichts vertreibt die Bierfahne besser. In diese Bar kamen niemals Piloten. Irgendwie hatte es sich so ergeben, dass wir das Donald mit Beschlag belegt hatten, die Hotelbar jedoch fest in der Hand der Soldaten vom Bodenpersonal war. Anständigen Kaffee machten sie aber.
Jetzt noch der Arzt.
Die Verwaltungsgebäude lagen ganz in der Nähe. Überhaupt war in den Raumhäfen auf anderen Planeten immer alles konzentriert beieinander. Trotzdem geriet ich ins Schwitzen, während ich über den Betonweg zu den piekfeinen zweistöckigen Häusern stapfte. Ich schlüpfte gleich ins erste, waren die Bauten untereinander doch mit Gängen aus Spiegelglas verbunden, so dass ich mich nicht mehr als nötig zu quälen brauchte. Der Wachtposten nickte mir mitfühlend zu. »Heiß draußen?«
»Und wie«, antwortete ich.
Damit endete unser karges Gespräch wie von selbst. Ich ging durch die Korridore zum Krankenhaus.
Die Tür zu Zimmer 12 stand offen, Stimmen klangen zu mir herüber, auch ein Lachen. Sofort wurde mir leichter zumute: Die Leute unterhielten sich auf Russisch. Ich klopfte gegen den Türpfosten und steckte den Kopf ins Zimmer.
»Ah!« Der Arzt, ein nicht sehr großer, kräftiger Mann in grünem Chirurgenkittel, erhob sich hinter seinem Tisch. »Von der Transaero?«
»Genau.«
»Worauf wartest du noch? Immer rein!« Er klopfte mir zur Begrüßung auf den Rücken. »Kostja!«, stellte er sich vor. »Einfach Kostja.«
Er war um die dreißig, vielleicht etwas älter. Seine Vitalität und die rötlichen Wangen ließen keinen genaueren Schluss zu.
»Petja«, brummte ich.
Die beiden Krankenschwestern, die höchst sittsam auf einer Bank vorm Fenster saßen, brachen in Gelächter aus.
»Einen Monat lang habe ich jetzt keinen Russen zu Gesicht bekommen!«, gestand der Arzt. »Wann fliegst du?«
»In zwei Stunden.«
»Hast du Beschwerden?« Der Arzt versuchte hartnäckig, eine offizielle Miene aufzusetzen. »Ach, was rede ich denn ... Setz dich!«
»Es ist alles in Ordnung.« Als ich nach meiner Flugkarte kramte, hätte ich beinahe Elsas Brief mit herausgerissen. Die Karte hielt ich dem Arzt hin.
»Woher bist du?«
»Aus Moskau.«
»Hmm ... weit weg. Ich bin aus Abakan. Also, raus mit der Sprache, wie viel hast du heute getrunken?«
Anscheinend musste ich Farbe bekennen. »Ein halbes Bier.«
Der Arzt drohte mir mit dem Finger und langte nach dem Alkoholdetektor auf dem Tisch.
»Wenn du mehr als zwei Gläser getrunken hättest, würde ich dich heute nirgendwo hinlassen! Atme aus!«
Gehorsam pustete ich in das Röhrchen.
»Noch mal«, verlangte der Arzt mit einem Blick auf die Skala.
Ich atmete tief aus, wie ein Sprinter nach dem Rennen.
»Sag mal, war dein Bier ein Kefir?«, wollte der Arzt wissen. »Tüchtig! Normalerweise unternehmen unsere Jungs doch alles, um das allgemeine Vorurteil zu bestätigen: Russen besaufen sich vor jedem Start!«
»Gestern ... da habe ich auch etwas übertrieben«, gab ich zu.
»Wie viel?«
»Drei Gläser.«
Die Krankenschwestern und der Arzt sagten kein Wort. Nach einer Weile steckte der Arzt sein Instrument in die Tasche. »Ein interessanter Fall«, bemerkte er nachdenklich. »Wo sind deine Papiere?«
Er drückte einen Stempel auf die Karte, unterschrieb und fuhr mit dem Codierungsring über den Streifen des Magnetindikators. »Bist du schon lange dabei?«, erkundigte er sich.
»Seit zwei Jahren.«
Die eine der beiden Krankenschwestern kicherte ungläubig, die andere schenkte mir ein Lächeln. Was für eine angenehme Frau ...
»Schau ruhig öfter mal bei uns rein«, forderte der Arzt mich auf. »Ich schreibe gerade meine Dissertation, zum Thema ›Der Einfluss extremer extraterrestrischer Bedingungen auf die Verhaltensimperative‹. Dafür brauche ich markante Beispielfälle.«
»Kommt drauf an, was meine Linie entscheidet. Allerdings mag ich diesen Planeten nicht besonders«, gab ich zu. »Es ist zu heiß. Und die Bevölkerung ist ziemlich ... verschlossen.«
»Dass die nicht zu Scherzen aufgelegt sind, ist doch kein Wunder! In einer Woche beginnt für sie die Jahreszeit der kollektiven Euthanasie«, brummte der Arzt. »Die Larven sind inzwischen herangereift, jetzt muss freier Raum her. Gut, lassen wir das ... Petja. Guten Flug.«
»Danke.« Ich zog mich rasch Richtung Tür zurück.
»Hast du wenigstens ein paar Souvenirs gekauft?«, fragte der Arzt.
»Klar«, antwortete ich, indem ich gegen die Tasche meiner Jacke klopfte. Die beiden Krankenschwestern kicherten verlegen.
»Komm wirklich mal wieder vorbei, Petja«, wiederholte der Arzt nach einer kurzen Schweigepause.
»Mach ich, Kostja.« Damit verließ ich den Raum.
Das war’s. Das größte Problem war gelöst, die Erlaubnis hatte ich.
Ich ging rüber zum Gebäude des Kontrollzentrums. Dort wimmelte es von Marinesoldaten, weshalb ich meine Papiere herausholen und sie in der Hand behalten musste. Ich suchte ewig nach einem freien Schalter. Schließlich fand ich einen mürrischen Typ, der meine Daten in den Computer eingab und die letzten Punkte der Erlaubnis abzeichnete. Mein Schiff wurde inzwischen durchgesehen und aufgetankt. Ich händigte dem Typen hinterm Schalter Gutscheine über zweieinhalb Tonnen Kerosin aus und bestätigte, keinerlei Mängel zu beanstanden.
Damit dürfte nun wirklich alles geregelt sein.
Bis zum Start blieben mir noch anderthalb Stunden. Ich hätte zwar um einen Elektrocar bitten können, zog es aber vor, zu Fuß zum Schiff zu gehen. Wer weiß, wann es mich das nächste Mal nach Hyxi verschlug.
Diesmal hatte mich eine einfache und problemlose Fracht hierhergebracht. Bilder. Kleine Dinger, wie sie jeder kennt, fünfzehn mal zehn Zentimeter, in einem Holzrahmen und unter Glas. Jedes zeigte einen Ausschnitt vom Meer mit Bäumen am Ufer, dem Mond am Himmel und einem silbrigen Streifen auf dem Wasser. Die Maler gaben sich alle Mühe, die größtmögliche Abwechslung in sie hineinzubringen, weshalb manchmal ein paar Segel aufblitzten, Vögel am Himmel flogen oder sich Wolken vor den Mond schoben. Dergleichen könnten sie sich getrost sparen, denn der Blick der Hyxoiden ist unserem weit überlegen. Ihnen genügt jene Individualität, die das Bild durch ein aus dem Pinsel herausragendes Haar oder einen Fingerabdruck in der Tempera erhält, vollauf.
Auf dem Rückweg sollte ich sogar eine noch ödere Fracht aufnehmen, nämlich Kortrisonplatten. Anscheinend galten sie bei den Hyxoiden ebenfalls als Ziergegenstand. Auf der Erde stellte man aus ebendiesen Platten jedoch die besten Schusswesten oder Schutzhüllen für neue Schiffstypen her. Die Hyxoiden protestierten nicht gegen diese Verwendung, obwohl sie sich durchaus auf das Gesetz zur Unsachgemäßen Anwendung hätten berufen können. Vermutlich unterstellten sie den Menschen das Bedürfnis, ihre Schiffe so schön wie möglich zu gestalten.