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»Eher würde eine solche Allgemeine Moral den Status quo festigen«, brummte mein Großvater. »Vielleicht würde sie gewisse psychologische Probleme lösen, mehr aber auch nicht. Oder sie würde in der Galaxis die Herrschaft der Unaussprechlichen etablieren.«

»Wie angenehm, wenn man einander versteht!«, rief der Zähler begeistert.

»Jetzt die zweite Möglichkeit.« Mein Großvater hustete. »Petja, gieß mir etwas Mineralwasser ein ... Den zweiten Weg halte ich für etwas realistischer. Bei dieser Variante hätte die Menschheit Zugang zu einem Komplex von Kenntnissen ... genauer nicht nur Kenntnissen, sondern auch Kräften. Zum Beispiel zum Wissen einer anderen, dem Konklave unbekannten Zivilisation. Diese Situation wurde in der Literatur hier auf der Erde ausgiebig diskutiert ... also ... äh ... in der Unterhaltungsliteratur. Denkbar sind die Bibliothek einer längst untergegangenen Rasse, eine riesige kosmische Flotte oder ein mächtiges Hyperwesen, das dennoch bereit ist, dem Erstbesten, dem es begegnet, zu dienen. Diese Variante wollen wir Deus ex machina nennen.«

»Wie sehr doch alle nach leichten Wegen streben ...«, merkte der Reptiloid traurig an.

»Du machst dir kein Bild! Als ob bloß eines dieser erbärmlichen terrestrischen Raumschiffe in unbekannte Bereiche des Kosmos vorzudringen brauchte und dort würden prompt drei ...« Mein Großvater lachte. »Nein, vier Millionen! Vier Millionen Raumschiffe von der Größe eines Planeten herumfliegen! Und jedes dieser Raumschiffe würde mit Menschenstimme sagen: ›Guten Tag, neuer Herr! Wir sind bereit, deinen Willen zu erfüllen!‹«

Kichernd goss ich mir das dritte Glas Wein ein. Ich konnte mir das Lachen wirklich nicht verkneifen. Wie oft haben wir Piloten während der Ausbildung von einer solchen Begegnung geträumt ...

»Auch diese Variante ist letzten Endes unwahrscheinlich«, erklärte mein Großvater. »Soweit wir wissen, gibt es in den zugänglichen Teilen der Galaxis keine Hinweise auf Rassen, die älter als die Starken sind. Und sollten solche Hinweise je entdeckt werden, werden die Starken zuerst davon wissen. Die Blinker, die für sämtliche Kanäle der Informationsübermittlung die Verantwortung tragen, unterstehen schließlich hundertprozentig der Kontrolle von Daenlo. Und leider dienen sie schon zu lange ... sie haben sich daran gewöhnt. Der entscheidende Punkt ist jedoch: Wertvolle Werkzeuge bleiben nicht herrenlos. Eine untergegangene Rasse kann Artefakte hinterlassen ... aber nicht ganze Lagerhallen mit weit aufgerissenen Türen. Man muss ein unverbesserlicher Optimist sein, um auf diese Variante zu hoffen.«

»Wenn ich es richtig begriffen habe«, sagte der Zähler, »ist die realistischste Variante also die dritte?«

»Ja. Diese Variante können wir die Zweite Kraft nennen. Dagegen spricht indes, dass die politische Situation gegenwärtig stabil ist. Die Möglichkeiten der neun Starken Rassen übersteigen jede denkbare Grenze. Sie sind vereint, und sie allein haben die Macht. Wenn in der Galaxis jedoch eine Kraft auftauchen würde, die dem Konklave ebenbürtig wäre ... Selbst wenn sie nicht herrenlos wäre. Selbst wenn sie nicht die geringste Absicht hätte, irgendjemandem zu dienen. Ja, selbst wenn diese Kraft aggressiv, monströs und widerwärtig wäre! Trotzdem brächte solch eine Konfrontation, in der ein Gleichgewicht der Kräfte entsteht, für die Schwachen Rassen eine Chance mit sich. Die Starken Rassen dürften uns dann nämlich nicht einfach benutzen. Sie müssten die Schwachen Zivilisationen entwickeln. Sie müssten Kompromisse eingehen, damit sie im entscheidenden Moment auf die Dienste der Zähler, der Cualcua, der Stäubler oder der Menschen zurückgreifen können.«

»Sprechen Sie von einem Krieg?«

Mein Großvater ließ sich mit der Antwort Zeit. »Ich weiß es nicht«, sagte er dann. »Wenn dir der Begriff bekannt ist, dann vielleicht von einem Kalten Krieg.«

»Ich kenne eure Geschichte.«

»In einer solchen Situation könnten wir viel gewinnen. Und falls ... falls wir von dieser Zweiten Kraft noch vor den Starken Rassen erführen ...«

Schweigen breitete sich im Zimmer aus.

Der Zähler rieb sich mit beiden Pfoten übers Gesicht.

»Ich vermute, in einer solchen ... rein hypothetischen Situation ... könnte es notwendig werden, mit dieser Zweiten Kraft in Kontakt zu treten«, tastete sich mein Großvater vor. »Hier könnten die Alari einen gewissen militärischen Schutz garantieren ... Die Zähler könnten vermutlich ...«

»Ja, ja!« Karel lebte auf. »Was könnten wir?«

»Die Navigation sicherstellen, die Flugbahn des Jumps berechnen. Du hast das bereits bewiesen. Außerdem habt ihr erstaunliche linguistische Fähigkeiten. Ihr könntet die Gespräche ermöglichen. Darüber hinaus versteht ihr es hervorragend, die Verhaltensweisen anderer Rassen zu analysieren, und seid in der Lage, diese zu imitieren. Nimm dich, Karel. Du führst dich auf wie ein Mensch. Wörter, Tonfall, Gesten und Denkweise ... Dabei gleichst du selbst den Reptilien auf der Erde nur äußerlich. Du bist absolut fremd hier. Dein internes Bewusstsein verarbeitet einfach auf der Stelle sämtliche Informationen, vergleicht sie mit den vorhandenen Daten über die Menschen und generiert daraus die zutreffenden Antworten für das externe Bewusstsein.«

»Ganz so einfach ist es zwar nicht ... aber im Großen und Ganzen haben Sie recht.« Karel verstummte abrupt und streckte sich auf dem Sofa aus. »Ja.«

»Wozu brauchen wir die Cualcua?«, wollte mein Großvater wissen. »Als Partner der Alari ... allein darum kann es nicht gehen. Ihre Funktion als Waffenträger würden sie auch so ausfüllen. Nein, ich glaube, wir brauchen die Cualcua, damit sie das Äußere verändern. Weil sie imstande sind, jede Form zu imitieren. Als Wesen, die es uns erlauben, unser Aussehen zu wechseln. Das könnte für die Herstellung des Kontakts äußerst wichtig sein.«

Karel schwieg.

»Was mich aber am meisten interessiert, ist, welche Aufgabe die Menschen übernehmen sollen.« Mein Großvater seufzte schwer. »Die der Fuhrleute, sicher ... sie sollen die Delegationen zu den Verhandlungen bringen ... Fuhrleute? Was, wenn die Zweite Kraft nichts kennt, das mit dem Jump vergleichbar wäre? Dann wird der Jump sie erschrecken und sie zwingen, uns mit größerem Respekt zu begegnen. Oder nicht?«

Der Reptiloid antwortete nicht.

»In welchen Punkten habe ich unrecht?«, fragte mein Großvater scharf.

»Sie haben ja recht«, zischelte Karel. »Ganz und gar recht ... was diese rein hypothetische Situation angeht.

Ja ... Aber die menschliche Rasse verfügt über einen weiteren Trumpf, den Sie nicht aufgezählt haben. Übrigens mindert er den Wert einer anderen Rasse ...«

»Stopp«, unterbrach ihn mein Großvater. »Stopp.«

Der Reptiloid reckte den Kopf in die Höhe.

»Schweig. Ich ... ich glaube, ich weiß, worauf du hinauswillst.«

Mascha und ich sahen uns unwillkürlich an. Wahrscheinlich wollte jeder von uns beiden wissen, ob er der einzige Idiot in Gesellschaft dieser beiden Genies war.

»Ich glaube, die weitere Diskussion sollten wir ... nicht hier führen.« Mein Großvater erhob sich langsam. Er ging zu Karel und blieb wie erstarrt vor ihm stehen. Sein Gesicht war nur wenige Zentimeter von dem des Reptiloiden entfernt. »Bist du sicher?«

»Ja«, antwortete der Zähler leise.

»Was schlägst du vor?«

»Ist Ihr Organismus in der Lage, einen Raumflug zu verkraften?«

»Ich bin zweiundsiebzig Jahre ...«, flüsterte mein Großvater. »Ich habe lange daraufgewartet ...«

»Der Zeitpunkt wurde nicht von uns bestimmt. Als er eingetreten ist, haben wir unsere Aktion sofort eingeleitet. Wir haben uns sehr beeilt, Andrej Valentinowitsch. Wir haben nur fünfundzwanzig bis vierzig Erdtage. Nach Ablauf dieser Frist erhalten die Starken Rassen die Informationen ebenfalls ... dann wird die Rasse der Menschen vernichtet werden. Unverzüglich. Egal, wie verdient sie sich gemacht hat.«