»Ja.«
Sieh einer an!
Die Alari hatten es fertiggebracht, in zwölf Tagen gut vierzig Schiffe zu verlieren!
Wer auch immer ihren Weg gekreuzt haben mochte, er musste den Nagern ordentlich eingeheizt haben!
»Die Hauptverluste haben die kleinen Zerstörer erlitten«, fuhr der Zähler fort. »Aber auch zwei Kreuzer wurden vernichtet. Hier seht ihr das Flaggschiff.«
Sobald das Schiff auf dem Bildschirm entstanden war, stieß ich einen Pfiff aus. Es hatte ebenfalls die Form einer Scheibe, genau wie die normalen Kreuzer. Aber wenn mir mein Gedächtnis keinen Streich spielte, hatte diese Scheibe einen Durchmesser von fünf Kilometern. Die Mitarbeiter der Wesi könnten sich nur noch die Kugel geben, sollte ein solches Schiff je die Erde angreifen.
Dieses Flaggschiff dürfte sich allerdings geraume Zeit jeden Gedanken an einen Angriff verkneifen müssen.
In der Mitte der Scheibe klaffte ein Loch. Ja, richtig, ein ganz normales Loch, durch das die Sterne funkelten. Die Ränder der Scheibe, die perfekt glatt hätten sein müssen, waren zerflossen und hingen gewellt herab. In meiner Kindheit hatte ich einmal versehentlich eine alte Schallplatte aus der Sammlung meines Großvaters in der Sonne liegen gelassen. Sie war geschmolzen, und das schwarze Plastik hatte sich am Rand genauso verformt wie bei dem Schiff.
Aber da vor uns, da auf dem Bildschirm, das war keine Vinylplatte!
»Welche Kraft ist nötig, um einen solchen Schaden anzurichten?«, fragte mein Großvater.
»Es kommt nicht auf die Kraft an, das sollte die Rasse, die den Jumper ersonnen hat, wissen«, belehrte ihn der Zähler. »Allerdings hat hier tatsächlich eine gewaltige Energie gewirkt. Ich vermute, selbst die Torpp hätten sie nicht verkraftet.«
Das wurde ja immer schöner. Bisher hatte ich angenommen, diese Rasse der Starken, die in der Photosphäre der Sterne lebte, sei absolut unverletzbar.
»Weiter!«, befahl mein Großvater. Seine Augen blitzten. Endlich lag ihm der Beweis vor, dass es im Kosmos eine Kraft gab, die dem Konklave Entsetzen einzuflößen vermochte!
»Und hier haben wir den Gegner der Alari«, sagte der Zähler. Auf dem Bildschirm erschien ein weiteres Schiff, ebenfalls scheibenförmig und anscheinend aus Metall. Aber weitaus anspruchsvoller in der Form, mit einer Reihe von Vorsprüngen am Rand, die eine eigenwillige Zierkante bildeten, und einer deutlichen Verdickung in der Mitte. Damit erinnerte das Schiff eher an eine Linse als an eine Scheibe.
Und es war sehr klein. Neben dem Schiff tauchte jetzt die winzige schematisierte Figur eines Menschen auf. Die Linse schien kleiner als unsere Wolchw zu sein. Vielleicht so groß wie eine Spiral.
»Wie viele Schiffe waren es?«, wollte Danilow wissen.
»Habe ich mich derart unpräzise ausgedrückt?«, fragte Karel bestürzt. »Nur dieses eine.«
Als ich zu meinem Großvater hinübersah, bemerkte ich, wie er, das Kinn in die Hände gestützt, aufmerksam das unbekannte Schiff studierte. Im Unterschied zu mir jagte ihm das Ding keine Angst ein.
»Karel«, sagte ich, »ihr müsst euch geirrt haben. Das kann nicht jene Zweite Kraft sein, die wir brauchen, um uns auf ein diplomatisches Spiel einzulassen. Das ist einfach bloß eine Kraft. Sie fegt die Starken Rassen weg und zermalmt die Schwachen. Ohne es selbst zu merken.«
Danilow nickte. In dieser Frage vertraten wir haargenau dieselbe Auffassung.
»Es gibt da noch ein kleines Detail.« Der Zähler linste zu mir herüber. »Es gibt etwas, das über der Kraft steht.«
Jetzt lief über den Bildschirm offensichtlich eine Videoaufzeichnung. Oder etwas, das den Alari als Entsprechung diente und minutiös vom Zähler in unser Darstellungssystem übertragen worden war.
Ein riesiger Hangar - und überall Mäuse. Der Albtraum einer Katze aus einem Zeichentrickfilm. Kräftige, hundsgroße Nager. Einige nackt, andere in ungewöhnlichen, abstoßenden Raumanzügen aus metallischen Schuppen. Die Mäuse wuselten überall herum, rannten über den unebenen, schartigen Boden, der aus Steinplatten gelegt schien. Die Vorderpfoten der Mäuse waren länger als ihre Hinterbeine und mündeten in kräftige Finger. Als Folge davon ragten der Brustkasten und der Kopf auf, was sie extrem aggressiv aussehen ließ.
Inmitten der wuselnden Alari blitzten hier und da unbewegliche, verrenkte und mitleiderregende Leichen auf. Eigentlich war der ganze Boden mit ihnen übersät ...
Die Kamera fuhr heran, die Mäuse wichen auseinander, und im Hintergrund ließ sich das Schiff erkennen, jene kleine Linse, die das Flaggschiff demoliert hatte. Es lag da, krängte ein wenig und schien von Mäusen belagert. Aber das war noch nicht mal das Entscheidende ...
Das Entscheidende, das kam erst noch. Das nahm erst jetzt den ganzen Monitor ein.
Ein Körper.
Ein menschlicher Körper!
Ein junger blondhaariger Mann. Am Hals klaffte eine Wunde. Hatten die Alari im Zweikampf etwa ihre Zähne eingesetzt?
Lange Haare und braungebrannte Haut mit Blut, das aus den zahllosen Bisswunden und Kratzern lief. Da der Mann nur kurze Shorts aus silbrigem Stoff trug, war auf dem muskulösen Körper jede Wunde zu sehen. Obwohl das Blut schon fast an allen Stellen eingetrocknet war, glaubte ich, es handelte sich um frische Wunden. Komisch. Er tat mir leid, dieser Mann, der da in einer absolut unfairen Auseinandersetzung gestorben war. Außerdem kam mir sein Gesicht vage bekannt vor ...
Mein Bewusstsein hakte sich weiter an verschiedenen Details fest, an jedem Punkt der unerbittlich scharfen Darstellung ... Irgendwann gelang es mir endlich, meine Bestürzung abzuschütteln.
Das Wichtigste war nicht, dass das winzige Schiff dieses Mannes vierzig Schiffe der Alari vernichtet hatte. Und auch nicht, dass er im Zweikampf mindestens ein Dutzend Mäusekommandos erledigt hatte.
Das Wichtigste war, dass es sich um einen Menschen handelte. Oder zumindest um ein Wesen, das sich nicht von einem echten Menschen unterscheiden ließ.
»Er war allein«, zischelte der Zähler. »Die Alari hatten Glück, dass er allein war.«
Danilow riss plötzlich den Kopf herum und starrte mich ungläubig an. Dann blickte er abermals auf den Bildschirm.
»Verflucht, Pjotr, ihr seht euch ähnlich!«
Das stimmte tatsächlich. Nein, der Unbekannte war keine genaue Kopie von mir. Sein Gesicht war etwas breiter, und die halb geöffneten Augen waren anscheinend schwarz. Die Ohrläppchen sahen auch anders aus ...
Trotzdem waren wir einander extrem ähnlich. Wie Brüder.
»Ist das ein Mensch?«, fragte ich.
»Was ist denn das, ein Mensch?« Der Reptiloid lachte leise.
»Spar dir deine Sophistereien«, bat ich nur. »Ist er tot?«
»Ja. Leider ja.«
»Haben die Alari seinen Körper untersucht?«
»Selbstverständlich. So ist sein Organismus aufgebaut ...«
Die Darstellung auf dem Bildschirm veränderte sich. Das wirkte wie ein Horrorfilm oder wie ein Dokumentarfilm für Medizinstudenten. Zunächst verschwand die Haut. Dann die Muskeln. Schließlich die inneren Organe. Ein paar Sekunden starrten wir blöd auf das Skelett, dann flackerte der Bildschirm, und der tote Körper lag wieder da, umgeben von aufgeregten Alari.
Mascha schrie leise auf. Mir behagte der Anblick ebenfalls nicht.
»Ich sollte hinzufügen, dass zu den Untersuchungsmethoden der Alari keine Obduktion gehört«, erklärte der Zähler. »Das eben war eine Inszenierung. Wenn auch auf der Grundlage genauer Daten.«
»Zeig mir noch mal das Skelett«, bat mein Großvater, den nichts aus der Ruhe brachte. »Ich konnte die Wirbel nicht zählen.«
»Sein Körperbau entspricht völlig dem der Erdbewohner.«
»Und die Zellen?«
»Ebenfalls.«
»Das Genom?«
»Nach ersten Angaben auch.«
»Aber er kann kein Mensch sein«, murmelte mein Großvater vor sich hin. »Nein, das ist unmöglich ... Wenn allerdings ...« Er streckte die zitternde Hand nach dem Zähler aus. »Wann? Wann ist das passiert?«