Etwas schlierte über meinen Körper und hinterließ eine leicht feuchte Spur. Wie eine riesige Egelschnecke. Ich schüttelte das Bein, und ein Klumpen amorphen Fleischs in der Farbe meiner Haut fiel aus dem Hosenbein.
»Das war nur ein Test«, setzte mich der Befehlshaber ins Bild. »Wir mussten uns überzeugen, dass ein Cualcua und der menschliche Organismus kompatibel sind. Für unseren Plan ist das von entscheidender Bedeutung.«
Ich sah mich Hilfe heischend um, aber niemand sagte ein Wort. Mascha starrte mit angewidertem Gesichtsausdruck auf den Cualcua, Danilow wich meinem Blick aus, mein Großvater gab mir ein beruhigendes Handzeichen ...
»Pjotr, wir müssen tun, was sie verlangen ...«
»Ich erlaube diesem Stück Dreck nicht, in meinem Körper herumzukriechen!«, schrie ich. »Was auch immer euer Plan vorsieht!«
»Ich glaube, die Alari haben recht«, sagte mein Großvater. »Beruhige dich, Petja.«
In dem Moment zerbrach etwas in mir.
Wie sollte er auch verstehen, was das ist: Fremdes Fleisch, das sich in deinem Körper einnistet! Eine redende, kriechende, denkende Kreatur!
Und würde er sich denn darum scheren?!
»Ich bin eben doch nur ein Werkzeug für dich!«, schrie ich. »Ein Werkzeug!«
Dritter Teil
Die Geometer
Eins
Das ist die Decke.
Es ist oben, also muss es die Decke sein. Ungleichmäßig, braun-grau, ungewohnt ... fremd.
Ich drehte den Kopf.
Ein winziger Raum. Alles war ungleichmäßig, faltig, zusammengequetscht. Der Boden, die Wände, die Decke. Sogar das Bett, auf dem ich lag, schien höckerig zu sein. Die Beleuchtung kam von trüben glasartigen Körpern, die wahllos in den Wänden verteilt waren und ein orangefarbenes unangenehmes Licht spendeten.
Wo bin ich?
Und wichtiger noch: Wer bin ich?
In meinem Kopf herrschte Leere. In meinem Körper Mattigkeit. Ich musste aufstehen ...
Etwas verhinderte das. Als ich den Kopf etwas hob, entdeckte ich ein breites Band aus festem Stoff, das sich erst über meine Oberschenkel, dann über meine Brust zog und meinen Körper ans Bett fesselte. Das Bett war tatsächlich uneben, eher ein flacheres Podest, das aus dem Boden wuchs.
Wie bin ich hierhergekommen?
Und wer bin ich?
Ich erinnerte mich an nichts ...
Panik stieg in mir auf. Ich sah mich in dem Raum um, in dem ich lag, und alles, was ich erblickte, vermochte ich zu benennen. Wände, Boden, Decke, Bett, Licht, Band ... Viel war es nicht. Ein paar Bezeichnungen, die durch meinen leeren Schädel waberten, als ob ... als ob was? Etwas war da irgendwo passiert ... aber ich erinnerte mich nicht, was und wo.
Eine winzige Welt, sie ließe sich mit Schritten ausmessen, falls es mir gelänge, mich zu befreien. Sechs mal sechs Schritt würde ich schätzen. Ich stemmte meinen Unterkörper mit den Füßen hoch und versuchte, mich unter dem Band herauszuwinden. Das spannte sich jedoch sofort fester und schnürte mich noch enger ans Bett. Ohne einen Ton von mir zu geben, kämpfte ich weiter, es gelang mir sogar, ein wenig unter dem Band herauszukriechen, doch dann zog es so fest an, dass mir die Luft wegblieb. Gierig nach Atem ringend, gab ich auf. Nach einer Weile lockerte sich das Band wieder.
Verstanden. Ein Gefängnis.
Was ist ein Gefängnis? Ein Ort, um jemanden von seiner Umwelt zu isolieren. Folglich gab es sie, diese Welt. Folglich bestand sie nicht nur aus diesen grauen Wänden.
Ein erster Erfolg. Etwas entschlüpfte meinem Gedächtnis, arbeitete sich aus ihm heraus. Scheu zwar, unsicher -aber trotzdem. Wände, Boden, Decke, Bett, orangefarbenes Licht - das war mein Gefängnis. Dann gab es noch mich. Arme, Beine, ein leerer Kopf ... Dann gab es Bewegungen: aufstehen, herauskriechen, losgehen. Dann gab es Zahlen. Eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs ...
All das ließ sich aussprechen. Mit meiner Stimme. Laut.
»Wer bin ich?«, fragte ich die Decke. Meine trockenen Lippen bewegten sich mit Mühe, meine Stimme hörte ich kaum, dennoch bescherte mir dieser Versuch prompt etliche neue Begriffe. Lippen, Zunge, Kehle, Atmung, Luft, Stimme.
Wenn ich nur von hier weg könnte! Wenn ich mehr sehen könnte! Dann würde ich mich erinnern, mit Sicherheit würde ich mich an alles erinnern. Wer ich war und wie ich hierhergekommen war.
Ein Knirschen. Ich drehte den Kopf. In der Wand ging eine Luke auf. Eine Luke - das ist etwas, durch das man hereinkommt. Sie war nicht sehr groß, ich müsste mich bücken, um durchzugehen.
Durch die Luke kam ein Wesen in die Zelle. Ein vierbeiniges, armloses Wesen, mit einem langen spitzen Maul, schwarzem Fell und einem Schwanz. An seinem Hals schwabbelte ein Klumpen, der aussah wie ein bösartiger Auswuchs. Das Äußere des Wesens stieß mich ab und beunruhigte mich. Etwas extrem Unangenehmes verknüpfte sich mit diesem Wesen ... Nein, nicht mit diesem einen Wesen, mit vielen von ihnen. Und es gab viele von ihnen, das wusste ich. Ich erinnerte mich nicht, aber ich wusste es ...
Ob auch ich ...
Ich riss den Kopf hoch und belinste meinen Körper. Nein, soweit ich es erkennen konnte, sah er völlig anders aus. Und normalerweise bewegte ich mich nicht auf allen vieren.
»Wie fühlst du dich?«, fragte das Wesen.
Seine Stimme war wie Musik. Einfach deshalb, weil sie die Stille vertrieb.
»Angespannt und verzweifelt«, antwortete ich. »Wer bist du?«
»Ich bin Alari. Das ist nicht mein persönlicher Name, sondern die Bezeichnung meiner Rasse.«
Seine Stimme kam anscheinend nicht aus seinem Mund, sondern aus dem Auswuchs am Hals. Wahrscheinlich handelte es sich bei ihm um einen Stimmsack oder Resonator.
»Warum darf ich mich nicht bewegen?«
»Du bist aggressiv«, erklärte mir der Alari. »Du hast großen Schaden angerichtet.«
Schaden?
Ein Feuer ... ja, jetzt erinnere ich mich an ein Feuer. In der Dunkelheit, dort, wo es nie Feuer gab und nicht geben konnte, lodert eine Flamme auf. Scherben treiben mir entgegen, ich weiche aus, fliege davon ...
Ich kann also fliegen?
... fliege davon, fliege durch das Dunkel und die Kälte, aber ich habe zu viel Kraft vergeudet, um diesen Schaden anzurichten, die Flamme zu entzünden, die Metall verbrennt, etwas zieht mich zurück ...
»Wer bin ich?«
Der Alari knirschte mit den Kiefern. »Spiel nicht den Dummkopf! Du weißt genau, wer du bist! Und es wäre an uns, dir diese Frage zu stellen!«
»Wisst ihr wirklich nicht, wer ich bin?«, hakte ich völlig ungläubig nach.
Das Wesen trat einen Schritt zurück. Es reckte die Schnauze hoch zur Decke. »Eine unvorhergesehene Schwierigkeit ...«, murmelte es.
»Lasst mich frei«, bat ich. »Bitte. Ich werde mich erkenntlich zeigen. Ich werde euch keinen weiteren Schaden zufügen.«
»Nein. Du bist gefährlich.«
»Dann werde ich weiter hier liegen?«
»Ja.«
»Lange?«
»Sehr lange.«
Angst erwachte in mir.
Nur das nicht!
Ich konnte mich einfach an nichts erinnern, und ich würde nicht wieder ich selbst werden, solange ich in dieser winzigen Zelle vegetierte, ans Bett geschnürt, hilflos und unbeweglich.
Ich wand mich abermals. Sofort spannte sich das Band fester um mich und verhinderte jede weitere Bewegung.
»Ich habe Durst ...«, sagte ich, sobald ich wieder zu Atem gelangt war.
»Trinken ist erlaubt.«
Das Wesen verschwand in der Luke. Ich wartete, denn die Luke blieb offen, doch es war nichts zu sehen, nur ein kurzer, halbdunkler Tunnel. Nach einer Weile kehrte der Alari zurück.
Wie sich dabei zeigte, konnte er auch auf zwei Beinen gehen. In den Vorderpfoten trug er jetzt ein kleines Metallgefäß.
»Das ist Flüssignahrung. Sie stillt Hunger und Durst.«