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Gierig trank ich einen Schluck aus dem an meine Lippen geführten Gefäß. Das Zeug schmeckte widerlich. Salzig-süß, eine dunkle, zähe Flüssigkeit, mit Klumpen drin ...

Aber ich musste zu Kräften kommen. Um mich zu befreien, brauchte ich Kraft.

»Danke«, sagte ich, nachdem ich alles ausgetrunken hatte.

»Du wirst gefesselt liegen bleiben und nachdenken«, teilte mir der Alari mit. »Wenn du Stoffwechselprodukte ausscheiden musst, informiere uns. Wenn du mitteilen willst, wer du bist, informiere uns.«

»Ich weiß nicht, wer ich bin«, gestand ich verzweifelt. »Und wenn ich weiter hier rumliegen muss, wird es mir erst recht nicht einfallen.«

»Du musst warten«, entgegnete der Alari. »Wir ergreifen unsere Maßnahmen. Wir haben Experten hinzugezogen. Sie werden herausfinden, wer du bist.«

Experten - das klang gut. Experten werden mit jeder Situation fertig. Sie machen keinen Fehler, denn es ist ihre Pflicht, keine Fehler zu machen, das weiß ich. Trotzdem durfte ich nur auf mich selbst vertrauen.

Denn das ... das ist meine Pflicht.

Wie unangenehm es ist, wenn man seine Pflicht nicht erfüllen kann!

»Wenn dich das Licht stört, teile uns das mit«, sagte der Alari.

»Es ist ... orange ...«

»Was für ein Licht bevorzugst du denn?«

»Weißes. Gelbes.«

»Gut.«

Das Wesen verließ mich. Kurz danach nahm die Beleuchtung tatsächlich eine fahl-weiße Farbe an.

Ich musste nachdenken!

Wer bin ich und was mache ich im Gefängnis? Wer sind diese Alari? Warum rufen sie eine solche Antipathie in mir hervor? Was soll ich tun? Worin besteht meine Pflicht?

Leere. Mein Kopf war wie leergefegt, kein einziger Gedanke, keine Erinnerung fand sich in ihm. Nein, ich durfte nicht weiter grübeln, ich musste mit Begriffen operieren, um Hypothesen zu entwickeln. Nur standen mir zu wenig Begriffe zur Verfügung. Wände, Boden, Decke ... eins, zwei, drei ... Alari, Experten, ich ...

Wer bin ich?

Die Zeit zog sich endlos dahin. Einmal kam ich auf das Angebot des schwarzen Wesens zurück und bat die desinteressierten Wände um Hilfe. Daraufhin kam sehr schnell ein Alari, nicht der schwarze, sondern ein Wesen mit hellerem Fell, einer anderen Stimmfärbung und etwas größer. In den Vorderpfoten hielt er ein Behältnis aus weißem Metall. Ein Ding wie in einem Krankenhaus.

Krankenhaus - das ist ein Ort, an dem man geheilt wird ...

Danach blieb ich wieder allein zurück. Das kurzfristig gelockerte Band presste mich erneut aufs Bett.

Ich musste mich an etwas klammern. Jeder Fetzen meiner Erinnerung würde mir helfen.

Der Schaden?

Dunkelheit, Feuer, Flug ...

Gefangenschaft.

Als ich versucht hatte zu entkommen, hatten sie mich in ihre Gewalt gebracht. Ein seltsames, zischendes Gemurmel, eine Meute winziger Wesen ... von Alari ...

Und dann war ich im Gefängnis gelandet.

Ein Kampf: Ich hatte mich auf dem Boden gewunden, umdrängt von fauchenden und kratzenden Wesen. Krallen hatten sich mir in die Haut gebohrt ...

Ich hob den Kopf, betrachtete meine Haut an den Stellen, wo sie nicht von dem Band bedeckt war. Genau. Wunden. Fast verheilte Kratzer, aber auch tiefere Wunden, die jedoch bereits eine kaum erkennbare Membran überzog. Hatte jemand meine Wunden versorgt?

Ich befand mich in Gefangenschaft. Ringsum gab es nur Nicht-Freunde. Ich hatte mit ihnen gekämpft, aber verloren. Dann hatten sie etwas mit mir gemacht - und ich hatte mein Gedächtnis verloren. Das war schlecht, sehr schlecht. Ich wusste, irgendwo warteten meine Freunde. Irgendwo existierte meine Welt.

Und meine Pflicht bestand darin zurückzukehren.

Es verging viel Zeit. Zweimal brachte man mir Essen, einmal wurde ich mit einem feuchten Schwamm gereinigt, wobei das Band nacheinander an den beiden Stellen gelockert wurde. Dabei bekam ich mit, dass ich völlig nackt war und mein Körper fast überall Wunden aufwies.

Egal.

Ich sog jeden neuen Begriff auf, jedes gehörte Wort. Ich reihte sie aneinander, suchte Wurzeln und Verbindungen. Wasser - gab es manchmal viel davon? Ja. Das war dann das Meer. Essen - sah das immer so aus? Nein. Es konnte auch anders aussehen und besser schmecken. Diese Wesen, diese Alari - waren das diejenigen, zu denen ich zurückkehren musste? Nein ... höchstwahrscheinlich nicht.

Zurück musste ich zu Wesen wie mir ...

Ich schlief, ich glaube lange, denn als ich das Geräusch der sich öffnenden Luke vernahm, wachte ich sofort auf und fühlte mich frisch und munter.

Es kam wieder dieser erste Alari. Aber diesmal nicht allein.

Ihm folgten zusammengekauert weitere Wesen durch den Tunnel.

Wesen, die mir ähnelten!

Menschen!

Der Alari sagte ihnen etwas, aber ich verstand die Worte nicht. Es war eine fremde Sprache. Im Moment genügte mir jedoch sowieso, dass ich meine Artgenossen sah.

Der erste war ein hochgewachsener Mann. Er war in mittleren Jahren. Sein Gesicht wirkte streng und entschlossen. Der nächste war ein dicker, grauhaariger Alter. Als letzte folgte eine junge Frau, deren Haare zu einem dünnen Pferdeschwanz zusammengebunden waren.

So viel neue Begriffe!

Alter und Geschlecht. Wir leben und altern. Wir verändern uns mit dem Alter. Es gibt Männer, und es gibt Frauen.

Begriffe wie Steine, die auf den Boden einer Schlucht fallen und die klaffende Spalte füllen. Doch wie viele waren nötig? Wie viele solcher Steine?

Das spielte keine Rolle. Momentan freute mich allein die Tatsache, dass Wesen existierten, die mir ähnelten. An wie viel Neues würde ich mich jetzt erinnern!

Männer und Frauen, Alte, Erwachsene und Kinder ... In meinem Gedächtnis tauchten keine Gesichter auf, klangen keine Sätze oder Gefühle nach. Dennoch wusste ich jetzt, dass es sie gab.

Der Alari redete immer noch mit den Neuankömmlingen. Sie antworteten einsilbig und schauten mich an. Ich lächelte ihnen zu, freute mich über die Begegnung. Sie alle wirkten nett. Der Alte - unwillkürlich keimte ein Gefühl des Respekts in mir auf. Der Mann - fraglos ein erfahrener Mensch, der schon viel erlebt hatte, ein guter Freund, professionell in seinem Beruf. Die Frau - sie war attraktiv, so schön wie die einzige Frau auf der Welt nur sein kann ...

»Verstehst du ihre Sprache?«, fragte mich der Alari plötzlich.

»Nein.« Ich schluckte einen Kloß in meinem Hals hinunter. »Wissen sie, wer ich bin?«

Das bepelzte Wesen ließ sich nicht zu einer Antwort herab.

Dafür kam die Frau zu mir und strich mir mit der Hand über die Stirn. Mein ganzer Körper streckte sich dieser mitfühlenden Zärtlichkeit entgegen. Umgehend presste mich das verfluchte Band nach unten.

Die Menschen bemerkten das anscheinend. Sofort redeten sie alle zugleich auf den Alari ein. Protestierend und aufgeregt. Der Alari knurrte nur finster. Aber am Ende war ihre Beschwerde wohl zu energisch - das kleine schwarze Wesen stieß ein paar Zischlaute aus, und das Band glitt von meinem Körper. Es verschwand, schlängelte sich irgendwo in die Unterseite des Betts hinein. Ich war frei!

Ich setzte die Füße auf den Boden, genoss den Widerstand, den ich da spürte. Mir schwindelte leicht, trotzdem wollte ich mir diese wundervolle Gelegenheit nicht entgehen lassen und ein paar Schritte gehen.

»Bleib beim Bett!«, befahl der Alari.

Schon gut, wird gemacht ...

Ich ging an meinem Bett entlang. Es war in der Tat höckerig und ungleichmäßig. Nach einer Weile setzte ich mich wieder darauf.

Die Menschen sahen mich irgendwie befremdet an. Vor allem die Frau. Unvermittelt blickte sie woanders an.

Was hatte ich falsch gemacht?

Der Mann zog seine Jacke aus und hielt sie mir wortlos hin. Da ging mir plötzlich auf, dass es sich nicht gehörte, nackt herumzuspazieren. Verdammt!

Rasch warf ich mir die Jacke über den Schoß.