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»Noch reicht uns unser Platz.«

»Noch. Aber man wird euch nie erlauben, in der Galaxis zu expandieren. Euren Status werdet ihr nie los. Ihr werdet Frachten termingerecht abliefern - bis man irgendwann eine Alternative zum Jump gefunden hat.«

Der Computer fiepte. »Die Berechnung des Jumps ist beendet«, informierte er mich mit sanfter weiblicher Stimme. »Ich warte auf weitere Befehle.«

Unter dem hartnäckigen Blick des Zählers streckte ich die Hand zum Pult aus und gab über die Tastatur den Code ein. Eine der Klappen auf dem Pult bewegte sich und gab eine kleine Vertiefung frei, in der drei Tasten lagen. Das Fach erstrahlte in rotem Licht.

»Was ist das?«, fragte der Reptiloid.

»Das Todespult, Karel.«

Vorsichtig ließ ich die Finger über die Knöpfe gleiten. Es brauchte einige Kraft, sie zu drücken, widerspenstig wie sie waren; davon hatten sich während unserer Ausbildung alle Kursteilnehmer überzeugt.

»Unser Eid, Karel, enthält eine Zeile ...« Ich beobachtete ihn aus den Augenwinkeln heraus, versuchte, selbst die geringste Bewegung von ihm mitzubekommen. »Als höchster Wert werden mir die Interessen der Menschheit gelten. Um jeden Preis werde ich sie gegen jedwede Gefahr verteidigen, von wem auch immer diese ausgehen möge.«

»Das ist ein vernünftiges Versprechen«, bestätigte der Reptiloid.

»Ich könnte das Shuttle eine Reihe von Jumps vollführen lassen, den Jumper abbrennen oder die Treibstofftanks sprengen. In jedem Fall wäre das unser beider Tod.«

»Wozu, Pjotr?«

»Damit niemand erfährt, dass ihr den Jump verkraftet.«

Das war mehr oder weniger gelogen. Ehrlich gesagt war ich mir selbst nicht darüber im Klaren, ob ich einen dieser Knöpfe drücken könnte. Aber der Zähler fasste meine Worte für bare Münze auf.

»Dazu besteht kein Anlass, Pjotr. Nicht der geringste Anlass. Das ist absolut nicht nötig.«

»Dann beweis es mir!« Ich legte den Finger auf den Knopf für den Serienjump.

»Die anderen Rassen wissen nicht, dass wir Zähler in der Lage sind, den Jump auszuhalten.«

»Sie können es herauskriegen.«

»Das würde nichts ändern, Pjotr. Unsere Methode taugt nur für uns. Sie ist einmalig.«

»Und worin besteht sie?«

»Das werde ich auf der Erde darlegen.«

»Was hast du den Menschen anzubieten?«

»Das werde ich auf der Erde darlegen.«

»Warum erst da?«

»Wir wissen nur wenig von dir, Pjotr. Wir sind uns nicht darüber einig, ob wir dir vertrauen dürfen. Meine Informationen sind sehr wichtig, wenn sie zu den Starken Rassen durchsickern, würde das großen Schaden anrichten.«

Erst nach einer Weile begriff ich seine Anspielung.

»Willst du etwa behaupten, ich könnte die Erde verraten und das, was du mir zu sagen hast, den Außerirdischen hinterbringen?«

»Ja.«

Warum wunderte ich mich eigentlich über diese Einstellung? Hatte ich Evelyn Raksh von der Explorer etwa schon vergessen, diesen »Fluch des Feminismus«? Diese »Schande der Afroamerikaner«? Jene schwarze Quoten-Pilotin, die der Crew von der NASA aufs Auge gedrückt worden war? Diese junge, nette Frau, die bei den Hyxoiden ohne Folter und Drohung absolut alles ausgeplaudert hatte? Was ein Jump ist, wie man ein Schiff lenkt, wo die Erde liegt ... Natürlich hätten die Aliens all das auch ohne ihre Hilfe herausgekriegt. Aber Fakt bleibt Fakt.

Ich kannte die Videoaufzeichnung von den Verhören, die auf der Erde stattgefunden hatten. Raksh wusste keine Erklärung für ihr Verhalten. Da ihr Anwalt die Verteidigung seiner Klientin auf der nicht verifizierten Behauptung ihrer psychischen Manipulation durch die Hyxoiden aufgebaut hatte, war Evelyn lediglich aus dem Raumfahrtprogramm herausgenommen worden. Sie hatte ihren Namen ändern und nach Kanada ziehen müssen, wo sie ein halbes Jahr später Selbstmord beging. Vielleicht hatte sie sich tatsächlich vom Balkon gestürzt, vielleicht hatte aber auch jemand nachgeholfen, ich weiß es nicht ...

»Und wem würdest du vertrauen? Dem Direktor der Transaero? Der UN-Vollversammlung? Dem russischen Präsidenten?«

»Andrej Chrumow.«

Ich schwieg lange. Damit hatte mich der Zähler nun wirklich schachmatt gesetzt.

»Du weißt, wer das ist?«

»Ein Psychologe und Teilnehmer an den ersten Kontaktgesprächen zwischen der Erde und dem galaktischen Konklave. Der Autor des Manifests der Verdammten

»Und sonst?«

»Dein Vorfahr in der männlichen Linie.«

»Er ist mein Großvater.«

»Richtig«, bestätigte der Zähler.

»Karel, mein Großvater wird dich umbringen, wenn er dich erwischt.«

»Ich bewege mich sehr langsam.«

»Er ist auch nicht mehr der Schnellste, schließlich ist er schon über siebzig. Aber er wird sich alle Mühe geben. Hast du dich auf mein Schiff geschlichen, weil du meinen Großvater treffen willst?«

»Das ist einer der Gründe«, gab der Zähler zu.

»Ich hätte nie gedacht, dass deine Rasse so wahnsinnig ist, Karel. Wie könnt ihr Hilfe und Unterstützung von einem Mann erwarten, der alle Außerirdischen hasst und einer der berüchtigtsten Chauvinisten ist?«

»Wer sagt dir, dass wir keine Chauvinisten sind?«

Ich sah dem Reptiloiden in die Augen. Langsam öffnete er den Mund und verzog ihn zu einem Lächeln. Na großartig! Besaßen diese lebenden Computer jetzt etwa auch einen Sinn für Humor?!

»Das alles schmeckt mir nicht«, gestand ich. »Mist! Dann bin ich also nur wegen meines Großvaters in diese Geschichte reingerasselt? Erst hatte ich seinetwegen beim Studium ständig Scherereien, dann wollte mir niemand eine Stelle geben und jetzt ... was ist das nun schon wieder für ein Schlamassel?«

»Das lässt sich nicht ändern. Das ist nun mal das Problem aller Rassen, deren Bürger ihre Eltern nicht wählen können«, erklärte der Zähler.

Ich schloss die Klappe vom Todespult wieder. Wenn ich mich nicht irrte, atmete der Zähler daraufhin erleichtert auf.

Die Navigationsberechnungen wären am Ende beinahe vergeblich gewesen. Ich hatte mich zu lange mit dem Zähler unterhalten, ihn mit dem Todespult erschreckt -und darüber fast den Moment verpasst, wo ich eine Entscheidung treffen musste. Die Sterne bewegten sich auf ihrer Umlaufbahn, und mit jeder Sekunde schwanden meine Chancen für einen erfolgreichen Jump.

»Pass auf, es geht los«, informierte ich den Zähler. Der begriff sofort, worum es ging, straffte sich und hielt sich am Gehäuse des Jumpers fest, wobei er mit den Krallen über das Metall ratschte und die Augen verdrehte.

Wie wollte er den Jump überstehen?

Vier Sekunden, bevor die Navigationsberechnungen automatisch gelöscht wurden, drückte ich den Jump-Knopf, und der Raum kehrte sein Inneres nach außen.

Ah!

Mehr! Mehr davon!

Wenn dieser Augenblick doch nie enden wollte! Sollte sich der Zähler ruhig in Panik winden! Sollte die Erde doch weiter vergeblich um ihre Gleichberechtigung kämpfen und die Starken Rassen ihre Erwachsenenspielchen spielen! Scheiß drauf - wenn nur dieser Augenblick anhielt, sich in alle Ewigkeit ausdehnte ...

Ich öffnete die Augen.

Mich empfingen Dunkelheit und das Winseln des Zählers.

Wie schwer es war, in die Realität zurückzukehren.

Die chemische Leuchtröhre in meinen Händen flimmerte auf. Ich sah den dünnen Faden meines Speichels, der in der Luft hing und sich langsam zu einer Kugel aufrollte. Ich wischte ihn mit dem Ärmel weg. Dann hielt ich nach dem Reptiloiden Ausschau. Wie schwer mir jede Bewegung fiel ...

Der Zähler schlingerte am vorderen Fenster, neben der Spielmaus. Offenbar hatte ihm der Jump diesmal stärker zugesetzt. Ununterbrochen schüttelten den geschuppten Körper leichte Krämpfe.