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Der Ausbilder löste die Hände vom Gesicht. Seine Wangen glühten gleichmäßig, jedoch nicht vom Schlag, sondern von seiner Wut. Die Röte stand ihm sogar.

»Du bist mein größter Fehler, Niki« sagte er.

»Ich bin der Einzige von Ihren Schützlingen, der ein Mensch geblieben ist«, erwiderte ich. Dann dachte ich nach und fügte hinzu: »Der ein Mensch geworden ist. Trotz allem.«

»Niki ...«, flüsterte mir Tag ins Ohr. »Entschuldige dich, Niki.«

»Damit hast du dich zum Sanatorium verurteilt«, stellte der Ausbilder fest. »Zu einem lebenslänglichen Sanatoriumsaufenthalt.«

»Ich werde mir die Variante durch den Kopf gehen lassen«, versprach ich.

»Und mir bleibt die Schande ...« Fed senkte den Blick. »Auf meine alten Tage noch diese Schande ... für den Rest meines Lebens ...«

»Auch diese Frage werde ich versuchen zu klären«, versicherte ich. Kalter Wahnsinn schüttelte in Krämpfen meine Muskeln. Wenn Tag und Han auf die Idee gekommen wären, mich fester zu packen oder zu schlagen, hätte ich vermutlich nicht mehr für mich garantieren können. Dann wäre etwas Schreckliches und zugleich Wahnsinniges passiert ...

Sie hielten mich jedoch unverändert fest. Meine beiden unglücklichen Freunde, vor deren Augen es zu einer derart widerwärtigen Blasphemie gekommen war.

»Der Leuchtturmwärter kann’s nicht ertragen ...«, brachte Katti am anderen Zimmerende heraus. Dann lachte sie los, krampfhaft und tränenerstickt.

Vierter Teil

Der Mensch

Eins

Die Zelle war winzig. Vier mal vier Schritt. Da hatte ich bei den Alari mehr Platz gehabt.

Außerdem nahm die Hälfte des Raumes das Bett ein.

Nicht mal umhergehen konnte man hier. Nur aufstehen, sich umdrehen, auf dem Fußboden Liegestütze machen ... und sich danach wieder hinlegen. Gut, angeblich sollte ich hier nicht lange bleiben. Die Entscheidung würde diesmal nicht der Weltrat treffen. Schließlich handelte es sich ja nur um eine Lappalie. Daher würde die Entscheidung der Ausbilder Fed treffen. Unverzüglich und gerecht. Andere Ausbilder würden das Urteil bestätigen oder modifizieren.

Das Resultat würde man mir mitteilen.

Besonders komisch fand ich, dass sich das Ganze Reue des Ausbilders nannte.

Formal galt ich als unschuldig. Denn ich war ja nur schlecht erzogen.

In die Wand war ein Bildschirm eingelassen, der jedoch nicht funktionierte. Ein Terminal fehlte.

Vier mal vier Schritt, und wenn man nicht übers Bett stiefelte, zwei mal vier.

Angeblich sollte ich nicht lang hierbleiben ...

Der Schirm leuchtete auf, als ich mich auf dem Bett wälzte und an die graue Decke starrte, die mit einer einzigen matten Lampe aufwartete. Wie vorausschauend, dass es selbst im Internat ein absolut solides Gefängnis gab. Allerdings hieß es hier Karzer ...

»Ich bin schuldig der missglückten Erziehung des Nik Rimer ...«

Ein Blick auf den Bildschirm bewies mir, dass der Ausbilder Fed in der Tat unglücklich aussah. Man hatte mir erklärt, die Übertragung werde für alle Ausbilder auf Heimat ausgestrahlt. Ihnen sollte Feds Erzählung eine Lehre sein ...

»Es gibt nichts Schlimmeres als einen Schützling, der die Hand gegen seinen Ausbilder erhebt ...«, brachte Fed halb flüsternd heraus. »Wie wird da seine nächste Tat aussehen? Wird er eine Frau demütigen? Ein Kind schlagen?«

»Du lügst, du Schwein«, sagte ich gleichmütig zum Bildschirm.

Aber Fed hörte mich nicht. Zumindest jetzt nicht. Mein Rachedurst fand jedoch Gefallen an der Vorstellung, dass er sich später die Aufzeichnung ansehen würde. Denn garantiert wurde die Zelle mit einer Kamera überwacht.

»Nach Auffassung der Ärzte leidet Nik Rimer an psychischer Regression, die durch eine Amnesie hervorgerufen wurde«, fuhr Fed fort. »Er zeigt erneut die emotionalen Reaktionen eines Kindes. Aber selbst das entschuldigt mich nicht. Denn auch das heißt nur, dass ich zu spät jene abnormen Aspekte seiner Persönlichkeit korrigiert habe, die ihn jetzt in dieses Unglück getrieben haben. Impulsivität, Ungeduld, Selbstgewissheit ...«

Ich lachte. Vielleicht werden die Kinder jetzt noch früher ins Internat gesteckt ...

»Ich bitte um Strafe für mich«, verlangte Fed. »Um die Strafe ... eines gesamtplanetaren Tadels. Ich bitte um Mitleid mit meinem Schüler ... und seine Einlieferung in ein Sanatorium auf unbestimmte Zeit.«

»Ich ändere das Sanatorium in einen Tadel«, blaffte ich. »Du Pharisäer ...«

Auf dem Bildschirm senkte der Ausbilder den Kopf. Er wartete.

»Die Entscheidung wurde getroffen«, verkündete eine weibliche Stimme. »Ausbilder Fed, Ihre Arbeit wurde für unbefriedigend befunden. Ihnen wird die Möglichkeit gewährt, Ihre Schuld durch Arbeit im Internat Weißes Meer zu sühnen.«

»Danke«, hauchte Fed.

»Schützling Nik Rimer, Ihr Verhalten wurde für asozial und gefährlich befunden. Sie werden auf unbestimmte Zeit ins Sanatorium überstellt, ohne das Recht auf Revision der Entscheidung. Sie haben das Recht, Ihre Meinung zu äußern, wir hören Sie.«

Das versprach, komisch zu werden.

»Könnte es nicht sein, dass Sie allesamt unrecht haben?«, fragte ich.

»Die Gesellschaft kann sich nicht irren.«

»Warum nicht?«

»Fehler sind eine Abweichung der Persönlichkeit von den Gesetzen der Gesellschaft. Die Gesellschaft ist per definitionem frei von Fehlern.«

Mir kam der Verdacht, ich spräche mit einer Maschine.

»Und wenn die Ausgangsprämissen falsch sind?«

»Eine Schlussfolgerung über die Unangemessenheit des Systems kann nur ziehen, wer außerhalb des Systems steht. Sie sind Teil der Gesellschaft, Nik Rimer.«

»Ich befinde mich hinter Schloss und Riegel«, hielt ich dagegen.

»Haben Sie alles gesagt?«

Ich dachte kurz nach. »Ja, absolut alles.«

»Die Entscheidung ist getroffen und öffentlich zur Kenntnis gebracht worden.«

Der Bildschirm erlosch.

Wie schnell und traurig meine Karriere als Ausbilder endete!

Zehn Minuten wartete ich, dann kam ich zu dem Schluss, man würde mich nicht so schnell holen, legte mich bequemer hin und versuchte einzuschlafen. Natürlich öffnete sich prompt die Tür.

Mich holten Han und Tag.

Möglicherweise mussten die Freunde des Verbrechers seine Eskorte stellen. Vielleicht wollte sich aber von den anderen Ausbildern auch einfach niemand an mir die Hände schmutzig machen.

»Steh auf, Rimer«, befahl Han. Er hielt eine Waffe in Händen. Eine kleine silberne Pistole.

»Wie heißt denn dieses Ding?«, fragte ich, während ich mich erhob.

Han war ziemlich nervös. Er verkraftete all das nicht besonders gut. Allerdings wäre es mir in meiner Lage unnatürlich vorgekommen, ihn zu bedauern.

»Das ist ein Muskelrelaxator, Rimer. Er wird in der Medizin im Falle von Krämpfen eingesetzt und ruft eine vorübergehende Muskelerschlaffung hervor.«

»Wie bequem, nicht wahr?« Ich grinste. »Genau wie bei meinem Schiff, das hatte ja auch keine Waffe. Deshalb habe ich das Raumschiff der Nicht-Freunde mit den denkbar friedlichsten Gerätschaften abgefackelt ...«

»Rimer, du bist krank. Die Menschen können schon seit langer Zeit auf jede Waffe verzichten.«

»Natürlich können sie das. Bei einer derartigen Auswahl an friedlicher Technik ...«

Ich trat an ihnen vorbei in den Gang hinaus, Tag und Han blieben hinter mir, in meinem Rücken.

»Geh vor, Rimer, wir sagen dir die Richtung.«

»Hast du meinen Namen schon vergessen, Han?«

»Was soll das, Nik?«, fragte Tag. »Du weißt doch, dass du in deinen Rechten eingeschränkt bist.«