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»Zähler!«, rief ich ihn. »Karel!«

Wie in Zeitlupe hob der Reptiloid den Kopf vom Bauch. »Entschuldige bitte ...«, zischelte er.

»Wie schaffst du das?«, fragte ich in scharfem Ton. »Wie hältst du den Jump aus?«

»Ich ...« Pause. »Das erkläre ich später ...«

Ich streckte den Arm aus, fasste nach seiner Vorderpfote und zog ihn runter zum Pult. Der Zähler kletterte behände auf seinen angestammten Platz.

Er war bereit, alles zu erklären, aber erst später. Ob es dann zu spät war? Würde die Erde mein Verhalten billigen? Oder würde sie mich an den Eid und das Todespult erinnern? Keine Ahnung. Erst mal musste ich nach Hause zurück.

Ich löste die Gurte und glitt zum Fenster auf der linken Seite. Hier gab’s nichts Besonderes zu sehen, bloß Sterne. Anscheinend die gewöhnliche, nicht verzerrte Anordnung der Sternbilder.

»Sind wir da?«, wollte der Zähler wissen.

»Ja. Nur wo?« Ich stieß mich ab und flog durchs Cockpit. Doch als ich durch das andere Fenster spähte, entdeckte ich ebenfalls nichts Außergewöhnliches. Gut, wartete ich also ab. Das Schiff drehte sich langsam um die eigene Achse, irgendetwas würde ich wiedererkennen.

Der Rechner piepte, die Instrumente meldeten sich zurück.

»Soll ich einen Datenträger einlegen?«, erkundigte sich der Zähler. Ich schaute zu ihm hinüber. Inzwischen war er in den Sitz umgezogen und tastete mit der Pfote unter der rechten Armstütze herum. Er hatte sich gut vorbereitet und wusste, wo was lag.

»Kannst du das denn?«

»Ich glaube schon.«

Eine halbe Minute mühte sich der Zähler mit dem Schloss. Die drei langen Finger an den Pfoten waren zwar recht beweglich, es fehlte ihnen jedoch an einem Gegenspieler. Schließlich öffnete er das Fach mit beiden Pfoten und holte eine Laserdisc heraus.

»Sieh zu ... Karel«, brummte ich. Der Wortschatz des Zählers ließ nichts zu wünschen übrig, er verstand mich auf Anhieb.

Die nächsten Minuten starrte ich in das kalte Leuchten des Kosmos, während der Reptiloid am Pult hantierte, jedes Mal leise zischend, wenn sich die für Menschen gedachten Tasten seinen Anstrengungen widersetzten.

»Kann ich mich direkt an das System anschließen?«, fragte der Zähler nach einem besonders wilden Kampf mit der CD-ROM. Ich antwortete nicht, weil mir die nächste Drehung des Schiffs ein wirklich schönes Bild bescherte.

»Karel!«, rief ich ihn leise.

Der Reptiloid schwebte langsam zu mir rüber.

»Guck mal!«

Der Saturn sah aus wie auf einer Abbildung in einem Kinderbuch. Der Ring war uns im spitzen Winkel mit der flachen Seite zugekehrt, das Sonnenlicht ließ ihn reliefhaft und besonders schön hervortreten. Von der gelbbraunen Kugel des Planeten, der irgendwie flach und nicht sonderlich beeindruckend wirkte, hob sich der Ring geradezu körperhaft und massiv ab ... ein Steinfluss, der durch den Kosmos sprudelte.

»Ist das nicht schön?«, hauchte ich, selbst über meine Frage erstaunt. Was für einen Schönheitsbegriff hatte diese fremde Rasse schon?

»Ja.« Der Zähler atmete schwer und schnell. »Das ist ... wie unser Zuhause.«

»Wie dein Planet?«

»Ja ...«

Oha! In unserem Nachschlagewerk fehlten jegliche Angaben über den Heimatplarteten der Zähler. Jetzt konnte ich da getrost eintragen: Von einem Ring umgeben ...

»Ist das der Saturn?«, erkundigte sich der Zähler. »War der Jump erfolgreich?«

»Das ist der Saturn. Aber das gibt uns keinen Anlass zur Freude.«

Der Reptiloid starrte mich an.

»Karel, mein Schiff arbeitet mit Flüssigkeitsraketentriebwerken. Du weißt doch, was das ist?«

»Tinnef«, urteilte der Zähler erbarmungslos.

»Richtig. Und um zur Erde zurückzugelangen, dürfte das Schiff nicht weiter als fünfhunderttausend Kilometer von ihr entfernt sein, es müsste sich irgendwo in der Ekliptik befinden und sich mit höchstens vierzig Kilometer pro Sekunde relativ zur Umlaufgeschwindigkeit des Planeten bewegen.«

»Tinnef ...«, wiederholte der Zähler. »Habt ihr viele Todesfälle zu beklagen?«

Ich antwortete nichts, sondern genoss den Anblick des Saturns, der langsam aus meinem Blickfeld entschwand. Am Rand des Fensters loderte ein blendender Lichtreflex auf: Jetzt strahlte uns die Sonne in die Augen.

»Du brauchst Hilfe, Mensch«, befand der Zähler. »Du brauchst dringend Hilfe ...«

»Versuchen wir es mit einem erneuten Jump.«

Der Zähler verkrampfte sich. »Gibt es hier denn keine menschlichen Siedlungen?«, fragte er.

»Auf dem Saturn? Witzbold. Auf Io ... das ist einer der Monde des Planeten ... will man eine Forschungsstation einrichten. Vielleicht gelingt das ja, in zwei Jahren oder so.«

»So viel Zeit haben wir nicht.« Der Zähler drehte den Kopf vom Fenster weg.

Ich sparte es mir, ihn daran zu erinnern, dass wir im Schiff nicht mal genug Sauerstoff für eine Woche hatten. Stattdessen half ich ihm, zum Pult zu kommen, und legte die nächste Disc ein.

»Mach dich an die Arbeit. Ich hab derweil was zu erledigen.«

Ich überließ den Reptiloiden sich selbst und schwebte zu dem kleinen Schrank mit den Sanitärutensilien. Mit dem Rücken zum Zähler langte ich nach dem Flexschlauch und knöpfte meine Hose auf.

»Musst du Ausscheidungsprodukte ableiten?«

Herr im Himmel!

Selbstverständlich verkniff ich mir jede Erwiderung. Ich stellte den Saugapparat an und versuchte, den neugierigen Blick des Reptiloiden, der sich mir in den Rücken bohrte, zu ignorieren. Ich hasste diese kleinen Alltagsprobleme. Aber was willst du machen, ohne künstliche Gravitation?

»In Zukunft spar dir bitte jeden Kommentar zu meinen Bedürfnissen, ja?«

»Entschuldige«, meinte der Zähler. »Ich habe mich mit Xenobiologie befasst, und das ist ein höchst interessanter Aspekt ...«

»Denk lieber an die nächsten beiden Jumps.«

»Wenn du es mir erlauben würdest, zusammen mit dem Rechner zu arbeiten ...«

»Ja?«

»Dann würde ich das Schiff mit maximaler Präzision zur Erde bringen.«

Dergleichen hatte es noch nie gegeben. Das war derart irrsinnig, dass unsere Vorschriften es nicht mal ausdrücklich verboten. Im Gegenteil, ich könnte mich durchaus auf den Punkt zur Zulässigkeit einer Inanspruchnahme von Hilfe seitens der Außerirdischen bei den Kursberechnungen berufen.

Warum hatte Gott bloß keinen Beamten an meine Stelle gesetzt ...?

»Gut«, antwortete ich, wobei ich spürte, wie ich eine unsichtbare Grenze überschritt. »Wie willst du das anstellen?«

»Ganz einfach.« Der Reptiloid kroch vom Sitz und überließ mir den Platz des Piloten, während er über dem Pult schwebte. »Wir arbeiten häufig mit Computern.«

»Aber nicht mit denen von Menschen ...«

»Funktioniert er mit Binärcode?« Der Zähler fuhr mit der Pfote übers Pult. Sanft drückte er auf die Schnittstellen des Rechners, die unter einer transparenten Abdeckung lagen.

»Soll ich die wegnehmen?«, fragte ich.

Der Zähler antwortete nicht, der Monitor erlosch aber langsam.

Es wäre idiotisch gewesen, mich da einzumischen. Deshalb beobachtete ich einfach, wie der Reptiloid den Rechner ausschaltete, wie der Computer neu startete, sich jedoch aufhing, ohne das Betriebssystem hochgefahren zu haben. Das Lämpchen der Festplatte flackerte, doch die Information verschwand irgendwohin. Anscheinend in das kleine dreieckige Köpfchen.

Wie das wohl war - direkt mit einem Rechner zu interagieren? Sollte das tatsächlich die normale Kommunikationsform der Zähler sein?

Und wenn ja, wie schafften sie es dann, Wesen mit Emotionen zu bleiben? Irgendwo hatte ich mal gelesen, jedes Lebewesen, das in der Lage sei, Informationen auf dem Niveau einzelner Bytes zu verarbeiten, sei emotional unterkühlt, zumindest in unserem Verständnis. Die Zeit verläuft dann nämlich mit ganz anderem Tempo.