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Doch den düsteren Blicken nach zu urteilen, mit denen die zwölf Zauberer Jael und ihre Gefährten bedachten, fanden sie den Anblick des Trios nicht minder seltsam, und das war durchaus nachvollziehbar angesichts der zerrissenen und schmutzstarren Kleidung der drei.

Doch Jael war vollkommen gleichgültig, welchen Eindruck die Zauberer von ihr hatten. Sie war hier, weil die Welt am Rande des Abgrunds stand, und so kam Jael gleich auf den Punkt; sie hatten keine Zeit für lange Vorreden. „Der Sakkara-Kult ist dabei, das Tor zur Hölle zu öffnen“, erklärte sie geradeheraus. „Sie haben vor, die Chaos-Dämonen zurück in die Welt zu lassen, um Unheil und Vernichtung über Ancaria zu bringen – und jeder von Euch, der davon Kenntnis hat, ohne etwas dagegen unternommen zu haben, ist entweder ein verdammter Verräter oder ein elender Feigling!“

Unter den zwölf Zauberern brach aufgeregtes Gemurmel aus, doch es blieb unklar, ob die Aufregung auf Grund Jaels Enthüllung über den Kult oder darüber entstanden war, dass sie die Männer gerade pauschal als feige verurteilt hatte.

Als Godrik beinahe gleichmütig einen Arm hob, verstummten die Zauberer schlagartig, und der einäugige Enklavenvorsteher übernahm es, als Sprachrohr zu fungieren.

„Der Sakkara-Kult?“, wiederholte Godrik mit diesem süffisanten, arroganten Lächeln in den Mundwinkeln, das Zara bereits bei ihrem letzten Besuch angewidert hatte. „Das Tor zur Hölle? Chaos-Dämonen?“ Er schüttelte mitleidig den Kopf. „Verehrte Seraphim, bei allem gebotenen Respekt für Euch und den König, aber was Ihr da sagt, ist so absurd, dass mir schier die Worte fehlen. Was, bei allen Göttern, bringt Euch nur zu diesen Fantastereien?“

„Von Fantastereien kann hier keine Rede sein“, erklärte Jael düster und berichtete den versammelten Zauberern mit knappen Worten von den Morden in Moorbruch, Biberringen, Finsterwinkel und Galadur; von den Blutbestien, die Jagd auf Jungfrauenherzen machten; von den Verschwörern, die diese Bestien dirigierten; davon, dass alle Hinweise darauf hindeuteten, dass der verbotene Sakkara-Kult beabsichtigte, dort weiterzumachen, wo Iliam Zak seinerzeit gescheitert war; dass nicht Iliam Zak, sondern seine ehemalige rechte Hand Ishmael Thurlak der Drahtzieher dieses ganzen Wahnsinns war; und dass einiges vermuten ließ, dass Zauberer der Enklave dem Kult angehörten, so wie Wigalf, der versucht hatte, sie zu töten, damit sie dem Kult nicht in die Quere kamen.

Tiefes Schweigen folgte ihren Worten. Eine Weile sagte niemand etwas, so als müssten die Zauberer all diese neuen Informationen erst verdauen – oder sich zumindest damit abfinden, dass die Sache mit dem Sakkara-Kult, die sie so lange ignoriert und klein geredet hatten, eskaliert und ihnen über die Köpfe gewachsen war, wenn auch nur ein Bruchteil der Geschichte stimmte, die Jael ihnen gerade erzählt hatte.

Das Erste, was Godrik schließlich in das dräuende Schweigen sagte, war: „Dann habt Ihr mich also belogen, was den Grund Eures Hierseins betrifft.“ Das Zweite, im gleichen arroganten, verurteilenden Plauderton vorgetragen, war: „Glaubt Ihr allen Ernstes, dass wir auch nur ein einziges Wort von Eurer Märchengeschichte für bare Münze nehmen?“

Er strafte die Gefährten einen nach dem anderen mit vernichtenden Blicken. „Ich muss zugeben, dass ich von einer Hüterin des Lichts kaum erwartet hätte, dass sie einem offensichtlich geistig Verwirrten aufsitzt.“ Bei diesen Worten betrachtete er Wigalfs Kopf, der noch immer – grässlich deformiert – auf dem Boden lag. „Gleichgültig, was Wigalf – die Götter seien seiner Seele gnädig – so verunstaltet haben mag und was er Euch erzählte, das alles ist doch weiter nichts als Unsinn!“ Jetzt wurde seine Stimme lauter, schneidender, aufgebrachter. „Ein riesiger Haufen Blödsinn und Unfug, der jeder Grundlage entbehrt! Dieser Sakkara-Kult ist tot, und es gibt in dieser Enklave keine Verschwörung mit dem Ziel, das Tor zur Hölle zu öffnen!“

„Wie könnt ihr Euch da so sicher sein?“, forschte die Seraphim, ungerührt von Godriks Ausbruch. „Was ist mit diesem Ishmael Thurlak? Offenbar war er einst Iliam Zaks rechte Hand, bevor er beschloss, selbst an die Spitze des Kults aufzusteigen. Wo können wir ihn finden?“

„Dort, woher Ihr gerade kommt“, sagte Godrik düster. „Auf dem Friedhof von Sternental.“ Als er Jaels verblüffte Miene sah, kräuselten sich seine Mundwinkel zu einem verstohlenen, bösen Lächeln. „Thurlak ist schon seit Jahrzehnten tot und begraben“, erklärte er spöttisch, und wie um Jael zuvorzukommen, fügte er hinzu: „Und nein, er wurde nicht ermordet. Er starb ganz unspektakulär an einer gewöhnlichen Lungenentzündung. Doch auch, wenn er noch am Leben wäre, könnte er Euch nicht weiterhelfen, denn genau wie Iliam Zak – genau wie wir alle hier – hatte er den Verbotenen Künsten längst abgeschworen und versuchte, im Rahmen seiner Möglichkeiten wieder ein anerkanntes Mitglied der ancarianischen Gesellschaft zu werden. Seine Absichten waren tugendhaft.“

Er starrte die Seraphim mit seinem einen Auge durchdringend an, und jede Andeutung eines Lächelns war plötzlich wie weggewischt. „Um es in aller Deutlichkeit zu sagen: Es gab nie eine Sakkara-Verschwörung in Sternental. Es gibt keine Zauberer in der Enklave, die sich diesem Irrglauben verschrieben haben! Und es wird auch in Zukunft keinen geben, der ...“ Er wollte noch mehr sagen, doch die Vampirin unterbrach ihn.

„Was ist dann mit den toten Zauberern?“, rief Zara, die es leid war, Godriks Gerede zuzuhören. Er war so sehr darauf bedacht, sie vom Gegenteil dessen zu überzeugen, was sie mit absoluter Sicherheit wussten, dass Zara längst stutzig geworden war und in ihm einen Feind vermutete.

Godrik blinzelte irritiert mit seinem zweifarbigen Auge, einen Moment lang aus dem Konzept gebracht. Dann hatte er sich wieder gefasst, und er sah Zara scharf an. „Noch so eine Sache, die Wigalf Euch erzählt hat?“, fragte er spöttisch.

„Dann stimmt es also nicht, dass es in den letzten Monaten und Jahren immer wieder brutale Morde in Sternental gegeben hat? Morde, die alle nach dem selben Muster verübt wurden?“ Zara ließ sich von Godrik nicht aus der Ruhe bringen. Ihr war keineswegs entgangen, dass sich die zwölf Zauberer immer wieder viel sagende Blicke zuwarfen, die zunehmend besorgter geworden waren, je mehr Jael ihnen über die Pläne des Sakkara-Kults enthüllt hatte. „Dass einem Dutzend Zauberern die Halsschlagader aufgeschnitten worden ist, weil sie sich gegen den Kult gewehrt und sich geweigert haben, ihre Kräfte in die Dienste des Sakkara-Ordens zu stellen?“

Godrik machte eine wegwerfende Handbewegung. „Papperlapapp!“, brauste er auf, lauter, als notwendig gewesen wäre. „Dummes Geschwätz, nichts weiter! Natürlich, auch hier in der Enklave sterben Menschen – das ist der Lauf des Lebens. Alles, was entsteht, ist wert, dass es zu Grunde geht, sagt man! Das gilt für Sternental wie für den Rest der Welt. Aber niemand wurde hier je ermordet!“

Er wollte noch mehr sagen, seine Triade fortsetzen, doch ehe Zara oder Jael ihm über den Mund fahren konnten, ergriff überraschend einer der zwölf Zauberer das Wort.

„Aber was, wenn sie Recht haben?“, schnitt der Mann dem Enklavenvorsteher mit leiser, doch ernster Stimme das Wort ab, und sofort wandte sich alle Aufmerksamkeit im Saal ihm zu. Jener Zauberer war ein dicker Patron mit rosa Pausbacken, schlohweißem Zauselbart und einer von geplatzten Äderchen durchzogenen Knollennase, und er war alles andere als erfreut über die plötzliche Aufmerksamkeit, die ihm zuteil wurde. Trotzdem sprach er unbeirrt weiter; vielleicht ahnte er als Einziger, dass sie an einem Scheideweg angelangt waren. „Was, wenn wir unsere Augen die ganze Zeit vor etwas verschlossen haben, vor dem wir sie niemals hätten verschließen dürfen, keine Sekunde lang?“

Salman!“, bellte Godrik, um den Zauberer zum Schweigen zu bringen; es klang, als wollte ein Herrchen seinen Hund dazu bringen, mit dem Kläffen aufzuhören.