Aber Zara war ihnen über, tauchte flink unter den lähmenden Geschossen weg, tänzelte mit wirbelnden Klingen zwischen den Spinnen umher und ließ ihre Schwerter durch die Luft sausen, anfangs mit großer Eleganz, dann, als die Spinnen einfach nicht weniger zu werden schienen, zunehmend zweckmäßiger, bis sie am Ende mit beiden Schwertern auf die Spinnen einhackte, die zwar immer wieder geschlossen vor ihr zurückwichen, sobald die Vampirin eine Handvoll von ihnen erledigt hatte, jedoch einen Augenblick später ebenso wieder nach vorn schossen – geradewegs in Zaras singende Klingen hinein, die durch die haarigen, fleischigen Leiber schnitten.
Jedes Mal, wenn sie einem der Biester den Garaus machte, zählte Zara laut mit: „... neunzehn ... zwanzig ... einundzwanzig ...“
Sie war bei zweiunddreißig angekommen, als die noch verbliebenen Spinnen offenbar begriffen, dass sie auf verlorenem Posten standen, denn statt nach einem neuerlichen Rückzuck gleich wieder anzugreifen, wie sie es zuvor getan hatten, verharrten sie plötzlich auf der Stelle, als würden sie in irgendeiner Weise – vielleicht auf einer Tonfrequenz, die so hoch war, dass Zara sie nicht hören konnte – beratschlagen, was zu tun war. Einen Moment lang hockten sie einfach nur da. Dann wirbelte eine jede auf ihren acht Beinen herum, eilte auf das Dickicht zu, und sie verschwanden eine nach der anderen in ihren Erdlöchern.
Nur die letzte war nicht schnell genug, denn bevor sie sich in ihrem Loch verkriechen konnte, holte Zara mit einem ihrer Schwerter aus und schleuderte die Klinge. Das blitzende Metall durchbohrte den Hinterleib des Krabblers und nagelte die zappelnde Spinne regelrecht am Boden fest.
Das andere Schwert in der linken Hand, die Klinge zu Boden gerichtet, stand Zara inmitten der Überreste der Spinnenbrut und knurrte triumphierend: „Dreiunddreißig.“
Halb rechnete sie damit, dass die Spinnen womöglich wieder hervorkommen und von neuem versuchen würden, sie mit ihren Giftpfeilen zu lähmen, doch die Erddeckel blieben geschlossen; nichts regte sich im Schatten des Felsüberhangs.
Langsam entspannte sich Zara. Obwohl der Kampf sie nicht sonderlich gefordert hatte, war sie froh, dass es vorüber war. Sie wandte sich nach Falk und Jael um, die reglos neben dem Feuer lagen. Während man bei Falk beim besten Willen nicht zu sagen vermochte, wie es um ihn bestellt war, verrieten Jaels hektische Augenbewegungen wenigstens, dass sie noch lebte.
Zara wollte gerade zu ihnen hinübergehen, um zu sehen, was sie für die beiden tun konnte, als sie plötzlich etwas hörte – ein leises Rascheln im Unterholz gegenüber des Felsüberhangs –, und als sie herumwirbelte, machte sie im Dickicht huschende Bewegungen aus, begleitet von dem wohlbekannten Trippeln kleiner, behaarter Spinnenbeine.
Das eine Schwert kampfbereit in der linken Hand, trat sie zwei Schritte vor.
Vier Spinnen, die eben in ihre Löcher geflüchtet waren, tauchten aus den Büschen auf, doch statt die Vampirin anzugreifen, verharrten sie am Rand des Dickichts und starrten Zara mit ihren winzigen schwarzen Knopfäuglein an.
Zara fasste den Griff ihres Schwerts fester, als sie erkannte, dass sich dort noch etwas in den Büschen bewegte – etwas Großes und Massiges, das sich raschelnd durch das Dickicht schob und zunehmend näher kam. Zara sah, wie die mannshohen Sträucher und Farne in der Dunkelheit zitterten. Dann brach das Unterholz hinter den Spinnen raschelnd auseinander, wie ein Theatervorhang, der den Blick auf die Bühne freigab, und Zara wurde mit erschreckender Deutlichkeit bewusst, dass sie sich geirrt hatte.
Die Spinnen waren nicht geflohen – sie hatten Verstärkung geholt!
Und was für welche!
Die Spinne, die mit langsamen, majestätischen Bewegungen aus dem Unterholz stapfte, war gigantisch, ihr wuchtiger zweigeteilter Leib schwebte einen guten Meter über dem Boden, und ihr vorstehender runder Schädel war groß wie der einer Kuh, mit vier nebeneinander angeordneten Reihen faustgroßer roter Augen, jeweils drei hintereinander, und einem besonders großen Auge mitten auf der fliehenden Stirn, wie das glühende Auge eines Zyklopen.
Die vier mächtigen, leicht nach innen gekrümmten Kieferklauen an den Unter- und Oberkiefern der Monsterspinne bildeten ein vor- und zurückschnappendes X vor der kreisrunden Öffnung des zahnlosen Mauls, und die dicken Beine der Spinne endeten in spitz zulaufenden Hornstelzen, scharf und tödlich wie Speere. Der massige, wie aufgeblasen wirkende Hinterleib, groß wie ein Heuschober, lief zum Ende hin grob zapfenförmig zusammen, wie der einer Wespe, und mündete in einem armdicken Stachel, der lang und spitz wie ein Speer aus dem Unterleib der Spinne ragte. Er schimmerte feucht im Schein des Lagerfeuers, und von der Spitze tropfte Gift in glitzernden, zähflüssigen Fäden, jeder Tropfen davon stark genug, um Zaras Innereien innerhalb weniger Minuten zu verflüssigen, wenn es dem Untier gelang» sie damit zu erwischen.
Die Spinne baute sich zwischen ihren kleineren Artgenossen auf, die sie mindestens um das Zehnfache überragte, und hielt dann inne, keine zwanzig Schritte vom Lager entfernt.
Zara starrte die Monsterspinne an, die beinahe so groß war wie sie selbst, und auf einmal fühlte sie sich elend.
Einen Moment lang stand die Riesenspinne reglos da, und alles, was sich bewegte, waren ihre vielen Augen. Während die eine Hälfte davon Zara betrachtete, blickte die andere zum Massaker unter dem Felsüberhang, und als das Ungetüm die kläglichen Überreste ihrer Artgenossen erblickte – Ihrer Kinder?, schoss es Zara schreckhaft durch den Kopf –, schnappten die vier Kieferklauen von der zahnlosen Öffnung zurück, aus der ein schrilles, durchdringendes aggressives Kreischen scholl. Dann lief ein Ruck durch die massige Kreatur, und die Riesenspinne schoss vorwärts.
Noch im Laufen richtete sich ihr Leib auf, und ihre vier vorderen Beine jagten wie Lanzen auf Zara zu, um sie zu durchbohren.
Zara ging in Kampfstellung und ließ die Spinne kommen, die mit schnappenden Kiefern auf sie zujagte. Ihre vordersten beiden Beine zuckten in Brusthöhe heran. Zara versuchte der Attacke durch einen schnellen Sprung auszuweichen, doch eines der Beine erwischte sie an der ungeschützten Seite. Der Treffer war so heftig, dass Zara dachte, ein Pferd hätte sie getreten. Keuchend taumelte sie zurück, die freie rechte Hand an ihre schmerzende Seite gepresst, und tauchte hastig weg, als die Vorderbeine erneut auf sie zuschossen.
Aus den Augenwinkeln sah sie, wie eine der kleineren Spinnen mit erhobenem Unterleib heranhuschte, und Zara schaffte es gerade noch, zur Seite zu springen, bevor der Giftpfeil sie treffen konnte.
Sie kam auf dem Boden auf, rollte sich geschickt über die Schulter ab und federte wieder auf die Beine – keinen Moment zu früh, denn schon stapfte die Monsterspinne wieder heran, stieß mit ihren Vorderbeinen nach der Vampirin und setzte mit dem Beinpaar dahinter nach, als der erste Angriff ins Leere ging.
Zara parierte die Attacke mit ihrem Schwert, wehrte die Hornstelzen ab wie gegnerische Lanzen und wich Schritt für Schritt vor der Riesenspinne zurück, die ihr jedoch folgte und in einem fort mit den Beinen nach ihr stieß, mal mit den vorderen, dann mit denen dahinter, und ihre Bewegungen waren so schnell, dass Zara einige Mühe hatte, die Angriffe abzuwehren.
Die Monsterspinne trieb Zara nach hinten, an den reglosen Körpern ihrer beiden Gefährten vorbei und auf die Felswand zu. Ihre kleinen schwarzen Äuglein zuckten hin und her, während ihre Beine in einem fort nach Zaras Brust stießen.
Die Klinge der Vampirin zuckte und wirbelte ohne Unterlass, und jedes Mal, wenn das Metall auf ein Bein der Spinne traf, federte die Klinge sirrend zurück, als hätte sie auf Stein geschlagen, so dick war die Hornschicht, auf der nur hier und da borstige schwarze Haare wuchsen.
Eine kleinere Spinne schob sich im Schutz der Monster-Spinne heran, sauste unter dem Leib des Ungetüms hervor und jagte auf Zara zu, die hastig noch mehr zurückwich, in der Erwartung, dass das Viech einen Giftpfeil auf sie abschoss. Doch stattdessen kauerte sich die Spinne kurz hin, um ihre acht Beine wie eine Feder zu spannen – und dann sprang sie mit einem gewaltigen Satz nach vorn, geradewegs auf Zaras Gesicht zu!