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»Schweinerei passierte. Sprich’s ruhig aus«, sagte der Arzt kurz.

»Ja. Wir hatten zu wenig Zeit, um die Versuchsreihe zu beenden. Aber wir waren überzeugt, auf dem richtigen Wege zu sein.«

»Wie ich Ernst kenne ... wird es wahrscheinlich stimmen.«

»Kurz - wir hätten noch ein bißchen Zeit haben sollen, dann wären wir soweit, es mit Streptokokken, Staphylokokken, vielleicht auch mit Typhuserregern aufzunehmen. Es ist eine ganz neue Sache - es ist uns gelungen, einen Stoff zu isolieren, der in kürzester Zeit diese Mikroben tötet, sie einfach verschwinden läßt, du hättest das sehen müssen ...« Sie hatte sich in Erregung geredet, der Arzt beugte sich gespannt vor, sprang dann auf und sagte:

»Moment mal, was hast du gesagt, einen Stoff abgesondert, der diese Biester einfach verschwinden läßt ... aus Strahlenpilzen?«

»Ja.«

»Weißt du auch, was du da sagst?«

»Natürlich weiß ich das!«

»Aber das ist ja - das ist ja großartig! Wenn das wirklich stimmt, Mädchen, das ist ja mehr als großartig! Wenn du wüßtest, wie schwer wir es mit diesen alten, eiternden, jauchenden Wunden haben ... na ... warte einmal, ich muß mich zusammennehmen, erzähl weiter!«

Er setzte sich wieder, trank seinen Kognak in einem Zug aus und schenkte sich gleich wieder ein.

»Du kennst mich - jedenfalls gut genug, um zu wissen, daß ich nie etwas zuviel gesagt habe ...«:, sagte Julia.

»Das stimmt. Viel zu wenig«, grinste der Arzt.

»Bleib bitte ernst. Also wir haben diesen Stoff isoliert, und dann machte Ernst einen Selbstversuch.« Jetzt sprach sie sehr langsam und überlegt weiter. Sie durfte keinen Fehler machen. Sie mußte das bekommen, was sie von ihm wollte - und wenn sie lügen mußte.

»Das war falsch, er hätte es nicht machen sollen, es war noch zu früh. Nun ist er weg, ich bin ganz allein - und was sollte ich schon tun? Ich habe an der Sache weitergearbeitet. Ich habe wieder etwas von diesem Stoff hergestellt - >Aktinstoff< nannten wir ihn - und möchte ein paar Tierversuche machen. Was ich von dir brauche, ist Eiter von einem Patienten, der eine Staphylokokken-Infektion hat, am liebsten hätte ich Staphylokokkus aureus. Du wirst doch hier irgend etwas Ähnliches haben, eine Pyodermie, eine Furunkulose ...«

»Für einen Tierversuch?« Der Arzt sah sie fragend, forschend und zweifelnd an.

»Ja«, sagte sie und erwiderte seinen Blick. Ihr Herz klopfte langsam und schwer. Und mit gespielter Leichtigkeit - wie gut können doch Frauen spielen, wenn sie etwas erreichen wollen -setzte sie hinzu: »Natürlich, was denn sonst? Du hast doch sicher solche Patienten?«

Der Arzt Dr. Franz Wissek kannte Julia von früher her als eine umsichtige, zielstrebige Ärztin, die ihre Absichten immer sehr energisch in die Tat umsetzte. Gewiß war die Arbeit, mit der sie sich jetzt befaßte, nicht ungefährlich. Aber er war sicher, daß sie genau wußte, was sie tat und was sie wollte. Warum sollte er ihre selbstgestellte Aufgabe erschweren? Es gab keinen Grund dazu. Andererseits verschaffte es ihm eine gewisse Befriedigung, gerade Julia zu helfen - nicht nur deswegen, weil er früher einmal geglaubt hatte, sie würde seine Frau werden, sondern auch, weil sie die Frau des verpönten Dr. Deutschmann war, des Mannes, dessen Namen einige seiner Kollegen nicht einmal mehr auszusprechen wagten, obwohl sie früher stolz behaupteten, seine Freunde zu sein.

»Nun ja«, sagte er, »wenn’s so ist - mit diesen Biestern kann ich dir immer dienen. Ich habe hier einen sehr hübschen Fall. Einen Mann mit einem mächtigen Gesichtsfurunkel. Ich bin nicht sicher, daß wir ihn durchkriegen.«

»Genau das Richtige. Komm, laß uns gehen.«

»He, so schnell schießen die Preußen nicht! Trink zuerst deinen Kognak aus. Aber mir scheint, du hast gar nicht gemerkt, was für ein tolles Gesöff das ist. Ich hab’ ein paar Flaschen von einem Parteibonzen bekommen, den ich von einer sehr unangenehmen Krankheit geheilt habe.« Er grinste breit. »Das gibt’s auch noch, ob du’s glaubst oder nicht.«

»Hast du auch Privatpatienten?«

»Das darf man ja nicht - aber kannst du mir verraten, wie man auf Lebensmittelkarten satt wird? Ab und zu kommt jemand zu mir, meistens hohe Herren und ihre Damen ... man muß mitnehmen, was sich einem bietet.«

»Das ist eine der häufigsten Redensarten, die man in diesen Tagen hört. Aber du hast dich auch schon früher daran gehalten ... Komm, gehen wir jetzt.«

»Also gut«, sagte der Arzt und stand auf.

Der Patient, ein Mann von etwa vierzig Jahren, trug einen Verband, der das ganze Gesicht bedeckte. Schweigend, mit schnellen, geschickten Fingern nahm Dr. Wissek den Verband ab. Julia zuckte zusammen, als sie das Gesicht des Kranken sah: Es war verschwollen, die Augen waren hinter den dicken Wülsten kaum zu sehen, die Lippen waren eitrig verkrustet, und an einem Nasenflügel saß ein großes Geschwür, aus dem Eiter hervordrang.

»Sieht schon besser aus«, sagte der Chirurg, und Julia wußte, daß diese Worte für den Patienten gedacht waren, nicht für sie. Der Kranke bewegte die Lippen, doch aus seinem Mund kam nur ein unverständliches Lallen. Er mußte gräßliche Schmerzen haben.

»Nur ruhig«, sagte der Arzt. »Wir wollen eine kleine Eiterprobe entnehmen - immerhin haben Sie einen ganz schönen

Furunkel, der wert ist, näher untersucht zu werden. So, mit dem Laboratorium und dem ganzen Drum und Dran.« Seine Stimme war sanft, plaudernd, sie beruhigte den Patienten, und Julia dachte, daß er der geborene Arzt war: Ein Mann, der wußte, was Schmerzen waren, der sie selbst erleiden und immer wieder von neuem besiegen mußte, ein Mann, dessen Stimme und dessen Hände verrieten, daß er allein um zu helfen da war, um zu helfen und zu trösten.

Mit einem Spatel strich er vorsichtig etwas Eiter ab und schmierte ihn in eine kleine flache Schale. »Das wird genügen«, sagte er später, als er mit Julia wieder auf dem Gang stand. »Ein paar hundert Millionen Staphylokokken sind sicher drin. Unser Bakteriologe hat gesagt, es sei einwandfrei der Staphylokokkus aureus. Deine Viecher werden es nicht leicht haben. Arbeitest du mit Mäusen?«

»Ja.«

»Kann ich einmal vorbeikommen?«

»Sicher kannst du das. Aber nicht, bevor ich etwas Endgültiges weiß!«

»Und wann wird das sein? Du kannst dir ja denken, daß mich die Geschichte ungeheuer interessiert.«

»In einigen Tagen. Ich denke, vielleicht fünf, sechs Tage. Ich werde dich anrufen.«

»Tue das. Ich werde warten.«

Erich Wiedeck saß in einem halbfertigen, abgestützten Bunker und rauchte eine Zigarette - die letzte aus seiner Zuteilung als sich der schmale Eingang verdunkelte und sich eine breite Gestalt in den Bunker schob. Wiedeck blieb die Zigarette auf halbem Weg zum Mund in der Luft hängen. Zuerst dachte er, er irrte sich - doch es stimmte:

Krüll.

»Da wirst du doch verrückt«, murmelte er fassungslos, während er langsam aufstand.

»Na, ihr Schlappschwänze? Schon Feierabend? Ach ja - da ist ja nur einer drin. Wo sind die anderen?«

»Wer?« fragte Wiedeck.

»Na - die anderen. Oder baust du etwa den Bunker allein?«

»Ich hab’ da noch etwas zu tun gehabt«, sagte Wiedeck. Es stimmte nicht ganz. Er hatte sich in diesem Bunker eine halbe Stunde vor der Ablösung versteckt; er wollte Ruhe haben, er war hundemüde, und im Bunker war es einigermaßen warm. Jedenfalls wärmer als draußen, wo dieser verdammte Wind über die Ebene zog und die Schneekristalle wie Nadeln ins Gesicht stachen.

»Na, ich weiß nicht«, polterte Krüll. »Scheint ganz gemütlich hier zu sein. Soldatenspielen - welche Wonne! Jetzt weiß ich auch, warum die fünfzig Meter Graben fehlen. Statt zu schanzen, sitzt ihr hier herum. Es war Zeit, daß ich einmal selbst nach dem Rechten sehe!«

Erich Wiedeck drückte die Zigarette bedächtig aus, verwahrte die Kippe in der Brusttasche und setzte sich wieder. Krüll starrte ihn entgeistert an und brüllte dann laut: