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Oberleutnant Obermeier hockte mit Bartlitz in einer Mulde und starrte auf die Panzer. Plötzlich flammten Scheinwerfer auf und bestrichen das ganze Feld zwischen der deutschen HKL und dem Waldrand mit ihren grellen Lichtkegeln. Sie erfaßten eine Gruppe grauer Gestalten, die sich hinwarf und in den Schnee vergrub, doch nicht schnell genug ...

»Das sind unsere«, sagte Bartlitz. »Ganz bestimmt! Sie wollten ‘rüber ...«

»Herrgott - warum latschen sie herum wie beim Blaubeersu-chen!« Obermeier stöhnte es fast.

»Sie wissen es nicht anders«, sagte Bartlitz trocken, während beide auf den Scheinwerferkegel starrten, der dort verhielt, wo die kleine Gruppe im Schnee lag. »Wie sollen sie wissen, wie man sich in Rußland an der Front zu benehmen hat! Man hat es sie nie gelehrt.«

Jetzt kamen aus dem Wald andere dunkle Gestalten angerannt; sie arbeiteten sich schnell durch den tiefen Schriee, dick vermummt, mit Pelzmützen auf dem Kopf, Maschinenpistolen mit großen Magazinen in den Händen.

»Russen ...«, sagte Bartlitz.

Man hörte das rasende Hämmern eines deutschen Maschinengewehrs, die Russen warfen sich hin, einige sackten in sich zusammen.

»Idioten - jetzt schießen sie auch noch!« sagte Obermeier.

Ein Panzer schwenkte den Turm, und das laute Tacken eines russischen Maschinengewehrs mischte sich in die kurzen Feuerstöße des deutschen, das bald darauf verstummte. Einige deutsche Soldaten, immer noch im Scheinwerferkegel, standen mit hocherhobenen Armen auf, aber das MG aus dem russischen Panzer schoß weiter, jetzt erhoben sich auch die russischen Soldaten, und man hörte das rasende Tacken einiger Maschinenpistolen. Die Deutschen sanken nach und nach in sich zusammen.

»Mein Gott, mein Gott«, stöhnte Obermeier.

»Jetzt wissen wir, was wir zu erwarten haben«, sagte Bartlitz leise. »Wir müssen es versuchen. Wir müssen weiter. Jetzt wird bald die Infanterie ausschwärmen. Dann erwischen sie uns ... Sie haben es ja gesehen!«

In diesem Augenblick sagte auch Wiedeck zu Hefe, kaum fünfzig oder sechzig Schritte entfernt von Obermeier und Bartlitz: »Es hilft nichts, wir müssen ‘rüber. Jetzt ist’s noch dunkel, aber nicht mehr lange. Wo sind die anderen?«

»Ich weiß nicht«, sagte Hefe.

Wiedeck sah sich um. »Deutschmann, Schwanecke, Mölders.«

»Wie soll ich das wissen?« sagte Hefe gereizt. »Sicher sind sie zurückgeblieben, weiß der Teufel ...« Es kümmerte ihn nicht, wo die anderen waren. In ihm lebte nur noch der Wunsch, aus diesem Hexenkessel herauszukommen, hinter die deutschen Linien, nur weg von hier! Aber wie?

»Soll ich vorneweg laufen?« fragte Wiedeck.

»Jaja, lauf schon. Versuch es.«

Bevor Wiedeck losrannte, sah er von links, aus Richtung Gorki, eine lange Schützenkette russischer Infanterie ankommen. Es war höchste Zeit. Und indem gleichen Augenblick setzten sich auch die russischen Panzer wieder in Bewegung. Aus den russischen Gräben standen Infanteristen auf und begannen, laut schreiend und wild schießend, gegen die deutsche HKL zu rennen. Die Front erwachte zu einem schrecklichen Inferno. Die deutsche Artillerie schoß. Panzerkanonen bellten auf und Flammenbündel zitterten durch den Nachthimmel. Zwei - vier - sieben Panzer explodierten, brannten aus, glühend wie in einer riesigen Schmiede, aber die anderen fuhren weiter, unbeirrt, mit heulenden Motoren, aus den langen Rohren in Bewegung schießend.

Etwas tiefer im Wald, doch so, daß sie noch einigermaßen nach draußen in die Ebene sehen konnten, lagen Deutschmann und Schwanecke in einer Mulde, hinter einem dicken, gefällten Baumstamm. Hier waren sie einigermaßen sicher.

»Solange keine Infanterie kommt, passiert uns nichts«, sagte Schwanecke zu dem entsetzten Deutschmann. »Die Panzer können uns hier nichts anhaben.«

»Die sind jetzt schon in der deutschen HKL!« flüsterte Deutschmann.

»Na klar, was glaubst du sonst? So ‘ne Feuerwalze können die paar Männeken bei uns nie aufhalten!«

»Was sollen wir tun?«

»Nur mit der Ruhe! Laß das den Vater Schwanecke machen. Für uns beide ist jetzt der Krieg aus. Ich habe das Gefühl, daß das unser letzter Rabatz war!«

Kapitel 13

Oberfeldwebel Krüll lag mit dem Unteroffizier Kentrop in einer flachen Mulde am Waldrand, preßte sich an den Boden und keuchte vor Angst. Das war das Ende. Wie konnte es so weit kommen? Aus!

»Mensch, Dicker, nimm dich zusammen«, sagte Kentrop tröstend.

»Aus - aus«, jammerte Krüll.

»Du sollst dich zusammennehmen! Nur hübsch abwarten!«

Aber Krüll sagte immer wieder nur: »Aus - aus - aus .«

Wiedeck war der erste, der aus der Mulde emporschnellte und gegen die deutsche HKL zu laufen begann.

Die Scheinwerfer waren weitergewandert, und die Dunkelheit war dick und grau wie stets kurz vor der Morgendämmerung. Wiedeck rannte wie ein Irrer. Und während er sich durch den Schnee arbeitete, dachte er an Erna, an die Kinder, und dann dachte er an nichts mehr und dann daran, daß er weitermußte, weiter, auch wenn ihm das Herz zu zerspringen drohte, weiter und dann wieder an Erna und an den Kleinen, den er nie gesehen hatte ...

Hefe sah hinter ihm her, und als er von der Dunkelheit verschluckt wurde, sprang auch er auf und begann zu rennen.

Obermeier sagte: »Halten Sie sich bei uns, Herr Bartlitz, ich springe jetzt.«

»Lassen Sie mich vorauslaufen, Herr Oberleutnant«, sagte Bartlitz.

»Nein, ich laufe vorneweg. Und ... es tut mir leid .«

»Was?«

»Daß wir hier so ... es tut mir leid, daß Sie im Strafbataillon ... Herr Oberst .«

»Lassen Sie das. Ich bin kein Oberst mehr, und ich glaube, ich wünsche auch nicht, wieder einer zu sein.«

»Ich habe Sie sehr schätzen gelernt ... ich bin .«

Über Bartlitz’ Antlitz huschte ein kleines, gütiges Lächeln. »Mit solchen Offizieren wie Sie wäre dies - dies alles nicht geschehen«, sagte er. »Aber Sie sagten vorhin >Herr Oberst< zu

mir. Meinten Sie es ernst?«

»Ja - jawohl - sicher!«

»Dann gebe ich Ihnen jetzt den Befehl, erst nach mir zu laufen. Sie wissen, wie das war in der alten Armee: die höheren Offiziere immer vorneweg. Leb wohl, mein Junge - lauf erst, wenn du glaubst, daß es richtig ist. Und vergiß nicht: Einer muß zurückkommen! Wie es auch ist: Einer muß zurückkommen!« Er legte die Hand auf Obermeiers Schulter, stieß sich dann ab, sprang aus der Mulde, rannte über das Feld, nach vorne gebückt, mit schlotternden Beinen und pendelnden Armen -ein Mann, der wußte, daß es sinnlos war, dem Schicksal zu entfliehen.

Obermeier wartete einige Minuten. Die Panzer waren jetzt über die deutschen Linien hinweggerollt. Die Partisanen und die russische Infanterie kämmten jetzt die rückwärtigen Gräben durch. Es wurden keine Gefangenen gemacht - aber es gab auch fast keinen deutschen Soldaten, den man gefangennehmen konnte, solange er noch fähig war zu laufen. Sie wußten alle zu genau, was sie erwartete, wenn sie in die Hände der Partisanen fielen.

Obermeier schnellte wie ein Sprinter über das verschneite Feld, vorbei an den Klumpen, die einmal seine Soldaten gewesen waren, vorbei an noch glühenden Panzerleibern.

Er rannte wie nie in seinem Leben. Er wußte, daß er fast keine Chance hatte, heil bei den eigenen Truppen anzukommen. Wenn, dann nur jetzt, in dieser Verwirrung, im Schütze der Dunkelheit, die sich jetzt langsam zu lichten begann. Es war eine verschwindend geringe Möglichkeit, aber er mußte es versuchen. Einer mußte zurückkommen.

Von der Seite her sah er plötzlich einen dunklen, heulenden Schatten auf sich zukommen: ein Panzer. Ein kleiner, stechend heller Scheinwerfer blitzte an der Stirnseite auf - und mitten in seinem Kegel stand Obermeier, zu einer Säule erstarrt, die Arme vorgestreckt, als wollte er ins Wasser springen.