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Bolitho blickte ihn an, wunderte sich selbst über den Klang seiner Stimme. Denn er sagte vollkommen ruhig, obwohl er am ganzen Körper zitterte:»Vielleicht gar keine, Mr. Pyke. Aber wir haben keine andere Wahl!»

Als sie begannen, über die Felsen zur Bucht hinab zu klettern, schien sogar die Nacht den Atem anzuhalten.»Wie lange bis zur Dämmerung?«Pyke blickte kurz auf. »Zu lange.»

Bolitho griff nach seiner Pistole und fragte sich, ob sie trotz der Nässe funktionieren würde. Pyke hatte seine Gedanken erraten. Denn wider besseres Wissen hatte er gehofft, daß die Morgendämmerung die Avenger heranbringen würde, um ihnen zu helfen.

Er dachte an Hugh, was der wohl an seiner Stelle getan hätte. Bestimmt hätte er einen Plan bereit gehabt. Äußerlich ruhig sagte er:»Ich brauche zwei Mann. Wir halten auf die Lichter zu. Sie, Mr. Pyke, steigen mit dem Rest der Leute auf diesen Hügel und lenken die Kerle ab. «Pyke starrte ihn an.»Sie kennen diesen Strand nicht! Da gibt's keinen Zoll Deckung. Die werden Sie niedermähen, bevor Sie zwei Schritte gemacht haben.»

Bolitho wartete, fühlte, wie ihm das nasse Hemd an der Haut klebte. Aber in Kürze würde er vielleicht noch viel kälter sein. Pyke spürte des anderen Verzweiflung, aber auch seine Entschlossenheit, das Unmögliche zu versuchen. Abrupt sagte er:»Babbage und Trillo sind am besten geeignet. Sie kennen diese Küste, aber zum Sterben ist das kein Grund. «Der eine, der Babbage hieß, zog sein schweres Entermesser und fuhr mit dem Daumen prüfend über die Klinge. Der zweite, Trillo, war klein und drahtig und bevorzugte ein gefährlich aussehendes Enterbeil.

Beide verließen die kleine Gruppe ihrer Kameraden und traten zu dem Fähnrich. Sie waren gewohnt zu gehorchen, Protest war nutzlos.

Bolitho sah Pyke an.»Danke!»

Der grunzte nur, dann rief er den anderen zu:»Folgt mir, Leute!«An Bolitho gewandt, sagte er:»Ich werde tun, was ich kann. «Bolitho zog seinen Hut in die Stirn und schritt zwischen den Felsblöcken hindurch auf den nassen, festen Sand hinaus, in der einen Hand den Degen, in der anderen die schwere Pistole. Hinter sich hörte er die Schritte der beiden Seeleute; das Geräusch wurde jedoch beinahe übertönt von seinem eigenen Herzklopfen.

Plötzlich sah er das nächstgelegene Licht und erkannte darunter die schattenhaften Umrisse eines angepflockten Pferdes; etwas weiter entfernt stand ein zweites Tier mit einer langen Stange auf dem Rücken, an deren einem Ende ebenfalls eine Laterne befestigt war.

Es schien unmöglich, daß irgend jemand auf so einen plumpen Trick hereinfallen würde, doch Bolitho wußte aus Erfahrung, daß die Ausgucksleute auf Schiffen oft nur das sahen, was sie gern sehen wollten.

Jetzt entdeckte er mehrere Silhouetten, die sich vom hellen Hintergrund der schäumenden Brecher abhoben. Sein Herz sank. Es mußten mindestens zwanzig bis dreißig Leute sein. Da schallte das dünne Knallen von Pistolenschüssen herunter in die Bucht: Pyke und seine Leute taten das Ihrige. Er hörte erschreckte Schreie vom Strand her, das Geklirr von Stahl, als jemand zwischen den Felsen seine Waffe fallen ließ.»Jetzt!«rief Bolitho.»So schnell wir können!«Er raste auf das Pferd zu und schlug die Laterne herunter, die noch brennend auf den nassen Sand fiel. Das Pferd scheute und schlug verängstigt aus, als weitere Schüsse über ihre Köpfe pfiffen.

Bolitho hörte seine beiden Gefährten schreien, sah Babbage mit dem Entermesser einen Angreifer niedermähen, bevor er weiterstürmte, um die nächste Laterne von der Stange zu kappen. Eine Stimme rief:»Schießt diese Schweine über den Haufen!«Jemand anderer schrie schmerzerfüllt auf, als eine verirrte Kugel ihn traf.

Gestalten schwärmten nach allen Seiten aus, rückten langsam und vorsichtig näher, verwirrt durch Pykes Störfeuer vom Hügel herab.

Einer sprang Bolitho an, und er feuerte, sah, wie der Mann mit verzerrtem Gesicht hintenüberfiel, als die Kugel ihn voll traf. Andere drängten nach, kühner geworden, als sie feststellten, daß

ihnen nur drei Mann gegenüberstanden.

Bolitho kreuzte mit einem Gegner die Klinge, während Babbage, mit seinem schweren Entermesser hackend und stechend, allein zwei Mann in Schach hielt.

Bolitho spürte des Gegners Haß, fand aber noch Zeit zu hören, daß Trillo einen wilden Schrei ausstieß, als er von zahllosen Hiebund Stichwaffen niedergemäht wurde.»Jetzt bist du dran, verdammter Zollschnüffler!«keuchte sein Gegner.

Benommen, Geist und Körper schon eingestimmt auf den unvermeidbaren Tod, war Bolitho erstaunt über seine plötzliche Wut. Sterben war ein Ding, aber für einen Zöllner gehalten zu werden, ein anderes; er empfand es als äußerste Beleidigung. Mit absoluter Klarheit erinnerte er sich wieder an das, was sein Vater ihm über Selbstverteidigung beigebracht hatte. In einer letzten Anstrengung drehte er sein Handgelenk und wand so dem Gegner die Klinge aus der Hand. Als der Mann vornüber an ihm vorbeistolperte, schlug er ihm den Degen mit voller Wucht ins Genick.

Dann traf ihn etwas seitlich am Kopf, und er brach in die Knie; undeutlich nahm er noch wahr, daß Babbage mit zischend geschwungener Klinge über ihm stand, um ihn zu verteidigen. Dann umfing ihn Dunkelheit, und er fühlte, wie seine Wange auf dem nassen Sand aufschlug, erwartete den Todesstoß. Gleich mußte es soweit sein. Durch die schmerzende Benommenheit seines Hirns drangen Rufe und Pferdegetrappel. Sein letzter Gedanke galt seiner Mutter, die ihn hoffentlich so nicht zu sehen bekam.

V Der Köder

Bolitho öffnete stöhnend und sehr langsam die Augen. Der Schmerz durchzuckte ihn vom Kopf bis zu den Fußsohlen. Er versuchte, sich zu entsinnen, was vorgefallen war; als die Erinnerung daran langsam zurückkehrte — zugleich mit den Schmerzen in seinem Kopf —, starrte er verwirrt und benommen um sich.

Er lag auf einem dicken Fell vor einem prasselnden Kaminfeuer, noch in seiner verschmutzten Uniform, die in der starken Hitze dampfte.

Jemand kniete neben ihm, und er sah die sauberen, aber verarbeiteten Hände eines Mädchens, die seinen bandagierten Kopf anhoben.

Das Mädchen sagte leise:»Bleiben Sie liegen, Sir«, und über die Schulter rief es:»Er ist wach!»

Bolitho hörte eine wohlbekannte, dröhnende Stimme und sah Sir Henry Vyvyan sich über ihn beugen, das einzige Auge auf ihn gerichtet, während er sagte: «Wach, Mädchen? Er wäre uns fast drauf gegangen!»

Sir Henry rief nach einigen unsichtbaren Dienstboten und fügte etwas leiser hinzu:»Gott verdammich, Junge, das war eine haarsträubende Dummheit. Noch eine Sekunde, und diese Schurken hätten Sie in Stücke gehackt!«Er drückte dem Mädchen ein großes Glas in die Hand.»Gib ihm hiervon zu trinken!«Dann, während Bolitho versuchte, das heiße Getränk zu schlucken, schüttelte er nochmals den Kopf.»Was hätte ich bloß Ihrer Mutter gesagt?»

«Was ist mit den anderen, Sir?«Bolitho erinnerte sich wieder an Trillos Schrei, vermutlich seinen letzten auf dieser Erde. Vyvyan hob die Schultern.»Nur einer ist tot. Ein wahres Wunder. «Es klang, als könne er es immer noch nicht fassen.»Eine Handvoll Männer gegen diese Horde Teufel!«»Ich danke Ihnen, Sir. Sie haben uns das Leben gerettet.«»Nicht der Rede wert, Junge. «Vyvyan lächelte, und die Narbe in seinem Gesicht wirkte dadurch noch grimmiger.»Ich lief mit meinen Leuten zum Strand, weil ich den Kanonenschuß gehört hatte. Wir waren ohnehin draußen. Schließlich ist die Marine nicht als einzige hinter diesen Verbrechern her. «Bolitho lag still und blickte zu der hohen Decke hinauf. Er sah, wie das Mädchen ihn mit blauen Augen und besorgt gerunzelten Stirn beobachtete.

Also hatte Vyvyan alles gewußt. Hugh hätte das in Betracht ziehen sollen. Ohne Sir Henry wären sie jetzt alle tot gewesen.»Und das Schiff, Sir?«fragte er.

«Gestrandet, aber bis zum Morgen besteht keine Gefahr. Ich habe Ihren Bootsmann hingeschickt, er paßt auf. «Sir Henry tippte sich mit dem Finger vergnügt an die riesige Nase.»Das wird ein hübsches Bergegut, schätze ich.»