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Rand schob die Stimme von sich.

»Rand«, sagte Min. Ihre Stimme klang jetzt noch leiser.

Er drehte sich um und sah sie an. Sie war geschmeidig und klein von Statur, und er hatte oft das Gefühl, sie hoch zu überragen. Ihr Haar trug sie in kurzen Locken und dunkel - aber es war nicht so dunkel wie ihre besorgt dreinblickenden Augen. Wie immer hatte sie Mantel und Hosen als Kleidung gewählt. Heute waren sie dunkelgrün, wie die Kiefernnadeln dort draußen. Doch als stünden sie im Widerspruch zu ihrer Wahl, hatte sie die Kombination verändert, damit sie ihre Figur betonte. Die Manschetten waren mit silbernen Blüten bestickt, die darunter zum Vorschein kommenden Ärmel mit Spitze verziert. Sie duftete leicht nach Lavendel, vielleicht von der Seife, die sie in letzter Zeit bevorzugte.

Warum Hosen wählen, nur um sich dann mit Spitze zu schmücken? Rand hatte schon vor langer Zeit aufgegeben, die Frauen verstehen zu wollen. Sie zu verstehen würde ihm nicht helfen, zum Shayol Ghul zu kommen. Außerdem musste er Frauen auch nicht verstehen, um sie benutzen zu können. Vor allem, wenn sie über Informationen verfügten, die er brauchte.

Er knirschte mit den Zähnen. Nein, dachte er. Nein, es gibt Grenzen, die ich nicht überschreiten werde. Es gibt Dinge, die nicht einmal ich tun werde.

»Du denkst wieder an sie!« Es klang beinahe vorwurfsvoll.

Er fragte sich oft, ob es einen Bund gab, der nur in eine Richtung funktionierte. Er hätte viel dafür gegeben.

»Rand, sie ist eine Verlorene«, fuhr Min fort. »Sie hätte uns alle ohne zu zögern getötet.«

»Sie wollte mich nicht töten«, sagte Rand leise, wandte sich wieder von Min ab und schaute aus dem Fenster. »Ich sollte ihr Gefangener werden.«

Min zuckte zusammen. Schmerz, Sorge. Sie dachte an das grässliche A'dam für Männer, das Semirhage verborgen mitgebracht hatte, als sie die Identität der Tochter der Neun Monde angenommen hatte. Cadsuanes Ter'angreal hatte die Tarnung der Verlorenen zunichtegemacht, darum hatte Rand Semirhage erkennen können. Beziehungsweise hatte es Lews Therin ermöglicht, sie zu erkennen.

Der Zwischenfall hatte damit geendet, dass Rand eine Hand verlor und dafür eine der Verlorenen als Gefangene gewann. Als er das letzte Mal in einer vergleichbaren Situation gewesen war, hatte es nicht gut geendet. Er wusste noch immer nicht, wohin Asmodean verschwunden war oder warum dieses Wiesel von einem Mann überhaupt geflohen war, aber er vermutete, dass er viel von seinen Plänen und Aktivitäten verraten hatte.

Hättest ihn töten sollen. Hättest sie alle töten sollen.

Rand nickte, dann erstarrte er. War das Lews Therins Gedanke gewesen oder sein eigener? Lews Therin, dachte er. Bist du da?

Er glaubte Gelächter gehört zu haben. Oder war es Schluchzen?

Sei verflucht!, dachte Rand. Rede mit mir! Der Zeitpunkt nähert sich. Ich muss wissen, was du weißt! Wie hast du das Gefängnis des Dunklen Königs versiegelt? Was ist schiefgegangen, warum war das Gefängnis danach nicht sicher? Rede mit mir!

Ja, das war definitiv Geschluchze und kein Lachen. Manchmal war das bei Lews Therin schwer auseinanderzuhalten. Rand betrachtete den Toten auch weiterhin als eigenständiges Individuum, ganz egal, was Semirhage gesagt hatte. Er hatte Saidin gereinigt! Der Makel war verschwunden und konnte seinen Verstand nicht länger berühren. Er würde nicht verrückt werden.

Der Sturz in den echten Wahnsinn kann ... ganz plötzlich erfolgen. Wieder hörte er ihre Worte, die sie laut verkündet hatte, damit auch alle sie hörten. Sein Geheimnis war endlich enthüllt. Aber Min hatte in einer Sicht gesehen, wie er mit einem anderen Mann verschmolz. Musste das nicht bedeuten, dass er und Lews Therin zwei eigenständige Persönlichkeiten waren, zwei Individuen, die in einen Körper gezwungen worden waren?

Es macht aber keinen Unterschied, dass seine Stimme real ist, hatte Semirhage gesagt. Tatsächlich verschlimmert das seine Situation noch ...

Rand sah zu, wie eine Gruppe von sechs Soldaten die Pferdeseile inspizierte, die an der rechten Seite des Rasens gespannt waren, zwischen der letzten Zeltreihe und den Bäumen. Sie überprüften einen Huf nach dem anderen.

Er durfte nicht über seinen Wahnsinn nachdenken. Er durfte auch nicht darüber nachdenken, was Cadsuane mit Semirhage machte. Damit blieben nur noch seine Pläne übrig. Der Norden und der Osten müssen eins sein. Der Westen und der Süden müssen eins sein. Die zwei müssen eins sein. Das war die Antwort gewesen, die er von den seltsamen Geschöpfen hinter der roten Tür erhalten hatte. Das war sein einziger Anhaltspunkt.

Norden und Osten. Er musste diese Länder zum Frieden zwingen, ob sie es wollten oder nicht. Im Osten hatte er ein zerbrechliches Gleichgewicht errichtet, mit Illian, Mayene, Cairhien und Tear, die alle irgendwie unter seiner Kontrolle standen. Die Seanchaner beherrschten den Süden, hatten Altara, Amadicia und Tarabon unter Kontrolle. Möglicherweise auch bald Murandy, falls sie in diese Richtung vorstießen. Damit blieben nur Andor und Elayne.

Elayne. Sie war in der Ferne, weit im Osten, trotzdem konnte er ein Bündel ihrer Gefühle in seinem Kopf wahrnehmen. Bei dieser Entfernung war es schwierig, Genaueres zu erkennen, aber er glaubte, sie war ... erleichtert. Bedeutete das, dass ihr Kampf um die Macht von Andor gut verlief? Was war mit den Heeren, die sie belagert hatten? Und was hatten diese Grenzländer nur vor? Sie hatten ihre Posten verlassen, sich vereinigt und marschierten nach Süden, um Rand zu finden, hatten aber keine Erklärung gegeben, was sie eigentlich von ihm wollten. Sie gehörten zu den besten Soldaten westlich vom Rückgrat der Welt. Sie würden eine unschätzbare Hilfe bei der Letzten Schlacht sein. Aber sie hatten die Nordländer verlassen. Warum?

Er sträubte sich dagegen, Rechenschaft von ihnen zu verlangen, aus Angst, ihn könnte ein weiterer Kampf erwarten. Einer, den er sich im Moment nicht leisten konnte. Beim Licht! Er hätte gedacht, sich zumindest bei den Grenzländern darauf verlassen zu können, dass sie ihn gegen den Schatten unterstützten.

Aber das spielte im Moment keine Rolle. Im größten Teil des Landes hatte er Frieden, oder zumindest etwas Vergleichbares. Er bemühte sich, nicht an die kürzlich niedergeschlagene Rebellion gegen ihn in Tear zu denken oder die Unberechenbarkeit der Grenzen mit den Seanchanern oder die Intrigenspiele des Adels in Cairhien. Jedes Mal, wenn er eine Nation gesichert zu haben glaubte, schienen ein Dutzend andere auseinanderzufallen. Wie sollte er Leuten den Frieden bringen, die sich weigerten, ihn zu akzeptieren?

Mins Finger auf seinem Arm drückten fester zu, und er holte tief Luft. Er tat, was er konnte, und im Augenblick verfolgte er zwei Ziele. Frieden in Arad Doman und einen Waffenstillstand mit den Seanchanern. Die Worte, die man ihm jenseits der Tür gesagt hatte, waren jetzt klar: Er konnte nicht gleichzeitig gegen die Seanchaner und den Dunklen König kämpfen. Er musste die Seanchaner an ihrem Vorstoß hindern, bis die Letzte Schlacht vorbei war. Danach konnte das Licht sie alle verbrennen.

Warum hatten die Seanchaner seine Bitten um ein Treffen ignoriert? Waren sie verärgert, dass er Semirhage gefangen genommen hatte? Er hatte die Sul'dam ziehen lassen. Zeigte das nicht seinen guten Willen? Arad Doman würde seine Absichten beweisen. Wenn er den Kampf auf der Ebene von Almoth beenden konnte, konnte er den Seanchanern demonstrieren, dass sein Bemühen um Frieden ernst gemeint war. Er würde sie dazu zwingen, dass sie es einsahen!

Er holte tief Luft und schaute aus dem Fenster. Basheres achttausend Soldaten schlugen Spitzzelte auf und hoben einen Graben aus und errichteten eine Mauer um die Rasenfläche. Der wachsende Wall aus dunkelbrauner Erde bildete einen Kontrast zu den weißen Zelten. Rand hatte den Asha'man befohlen, beim Graben zu helfen, und auch wenn er bezweifelte, dass ihnen die einfache Arbeit gefiel, beschleunigte das den Prozess doch gewaltig. Davon abgesehen vermutete er, dass sie - genau wie er - insgeheim jeden Vorwand genossen, Saidin zu halten. Sein Blick fiel auf eine kleine Gruppe von ihnen in ihren steifen schwarzen Mänteln und die von ihnen erzeugten Gewebe, während sie ein weiteres Stück Boden umgruben. Es gab zehn von ihnen im Lager, auch wenn nur Flinn, Naeff und Narishma den Rang von vollen Asha'man einnahmen.