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Schweigen kehrte in den Raum ein.

Rand blinzelte. Noch nie zuvor hatte er versucht, in der Anwesenheit von anderen laut mit Lews Therin zu sprechen. Und sie wussten Bescheid. Semirhage hatte von der Stimme gesprochen, die er hörte, hatte ihn verächtlich abgetan, als wäre er nur ein Verrückter.

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. Das heißt, er versuchte es ... aber er nahm den Arm, der nur noch ein Stumpf war, und erreichte nichts.

Beim Licht! Ich verliere die Kontrolle. Die halbe Zeit weiß ich nicht, welche Stimme mir gehört und welche ihm. Das sollte doch besser werden, nachdem ich Saidin gereinigt hatte. Ich sollte sicher sein ...

Nicht sicher, murmelte Lews Therin. Wir waren bereits verrückt. Da können wir nicht mehr zurück. Er fing an zu kichern, aber das Gelächter verwandelte sich in Schluchzen.

Rand sah sich um. In Mins dunklen Augen lag eine solche Sorge, dass er sich abwenden musste. Alivia - die die Auseinandersetzung wegen Semirhage mit ihrem durchdringenden Blick stumm verfolgt hatte - schien viel zu sehr Bescheid zu wissen. Nynaeve gab es schließlich auf und riss an ihrem Zopf. Und dieses eine Mal schien Cadsuane ihn nicht wegen seines Ausbruchs zurechtzuweisen. Stattdessen trank sie ruhig ihren Wein. Wie konnte sie dieses Zeug nur runterbekommen?

Der Gedanke war trivial. Lächerlich. Rand wollte lachen. Aber es wollte einfach nicht rauskommen. Er brachte nicht einmal mehr trockenen Humor zustande, nicht mehr. Beim Licht! Ich schaffe das nicht mehr. Meine Augen tun so, als wären sie in Nebel getaucht, meine Hand ist weggebrannt, und die alten Wunden in meiner Seite reißen auf, wenn ich etwas Anstrengenderes mache, als zu atmen. Ich bin ausgetrocknet, wie ein zu oft benutzter Brunnen. Ich muss meine Arbeit hier zu Ende bringen und zum Shayol Ghul gehen.

Sonst wird von mir nichts mehr übrig sein, das der Dunkle König töten kann.

Das war kein Gedanke, der zum Lachen reizte; er rief bloß Verzweiflung hervor. Aber Rand weinte nicht, denn Stahl konnte keine Tränen hervorbringen.

Für den Augenblick schien Lews Therins Schluchzen für sie beide zu reichen.

2

Das Wesen des Schmerzes

Egwene richtete sich auf. Der mittlerweile vertraute Schmerz durch die kräftigen Prügel, die die Oberin der Novizinnen verabreichte, ließ ihr Hinterteil brennen. Sie fühlte sich wie ein Teppich, aus dem man gerade den Staub geklopft hatte. Trotzdem ordnete sie beherrscht ihre weißen Röcke, dann wandte sie sich dem Spiegel im Raum zu und tupfte sich ruhig die Tränen aus den Augenwinkeln. Dieses Mal war es nur eine Träne in jedem Auge. Sie lächelte ihr Spiegelbild an, dann nickten sie sich zufrieden zu.

Die silbrige Oberfläche des Spiegels zeigte hinter ihr einen kleinen, mit dunklem Holz getäfelten Raum. Es war ein so nüchterner, strenger Ort; ein solider Stuhl in der Ecke, dessen Sitzfläche von jahrelangem Gebrauch gedunkelt und geglättet worden war. Ein klobiger Schreibtisch, auf dem das dicke Buch der Oberin der Novizinnen lag. Der schmale Tisch direkt hinter Egwene wies ein paar Schnitzereien auf, aber die darauf liegende Lederplatte war viel markanter. Viele Novizinnen - und nicht wenige Aufgenommene - hatten sich über diesen Tisch gebeugt und die Strafe für Ungehorsam ertragen. Die Vorstellung, dass die dunkle Färbung des Tisches von den vielen Tränenflecken herrührte, fiel nicht schwer. Egwene hatte selbst dort viele vergossen.

Aber heute nicht. Nur zwei Tränen, und keine davon war von ihren Wangen gefallen. Nicht, dass sie keine Schmerzen hatte; ihr ganzer Körper schien in Flammen zu stehen. Tatsächlich hatte sich die Intensität dieser Prügelstrafen erhöht, je länger sie sich den Herrschenden in der Weißen Burg widersetzte. Aber als die Strafen häufiger und schmerzhafter geworden waren, war auch ihre Entschlossenheit gestiegen, sie zu ertragen. Noch war es ihr nicht gelungen, den Schmerz zu umarmen und zu akzeptieren, wie es die Aiel taten, aber sie hatte das Gefühl, nahe dran zu sein. Die Aiel konnten noch während der schlimmsten Folter lachen. Nun, sie konnte in dem Augenblick lächeln, in dem sie sich aufrichtete.

Jeden Schlag, den sie ertrug, jeder Schmerz, den sie erlitt, war ein Sieg. Und Siege waren immer ein Grund zur Freude, ganz egal, wie sehr der Stolz oder die Haut auch brannten.

Neben dem Tisch und hinter ihr war auch die Oberin der Novizinnen im Spiegel zu sehen. Silviana starrte stirnrunzelnd auf den Lederriemen in ihren Händen. Ihr altersloses kantiges Gesicht trug einen leicht verwirrten Ausdruck; sie betrachtete den Riemen, wie man vielleicht ein Messer betrachtete, das nicht schneiden wollte, oder eine Lampe, die nicht brennen wollte.

Die Frau war eine Rote Ajah, wie dem Saum ihres schlichten grauen Kleides und der fransenbesetzten Stola auf ihren Schultern abzulesen war. Sie war hochgewachsen und stämmig, und sie trug ihr schwarzes Haar zu einem Knoten zurückgebunden. Egwene hielt sie größtenteils für eine überragende Oberin der Novizinnen. Obwohl sie sie geradezu lächerlich oft bestraft hatte. Vielleicht auch gerade deswegen. Silviana tat ihre Pflicht. Das Licht wusste, dass es in der letzten Zeit nur wenige in der Burg gab, von denen man das behaupten konnte!

Silviana schaute auf und begegnete Egwenes Blick im Spiegel. Sie legte den Riemen schnell zur Seite und tilgte sämtliche Gefühle aus dem Gesicht. Egwene drehte sich ganz ruhig um.

Silviana seufzte untypischerweise. »Wann wollt Ihr damit aufhören, Kind?«, fragte sie. »Ich muss zugeben, dass Ihr Euren Standpunkt recht bewundernswert bewiesen habt, aber Ihr müsst wissen, dass ich Euch so lange bestrafen werde, bis Ihr nachgebt. Die angemessene Ordnung muss aufrechterhalten werden.«

Egwene ließ sich ihre Verblüffung nicht anmerken. Abgesehen von Befehlen oder Missbilligung sprach die Oberin der Novizinnen sie nur selten an. Aber ihre Fassade hatte auch schon zuvor Sprünge gezeigt ...

»Die angemessene Ordnung, Silviana?«, fragte sie. »Wie die, die in der ganzen Burg praktiziert wird?«

Silvianas Lippen wurden zu einem dünnen Strich. Sie drehte sich um und notierte etwas in ihrem Buch. »Ich sehe Euch morgen früh. Jetzt geht zum Abendessen.«

Die morgendliche Bestrafung würde erfolgen, weil sie die Oberin der Novizinnen mit ihrem Namen angesprochen hatte, ohne am Ende den Ehrentitel »Sedai« hinzuzufügen. Und vermutlich weil sie beide wussten, dass sie keinen Knicks machen würde, bevor sie ging.

»Ich kehre morgen früh zurück«, sagte Egwene, »aber das Abendessen muss warten. Man hat mir befohlen, heute Abend Elaida beim Essen zu bedienen.« Die Sitzung bei Silviana hatte lange gedauert - sie hatte eine ordentliche Liste an Verfehlungen mitgebracht -, und jetzt würde sie keine Zeit zum Essen mehr haben. Ihr Magen protestierte schon.

Einen kurzen Augenblick lang zeigte Silviana so etwas wie ein Gefühl. War es Überraschung? »Warum habt Ihr vorhin nichts davon gesagt?«

»Hätte das etwas geändert?«

Silviana reagierte nicht auf die Frage. »Dann esst Ihr eben, nachdem Ihr der Amyrlin gedient habt. Ich werde der Herrin der Küchen die Anweisung zukommen lassen, Euch etwas zu verwahren. Wenn man bedenkt, wie oft Ihr in diesen Tagen Geheilt werdet, Kind, werdet Ihr Eure Mahlzeiten brauchen. Ich lasse nicht zu, dass Ihr wegen mangelnder Nahrung zusammenbrecht.«

Streng, aber gerecht. Eine Schande, dass diese Frau ihren Weg zu den Roten gefunden hatte. »In Ordnung«, sagte Egwene.

»Und nach dem Essen«, sagte Silviana und hob einen Finger, »werdet Ihr mir einen erneuten Besuch abstatten, weil Ihr Euch respektlos gegenüber dem Amyrlin-Sitz gezeigt habt. Ihr habt nicht das Recht, sie einfach nur ›Elaida‹ zu nennen, Kind.« Sie wandte sich wieder ihrem Buch zu und fügte hinzu: »Außerdem weiß allein das Licht, welchen Ärger ihr heute Abend bekommen werdet.«

Als Egwene den kleinen Raum hinter sich ließ und den breiten Korridor mit den grünen und roten Bodenfliesen betrat, dachte sie über diese letzte Bemerkung nach. Vielleicht war es doch keine Überraschung gewesen, die Silviana gezeigt hatte, als sie von ihrem Besuch bei Elaida gehört hatte. Vielleicht war es einfach nur Mitgefühl gewesen. Elaida würde nicht erfreut reagieren, wenn sie sich ihr auf die gleiche Weise widersetzte wie allen anderen in der Burg.