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Aber Egwene hielt den Mund. Bei dieser Begegnung ging es ums Überleben. Zum Nutzen der Burg konnte sie die Schmerzen des Riemens ertragen. Konnte sie auch Elaidas Arroganz ertragen?

»Keinen Knicks?«, fragte Elaida, als sie den Raum betrat. »Man sagte ja schon, Ihr wärt stur. Nun, dann werdet Ihr am Ende dieser Mahlzeit die Oberin der Novizinnen besuchen und sie über dieses Versäumnis informieren. Was haltet Ihr davon?«

Dass du eine Seuche bist, die dieses Gebäude befallen hat, so widerwärtig und zerstörerisch wie alle Krankheiten, die diese Stadt und ihre Bewohner in der Vergangenheit heimgesucht haben. Dass du ...

Egwene senkte den Blick. Und neigte den Kopf, obwohl sie die Scham bis in die Knochen spürte.

Elaida lachte und verstand die Geste genauso, wie sie sie verstehen sollte. »Ehrlich, ich hätte gedacht, dass Ihr mehr Ärger macht. Anscheinend versteht Silviana ihr Handwerk. Das ist gut; ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass sie sich wie viel zu viele in der Burg in letzter Zeit vor ihren Pflichten drückt. Nun, beeilt Euch. Ich werde nicht den ganzen Abend aufs Essen warten.«

Egwene ballte die Fäuste, sagte aber kein Wort. An der hinteren Wand stand ein langer Serviertisch mit mehreren Silberplatten; die heißen Speisen versahen die auf Hochglanz polierten Wärmeglocken mit Kondenswasser. Dort stand auch eine Suppenterrine aus Silber. Die Graue Schwester drückte sich an der Tür herum. Beim Licht! Die Frau hatte Angst. Nur selten hatte sie bei einer Schwester so einen Ausdruck gesehen. Was war der Grund dafür?

»Kommt, Meidani«, sagte Elaida zu der Grauen. »Wollt Ihr da den ganzen Abend herumstehen? Setzt Euch!«

Egwene verbarg ihren schockierten Gesichtsausdruck. Meidani? Sie gehörte zu den Frauen, die Sheriam und die anderen als Spione in die Weiße Burg geschickt hatten! Während sie sich mit dem Inhalt der Platten vertraut machte, warf sie einen schnellen Blick über die Schulter. Meidani hatte ihren Weg zu dem schmalen, weniger verzierten Stuhl an Elaidas Seite gefunden. Putzten sich die Grauen immer so zum Essen heraus? An ihrem Hals funkelten Smaragde, und das Kleid in dem gedämpften Grünton war aus kostbarer Seide geschneidert und betonte einen Busen, der bei einer anderen Frau durchschnittlich gewesen wäre, an Meidanis schlankem Körper aber üppig erschien.

Beonin hatte die Grauen Schwestern gewarnt, dass Elaida wusste, dass sie Spione waren. Also warum war Meidani nicht aus der Burg geflohen? Was hielt sie hier?

Nun, wenigstens ergab der entsetzte Gesichtsausdruck der Frau nun einen Sinn. »Meidani«, sagte Elaida und trank aus einem Weinpokal, »Ihr seht heute ausgesprochen blass aus. Habt Ihr nicht genug Sonne abbekommen?«

»Ich habe viel Zeit mit den historischen Aufzeichnungen verbracht, Elaida«, sagte Meidani mit schwankender Stimme. »Habt Ihr das vergessen?«

»Ach ja, stimmt«, sagte Elaida nachdenklich. »Es ist schön, dass wir bald wissen, wie man in der Vergangenheit mit Verrätern umgegangen ist. Das Enthaupten erscheint mir als Bestrafung viel zu einfach. Die, die unsere Burg entzweien, die ihren Treuebruch mit Stolz verkünden, für sie wird man eine ganz besondere Belohnung brauchen. Nun, dann macht mit Eurer Suche weiter.«

Meidani setzte sich und legte die Hände in den Schoß. Jede andere als eine Aes Sedai hätte sich den Schweiß von der Stirn tupfen müssen. Egwene rührte die Terrine um und hielt die Schöpfkelle so fest, dass ihre Knöchel weiß hervortraten. Elaida wusste Bescheid. Sie wusste, dass Meidani eine Spionin war, und trotzdem hatte sie die Frau zum Essen eingeladen. Um mit ihr zu spielen.

»Beeilt Euch, Mädchen«, fauchte Elaida sie an.

Egwene nahm die Terrine, deren Griffe sich warm anfühlten, und trat an den kleinen Tisch. Sie füllte die Suppenteller mit einer braunen Brühe, in der Königinnenkronenpilze schwammen. Sie roch so stark nach Pfeffer, dass jeder andere Geschmack nicht herauszuschmecken sein würde. So viele Nahrungsmittel verdarben, dass die Suppe ohne Gewürze ungenießbar sein würde.

Mechanisch arbeitete sie, wie ein vor einen Karren gespannter Ochse. Sie musste keine Entscheidung treffen, sie musste nicht reagieren. Sie arbeitete einfach. Sie füllte präzise die Suppenteller, dann holte sie den Brotkorb und legte je ein Stück - nicht zu knusprig - auf kleine Porzellanbrotteller. Sie kehrte mit zwei runden Stücken Butter zurück, die mit ein paar Messerschnitten schnell, aber präzise von einem größeren Stück abgeschnitten worden waren. Als Tochter eines Schankwirts hatte man schnell gelernt, Essen auf die angemessene Weise zu servieren.

Die ganze Zeit über kochte sie innerlich. Jeder Schritt war eine Qual, und das nicht nur wegen des noch immer brennenden Hinterns. Dieser körperliche Schmerz erschien nun seltsamerweise völlig unbedeutend. Er war zweitrangig neben der Qual, den Mund zu halten, der Qual, sich davon abzuhalten, diese schreckliche Frau, die so majestätisch und so arrogant dort saß, in die Schranken zu weisen.

Als die beiden Frauen mit der Suppe anfingen - die Getreidekäfer im Brot ignorierten sie demonstrativ -, zog sie sich an die Seite zurück und stand stocksteif da, die Hände vor dem Körper verschränkt. Elaida sah sie an, dann lächelte sie, sah anscheinend ein weiteres Zeichen der Unterwürfigkeit. In Wirklichkeit traute sich Egwene zu keiner Bewegung, denn sie hatte die Befürchtung, dass jede Aktivität damit enden würde, Elaida eine schallende Ohrfeige zu verpassen. Licht, war das schwer!

»Was erzählt man sich so in der Burg, Meidani?«, fragte Elaida und tauchte ihr Brot in die Suppe.

»Ich ... ich habe nicht viel Zeit, mich zu unterhalten ...«

Elaida beugte sich vor. »Ach, Ihr müsst doch sicherlich etwas wissen. Ihr habt Ohren, und selbst Graue klatschen. Was sagt man über diese Rebellen?«

Meidani wurde noch blasser. »Ich ... ich ...«

»Hm«, sagte Elaida. »Als wir noch Novizinnen waren, da wart Ihr viel schlagfertiger, Meidani. Ihr habt mich in diesen letzten paar Wochen nicht unbedingt beeindruckt. Langsam frage ich mich, warum Euch je die Stola verliehen wurde. Vielleicht hat sie ja nie auf Eure Schultern gehört.«

Meidani riss die Augen weit auf.

Elaida lächelte sie an. »Ach, ich mache nur Spaß, Kind. Esst.«

Sie machte nur Spaß! Scherzte darüber, wie sie einer Frau die Stola gestohlen und sie so sehr gedemütigt hatte, dass sie aus der Weißen Burg floh. Beim Licht! Was war nur mit ihr geschehen? Egwene war der Roten schon zuvor begegnet, und sie war zwar streng erschienen, aber nicht tyrannisch. Macht veränderte die Menschen. In Elaidas Fall hatte es den Anschein, dass die Position des Amyrlin-Sitzes ihr Strenge und Ernst genommen und sie durch unbesonnenes Machtgehabe und Grausamkeit ersetzt hatte.

Meidani schaute auf. »Ich ... ich habe gehört, dass Schwestern ihre Sorge wegen der Seanchaner zum Ausdruck brachten.«

Elaida winkte gleichgültig ab, nahm einen Löffel Suppe. »Pah. Sie sind zu weit weg, um eine Gefahr für uns darzustellen. Ich frage mich, ob sie nicht im Geheimen für den Wiedergeborenen Drachen arbeiten. Wie dem auch sei, ich vermute, dass die Gerüchte über sie größtenteils übertrieben sind.« Elaida sah Egwene an. »Es ist eine Quelle ständiger Erheiterung für mich, dass manche alles glauben, was sie hören.«

Egwene konnte nicht sprechen. Sie hätte nicht einmal stammeln können. Was würde Elaida wohl von diesen »übertriebenen« Gerüchten halten, wenn ihr die Seanchaner ein kaltes A'dam um den dummen Hals legten? Manchmal konnte Egwene den Ring auf der Haut fühlen, wo er juckte und unbeweglich war. Manchmal bereitete es ihr leichte Übelkeit, dass sie sich frei bewegen konnte, als wäre sie tief im Inneren der Ansicht, eingesperrt zu gehören, mit einem einfachen Metallreifen an einen Pfosten gekettet.

Sie wusste, was sie geträumt hatte, dass diese Träume prophetischer Natur waren. Die Seanchaner würden die Weiße Burg angreifen. Elaida hatte ihre Warnungen offensichtlich als Unsinn abgetan.