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»Ja, Mutter«, sagte Silviana. Dann fügte sie mit leiser Stimme hinzu: »Ich vermute, ich werde mich daran gewöhnen müssen, dass sich viele Dinge verändern werden.«

»Das fürchte ich auch«, sagte Egwene. »Da ist nicht zuletzt die Notwendigkeit, eine fähige Oberin der Novizinnen auszusuchen, die mit Hunderten neuer Initiierten fertig wird - von denen viele das übliche Alter hinter sich gelassen haben. Ich habe bereits damit begonnen, jede Frau zur Ausbildung zuzulassen, die eine Begabung im Machtlenken zeigt, ganz egal, welchen Alters. Ich vermute, dass es nicht lange dauert, bis die Weiße Burg vor Novizinnen aus allen Nähten platzt.«

»Dann werde ich schnell Vorschläge für meine Nachfolgerin erarbeiten, Mutter«, sagte Silviana.

Egwene nickte zufrieden. Zweifellos würden Romanda und Lelaine außer sich sein, wenn sie entdeckten, dass Egwene Silviana gewählt hatte, aber je länger sie darüber nachdachte, desto besser gefiel es ihr. Nicht nur, weil Silviana eine Rote war, sondern weil sie so fähig war. Saerin wäre eine gute Wahl gewesen, aber viele hätten sie als Egwenes Führerin und vielleicht die eigentliche Macht hinter dem Sitz betrachtet. Die Wahl einer Blauen hätte bei dem gegenwärtigen Zustand der Burg für neuen Unfrieden gesorgt. Und davon abgesehen würde es einer Amyrlin, die den Rebellen angehört hatte - das würde keiner vergessen, was auch immer Egwene sagen oder tun würde -, nur bei den Bemühungen zur Aussöhnung helfen können, eine Loyalistin zu Behüterin zu haben.

Es dauerte nicht lange, bis sie den Großen Platz der Burg auf der Ostseite des Gebäudes erreicht hatten. Genau wie sie befohlen hatte, standen die Frauen nach Ajahs aufgestellt dort. Egwene hatte diesen Ort ausgewählt, weil dort eine hohe Treppe mit einem breiten Absatz zum Turm hinaufführte. Dort blieb sie stehen und wandte der mit prächtigen Schnitzereien versehenen Tür den Rücken zu. Es war der perfekte Ort, um vor einer Menge eine Ansprache zu halten.

Außerdem befand man sich dort genau zwischen den beiden Flügeln, die während des Angriffs in der vergangenen Nacht den größten Schaden davongetragen hatten. Vom Ostflügel stieg noch immer Rauch auf; die Kuppel war eingestürzt, eine der Wände war zusammengebrochen. Aber aus diesem Blickwinkel war der Turm selbst relativ unbeschädigt, keines der klaffenden Löcher war direkt zu sehen.

Egwene konnte die Gesichter sehen, die sich an den unteren Fenstern drängten. Aes Sedai und Novizinnen beobachteten sie. Anscheinend hatte Egwene Gelegenheit, auch die Mehrheit der verbliebenen Bewohner der Weißen Burg anzusprechen. Sie erschuf ein Gewebe, um ihre Stimme zu verstärken. Kein Brüllen, aber laut genug, dass man sie sowohl hinten wie auch vorn hören konnte.

»Schwestern«, sagte sie, »Töchter. Man hat mich auf die angemessene Weise zur Amyrlin erhoben. Beide Seiten dieses Konflikts haben mich erwählt. Beide sind den vorgeschriebenen Verfahrensweisen gefolgt, und beide akzeptieren mich jetzt als ihre Amyrlin. Die Zeit ist gekommen, sich wieder zu vereinen.

Ich werde nicht so tun, als hätte unsere Spaltung nicht stattgefunden. Wir von der Weißen Burg neigen manchmal viel zu schnell dazu, die Tatsachen zu vergessen, die wir nicht hören wollen. Diese Ereignisse kann man nicht verbergen, nicht vor uns, die wir sie erlebt haben. Wir waren entzweit. Wir hätten beinahe Krieg gegeneinander geführt. Wir haben Schande über uns gebracht.

Ihr Rebellen vor mir habt etwas Schreckliches getan. Ihr habt die Burg gespalten und eine rivalisierende Amyrlin erhoben. Zum ersten Mal in der Geschichte haben Aes Sedai Truppen gegen andere Aes Sedai aufgestellt. Ich habe diese Truppen angeführt. Diese Schande ist mir bewusst.

Ob notwendig oder nicht, es ist eine Schande. Und darum brauche ich Euer Schuldeingeständnis. Ihr müsst die Verantwortung für Eure Verbrechen übernehmen, selbst die, die im Namen eines übergeordneten Wohls geschahen.«

Egwene betrachtete die auf dem Hof versammelten Aes Sedai. Falls ihr Befehl, sich in Rängen aufzustellen - und dann auf sie zu warten - ihnen ihre Einstellung nicht klargemacht hatte, dann würden das vielleicht ihre Worte tun.

»Ihr seid nicht ruhmreich hergekommen«, sagte Egwene zu ihnen. »Ihr seid nicht siegreich hergekommen. Denn es gibt keinen Sieg, und es hätte auch keinen Sieg geben können, wenn Schwester gegen Schwester gekämpft hätte und Behüter andere Behüter getötet hätten.« Sie bemerkte, dass Siuan ganz vorn stand und ihren Blick über die Distanz erwiderte. Leane war auch da; sie sah mitgenommen von ihrer langen Gefangenschaft aus, aber sie stand aufrecht da.

»Auf beiden Seiten wurden Fehler gemacht«, sagte Egwene. »Und wir werden alle hart daran arbeiten müssen, um das wieder in Ordnung zu bringen, was wir getan haben. Schmiede behaupten, dass man kein Schwert flicken kann, wenn es einmal zerschmettert wurde. Es muss von Grund auf neu geschmiedet werden, man muss das Eisen zu Schlacke schmelzen und es dann von neuem bearbeiten und formen.

Die folgenden Monate werden wir uns neu formen. Wir wurden gebrochen, dann fast bis zu den Wurzeln ausgerissen. Die Letzte Schlacht rückt näher, und vor ihrem Eintreffen will ich dafür sorgen, dass wir wieder ein mit Kraft geschmiedetes Schwert sind, unversehrt und ungebrochen! Ich werde Euch viele Forderungen stellen. Sie werden schwer sein. Sie werden Euch bis an die Grenze dessen treiben, was Ihr glaubt ertragen zu können. Ich werde diese Brandlöcher nehmen und sie stopfen! Es wird Anpassungen geben müssen, denn es gibt zu viele Sitzende für den Saal, ganz zu schweigen von den fünf Anführerinnen der Ajahs, die übrig sind. Einige von Euch werden zurücktreten und sich demütig vor jenen verbeugen müssen, die sie verabscheuen.

Diese Tage werden eine Prüfung für Euch sein! Ich werde Euch dazu zwingen, mit jenen zu arbeiten, die Ihr noch vor Stunden als Eure Feinde betrachtet habt. Ihr werdet an der Seite jener marschieren, die Euch verschmäht oder verletzt haben oder Euch hassen.

Aber wir sind stärker als unsere Schwächen. Die Weiße Burg steht, und wir stehen mit ihr! Wir werden wieder vereint sein! Wir werden eine Versammlung sein, von der man Geschichten erzählt! Wenn ich mit Euch fertig bin, wird man nicht schreiben, dass die Weiße Burg schwach war. Angesichts unserer Siege wird man unsere Spaltung vergessen. Man wird sich an uns nicht als die Weiße Burg erinnern, die sich gegeneinander wandte, sondern als die Weiße Burg, die im Angesieht des Schattens mit aller Kraft Widerstand leistete. Diese Tage werden zur Legende werden!«

Jubel ertönte, größtenteils von Novizinnen und Soldaten, da die Aes Sedai selbst viel zu reserviert für diese Art von Benehmen waren. Größtenteils jedenfalls. Ein paar der jüngeren stimmten ein, gefangen vom Augenblick. Glücklicherweise kam dieser Jubel von beiden Seiten. Egwene ließ sie einen Augenblick lang schreien, dann hob sie die Arme und brachte sie zum Schweigen.

»Es soll sich im ganzen Land verbreiten!«, rief sie. »Davon soll gesprochen werden, man soll sich darauf verlassen können, man soll sich daran erinnern. Die Weiße Burg steht vereint. Und niemand, weder Mann, Frau noch Schöpfung des Schattens, wird uns je wieder entzweit sehen!«

Dieses Mal war der Jubel beinahe ohrenbetäubend, und überraschenderweise stimmten mehr Aes Sedai darin ein. Egwene senkte die Hände.

Sie hoffte, dass sie auch noch in den kommenden Monaten jubelten. Denn vor ihnen lag viel Arbeit.

47

Den er verlor

Rand kehrte nicht sofort in seine Gemächer zurück. Das gescheiterte Treffen mit den Grenzländern hatte ihn aus dem Gleichgewicht gebracht. Nicht wegen ihres geschickten Versuchs, ihn nach Far Madding zu locken - das war enttäuschend, aber kam nicht gerade unerwartet. Andere versuchten ständig, ihn zu kontrollieren und zu manipulieren. Die Grenzländer machten da keine Ausnahme.