Die Hörner verkündeten schmetternd den Eintritt der Hochzeitsgesellschaft. Zuerst kam eine Ehrenwache aus Schildwachen mit Lanzen, die abwechselnd das Mondbanner der Schwesternschaft und den Wappenrock vom Zirkel des Cenarius trugen, ein großes Blatt, aus dem ein riesiges Geweih erwuchs. Ihnen folgte eine feierliche Prozession von Druiden und Mitgliedern der Schwesternschaft. Hinter ihnen kamen ernst blickende Veteranen der Schildwachen, ausnahmslos handverlesen von Generalin Shandris.
Und dann – zuletzt – erschienen Malfurion Sturmgrimm und Tyrande.
Malfurion hatte das Kinn hoch erhoben, das Geweih war himmelwärts gerichtet. Er trug einen langen Umhang aus Waldblättern und einen Brustpanzer, der aus herabgefallenem Holz gefertigt war. Darauf war der Weltenbaum eingraviert, mit dem Zeichen vom Zirkel des Cenarius darüber. Dazu trug der Erzdruide einen knielangen grünen Kilt und Sandalen.
Tyrande leuchtete im liebevollen Licht von Elune. Mutter Mond gab dieser Vereinigung ganz offensichtlich ihren Segen. Als sie vorbeiritt, knieten viele Nachtelfen automatisch nieder. Tyrande war wie eine Hohepriesterin gekleidet. Sie trug zudem ein großes Cape aus silberblauem Licht, das über ihr Reittier hinaus floss. Ihr mitternachtsblaues Haar war offen und lang, und obwohl sie so weise wie eine Herrscherin wirkte, schien doch ein wenig Jugend ihre gewaltige Schönheit zu veredeln, die, da waren sich alle sicher, von der Freude des Augenblicks herrührte.
Shandris und Broll ritten hinter dem Paar her, beide auch in lange Mäntel gekleidet, die denen des Erzmagiers und der Hohepriesterin glichen, aber nicht ganz so prachtvoll waren. Ihre Aufgabe war es, ihren jeweiligen Kameraden als Zeugen beizustehen. Eine Aufgabe, auf die sie ganz offen stolz waren.
In der Mitte blieb die Gruppe stehen. Malfurion und Tyrande stiegen ab und ergriffen die ausgestreckte Hand des jeweils anderen, dann schritten sie feierlich weiter. Broll und Shandris stiegen ebenfalls ab, traten zur Seite und hinter das Paar, wobei der Druide nahe bei seinem Mentor stand und die Generalin bei ihrer Herrscherin.
Die Ehrengarde, die Druiden und die Schwestern teilten sich in zwei Reihen auf, die sich in unterschiedliche Richtungen wandten.
Man hatte lange darüber diskutiert, wer die Zeremonie leiten sollte. Wären die Dinge anders gewesen, so glaubten viele, hätte Remulos es getan. Doch der Waldhüter erholte sich noch und war sehr schwach. Er war unter den Zuschauern, so wie einige andere, Elerethe Renferal etwa, die Naralex neben sich half. Bis zu diesem Zeitpunkt wussten nur die Hohepriesterin und der Erzdruide, wer es sein würde. Nicht einmal Broll und Shandris kannten die Wahrheit.
Malfurion und Tyrande waren bereit. Gemeinsam blickten sie zum Himmel auf.
Das Licht der Elune schien auf das Paar hinab. Doch etwas anderes erregte ihre Aufmerksamkeit.
Das Schlagen von Flügeln erklang aus der Höhe. Die Menge, darunter Lucan, Hamuul und Thura, folgten Malfurions und Tyrandes zufriedenem Blick.
Der Tauren blickte auf. Seine Augen waren nicht nur golden, es lag auch noch ein smaragdgrüner Glanz darin. Er hatte so viel von sich selbst gegeben, um Malfurion zu helfen, dass er genauso gezeichnet worden war. Lucan war jetzt nicht nur Hamuuls Schüler, sondern von König Varian – der von Malfurion und Broll erfahren hatte, wie viel sein Untertan zum Sieg beigetragen hatte – auch zum Meister-Kartografen von Sturmwind ernannt worden. Jetzt zeigte er besondere Freude bei dem fantastischen Anblick. Obwohl er sich damit ein paar entgeisterte Blicke einfing, winkte er, als würde er einen Freund unter den Drachen erkennen, die nun über ihnen kreisten.
Rote und grüne Drachen bevölkerten die Lüfte über Darnassus.
„Ganz ruhig“, sagte Malfurion, bevor Chaos ausbrechen konnte. „Sie sind als Freunde und Gäste hier...“
Die meisten Drachen schwebten noch, doch die vier größten landeten. Die beiden kleineren – eindeutig Männchen – ließen sich auf dickeren Ästen nieder.
Ein Lachen entfuhr Erzmagier Rhonin, der, wie das Brautpaar, den roten Drachen Korialstrasz kannte, den Hauptgemahl von Alexstrasza. Er war gemeinsam mit allen anderen erwacht und half aktiv beim Wiederaufbau von Azeroth mit.
Doch für die drei und Rhonins Gefährtin Vereesa war er gleichzeitig auch der mysteriöse Magier Krasus. Wie bei Rhonin konnte man ebenso leicht an Korialstrasz’ Gesichtsausdruck erkennen, dass der Drache diesen entscheidenden Moment um nichts auf der Welt hätte verpassen wollen.
Und natürlich war Korialstrasz in Begleitung seiner Königin gekommen. Alexstrasza schwebte genau über den Säulen, neben ihr flog Ysera.
Der grüne Drache wirkte erschöpft und mager, ihr titanischer Kampf hatte sie sehr mitgenommen. Doch sie trug auch einen Ausdruck enormen Stolzes auf ihrem Gesicht, und dieser Stolz galt Malfurion Sturmgrimm.
Die beiden großen Drachen schwebten noch einen Moment lang, dann landeten sie vor den erschreckten Augen des Publikums und verwandelten sich. Die Flügel wurden kleiner, und die Körper zogen sich zusammen. Die Drachen schwanden auf die Größe von Nachtelfen und nahmen eine ähnliche Gestalt an.
Alexstrasza wurde so, wie Broll und die anderen sie kennengelernt hatten, eine herrliche, feurige Göttin. Ysera war nicht weniger beeindruckend, obgleich ätherischer. In ein hauchdünnes smaragdgrünes Gewand gekleidet, wirkte sie ansonsten Alexstrasza sehr ähnlich. Nur ihre Haut war von blassem Grün und ihre Augen waren, wie üblich, geschlossen.
Die beiden Drachen lächelten die Hohepriesterin und den Erzdruiden an. Ysera nahm nahe Malfurion Platz, während sich Alexstrasza zu Tyrande setzte.
„Wir fühlen uns sehr geehrt, dass wir diese Verbindung der beiden Geister vollziehen dürfen“, sangen sie gemeinsam. „Doch in Wahrheit sind diese beiden Geister schon seit Beginn an eins gewesen...“
Die Drachen legten die Hände des Paars zusammen, dann schlossen sie ihre eigenen darum herum.
„Obwohl diese Zeremonie kurz sein soll, soll sie für immer zehntausend Jahre der Liebe und Bestimmung füreinander markieren“, fuhren Alexstrasza und Ysera fort. „Möge das Paar den Frieden finden, den es allen anderen gebracht hat und stets für andere opferte...“
Das Mondlicht schien auf das Hochzeitspaar und wurde stärker. Gleichzeitig entstand eine prächtige purpurrote Aura um Alexstrasza herum sowie eine smaragdgrüne um Ysera.
Die Auren vermengten sich mit dem Mondlicht und badeten die Hohepriesterin und den Erzdruiden darin.
„Der Segen unseres Volkes sei mit dir, Tyrande Wisperwind, Hohepriesterin der Elune und Herrscherin der Nachtelfen, und mit dir, Malfurion Sturmgrimm, Erzdruide und Anführer vom Zirkel des Cenarius...“
Nun erstrahlten Malfurion und Tyrande hell. Das Licht hätte alle geblendet, wäre es nicht gleichzeitig so unvergleichlich sanft gewesen.
„Dieser Tag soll in die Geschichte von Azeroth eingehen!“ Die Drachen zogen ihre Hände zurück. Das Leuchten der Auren und das Mondlicht vermischten sich immer noch um das frisch verheiratete Paar herum. „Doch am wichtigsten ist, dass sich diese beiden hier diesen Tag hoch verdient haben! Tyrande Wisperwind... Malfurion Sturmgrimm... wir segnen diese Verbindung... und als unser Geschenk... machen wir an diesem herrlichen Tag noch etwas ganz Besonderes...“
Den Gesichtern der Nachtelfen konnte man ansehen, dass sie genauso wenig wie die Zuschauer wussten, was diese Ankündigung bedeuten sollte. Als Antwort wiesen Ysera und Alexstrasza hin zu Teldrassils mächtiger Krone.
„Dieser Baum wurde ohne unseren Segen geboren...er wurde von den Druiden gereinigt und von, einem von uns gesegnet... Doch nun soll er noch einen besonderen Segen erhalten...so möge er nun durch uns unsere Wünsche für diese Welt und eine Zukunft, auf die wir stolz sein können, erhalten...“
Das Paar blickte auf Teldrassils Mitte. Die beiden Aspekte wiesen mit der Hand in diese Richtung. Malfurion und Tyrande lächelten beide verstehend.