Выбрать главу

Das Fehlen der Vögel und Tiere in der Gegend erschien auf einmal verständlicher.

Thura wartete, doch das Geräusch wiederholte sich nicht. Schließlich trat sie einen Schritt nach draußen, bereit, es mit jedem Gegner aufzunehmen.

Ein starker Wind kam plötzlich auf. So stark, dass er die stämmige Orcfrau fast in die Höhle zurückgedrängt hätte. Die ohnehin schon düstere Region wurde noch dunkler, als hätte jemand die Sterne und den Mond ausgeblendet.

Und dann geschah etwas. Ein großer Schatten legte sich über Thuras Aufenthaltsort. Er glitt über sie hinweg, tiefer in das Land hinein.

Die Orcfrau trat weiter hinaus und versuchte, mehr zu erkennen. In der Ferne verschwand die riesige Gestalt hinter dem Horizont.

Nachdem sie eine Weile abgewartet hatte, ob das Wesen sich wieder in den Himmel erheben würde, ging Thura in die Höhle zurück. Sie ließ sich nieder, behielt die Axt aber in der Hand. Ein schwacher Schimmer lag nun in ihren Augen.

Das war ein Zeichen gewesen. Als sie das letzte Mal geschlafen hatte, hatte sich der vorher immer gleiche Traum verändert. Es war ein Hinweis auf etwas gewesen – ein kurzes Aufleuchten, eine vage erkennbare Gestalt, die sie erst später richtig erkannt hatte.

Eine Gestalt, derjenigen sehr ähnlich, die Thura gerade gesehen hatte.

Dort war ein Drache gewesen.

6

Drachen und Täuschung

Malfurion spürte, wie der Schatten drohend über ihm aufragte, und wusste, was es bedeutete. Eine neue Folter stand bevor.

Die dunklen smaragdgrünen Linien breiteten sich weiter über ihn aus. Zuerst schienen sie schartige knochige Finger zu bilden, die sich dann aber als die Umrisse eines großen Baumes herausstellten, der selbst den Erzdruiden – oder das, was aus ihm geworden war – überragte. Doch obwohl sein Sichtfeld stark eingeengt war, wusste der Nachtelf, dass dem Schatten zum Trotz... kein anderer Baum erkennbar war.

Kannst du ihre Träume kosten?, säuselte der Albtraumlord. Kannst du ihre Ängste kosten? Seihst deine Liebsten sind nicht immun dagegen...

Malfurion antwortete nicht, obwohl er wusste, dass der Entführer immer noch seine Gefühle spüren konnte. Deshalb versuchte der Erzdruide fortwährend, sich auf sein Innerstes zu konzentrieren. Je ruhiger er blieb, desto größer waren die Hoffnungen für die anderen.

Und desto besser standen die Chancen, dass der Albtraumlord nichts von seinen wahren Bemühungen ahnte. Sein Entführer glaubte, dass die Zauber, die den Nachtelf umgaben, Malfurion daran hinderten, Kontakt über jemand anderen mit seiner geliebten Tyrande aufzunehmen. Und größtenteils stimmte das auch. Doch der Erzdruide konnte auf seine zehntausendjährige Erfahrung zurückgreifen. Dennoch wagte er es nicht, Tyrande oder andere Verbündete direkt zu kontaktieren.

Doch es gab noch andere Wege der Kommunikation, die wegen ihrer komplizierten Natur allerdings ein wenig Feingefühl erforderten. Wenn der Albtraumlord etwas davon mitbekam, war Malfurion ganz sicher verloren. Und mit ihm auch alles andere.

Der Schatten wuchs und wand sich, als ob der düstere Baum seine Beute besser erkennen wollte. Malfurion selbst wurde auch plötzlich verdreht. Der Baum der Qual, zu dem er geworden war, nahm einen neuen, finsteren Blickwinkel ein. Aus seinen Blättern entsprangen schwarze Blüten. Jede neu entstandene Blüte war wie eine Nadel, die man dem Nachtelfen ins Auge stach. Es waren Hunderte, die schon bald den größten Teil seines Oberkörpers bedeckten.

Auf jeder Blüte wuchs plötzlich ein smaragdgrünes Ei. Malfurion wollte schreien, konnte es aber natürlich nicht.

Aus einem der Eier platzte ein Ding mit Tentakeln und Flügeln heraus. Als es sich bewegte, triefte es nur so vor purem Schrecken.

Ein zweiter Gegner schlüpfte, gefolgt von einem dritten und immer weiteren. Sie krabbelten über Malfurion, kratzten und bissen.

Schließlich verließ die schreckliche Schar den Erzdruiden. Sie huschten um ihn herum, als würden sie auf Befehle warten.

Der Schatten kam näher, als wollte er sie liebkosen.

Geschaffen aus deinen eigenen Ängsten, angetrieben durch mein Verlangen... sie sind schön anzusehen, nicht wahr?

Wie auf ein unhörbares Signal hin breitete sich der Schwarm in verschiedene Richtungen aus. Die Krabbler verschwanden schnell in der Tiefe. Feuchter grüner Nebel umgab alles außer Malfurions unmittelbarer Umgebung.

Es gibt immer mehr Schläfer, mein Freund, immer mehr, die empfänglich sind für diese Tiere... ihre Albträume nähren mich durch dich und die anderen...

Malfurion bemühte sich zu verdrängen, dass seine eigenen Fähigkeiten dabei halfen, diesen Albtraum über den Smaragdgrünen Traum hinaus zu verbreiten. Doch die Sorge drang tief in ihn hinein. Eine Sorge, die sein Entführer unglücklicherweise spüren konnte.

Ja, mein Freund, du hast dein Volk verraten, deine Welt und deine Geliebten...du kennst die Wahrheit...

Der Körper des Erzdruiden wurde weiter verdreht. Ein neuer stummer Schrei hallte durch seinen Geist, aber er reichte nicht aus, um all den Schmerz zu lindern. Trotz seiner Ausbildung, trotz seiner Fähigkeiten konnte Malfurion den Schmerz der Folter nicht völlig unterdrücken.

Verfalle dem Wahnsinn, Malfurion Sturmgrimm... verfalle dem Wahnsinn... aber wisse, dass selbst der Wahn keine Zuflucht ist... ich weiß es... denn ich werde dort auf dich warten... es gibt keinen Ort, an dem du dich verstecken kannst...

Der Schatten des monströsen Baums verschwand aus Malfurions Sicht. Doch der Erzdruide konnte immer noch seine Gegenwart spüren. Als neue knorrige Zweige aus ihm heraussprossen, wo einst seine Arme gewesen waren, wurde Malfurion bewusst, dass der Albtraumlord gerade erst begonnen hatte, ihn zu benutzen. Der Nachtelf war der Schlüssel für den Plan dieser Kreatur. Weil Malfurion gleichermaßen eine mächtige Verbindung zu seinem Reich und nach Azeroth hatte.

Doch er war nicht der einzige Schlüssel. Malfurion wusste das nur allzu gut. Das Böse, der Albtraum, hatte noch andere, mächtigere Wesen als ihn gefangen... und wenn schon der Nachtelf ein furchtbares Schicksal erlitt, so dienten die anderen dem Albtraumlord auf noch verderbtere Weise. Sie waren nun willige Jünger der Finsternis, die sie eifrig verbreiteten. Sie wollten sehen, wie die ganze Ebene der Sterblichen davon verschlungen wurde.

Der Albtraumlord hatte Drachen, die ihm dienten. Grüne Drachen...

Etwas Unaussprechliches versucht, die Herrschaft über die Welt an sich zu reißen, dachte die von einer Kapuze bedeckte Gestalt, als sie die schwebenden Kugeln vor sich betrachtete. Auf einem Stuhl sitzend, der aus einem Stalagmiten gefertigt war, betrachtete die hagere, fast elfengleiche Gestalt die Bilder in jeder Kugel. Auf ihren Befehl hin zeigten sie Szenen von Orten überall in Azeroth.

Der Mann trug die violetten Gewänder der Kirin Tor, obwohl er nichts mehr mit ihnen zu tun hatte. Daran änderte selbst die Tatsache nichts, dass der Anführer dieser Magier sein ehemaliger Schüler war.

Bis auf Weiteres zumindest hatte Krasus mit den Zauberern gebrochen, sein eigener Weg verlangte es so. Er, der über die jüngeren Völker gewacht hatte, musste sich wieder einmal auf die Drachen konzentrieren. Denn nach vielen Jahrhunderten der Kontinuität veränderten sich die großen geflügelten Kreaturen plötzlich. Diese Entwicklung war Krasus ganz besonders wichtig.

Immerhin war er selbst einer von ihnen.

Vom Aussehen her war er schlaksig, mit raubvogelhaften Gesichtszügen und drei langen Narben, die seine rechte Wange hinunterliefen. Sein Haar war zum größten Teil silbern, mit vereinzelten schwarzen und roten Strähnen, obwohl man auch anhand des Silbers sein wahres Alter kaum erraten konnte. Dazu musste man in seine leuchtend schwarzen Augen blicken – Augen, wie sie kein Sterblicher hatte. Die Augen und die Narben waren die einzigen Hinweise auf seine Identität als großer Drache Korialstrasz.