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In seiner wahren Gestalt war er der Hauptgemahl der Königin der roten Drachen und des Aspekts des Lebens, der herrlichen Alexstrasza. Und als solcher war er ihr wichtigster Agent, wenn es um den Schutz von Azeroth ging.

Und so war es auch nun wieder. Denn es war eine Situation entstanden, die seine beiden großen Sorgenkinder betraf – Azeroth und sein eigenes Volk. Das Böse breitete sich nicht nur auf der Welt der Sterblichen aus, sondern es berührte auch den Smaragdgrünen Traum. Er hatte versucht, Ysera zu kontaktieren, doch er konnte sie nicht finden. Tatsächlich konnte er keinen der grünen Drachen aufspüren außer einem... und mit dem wollte Krasus nichts zu tun haben.

Er musste nicht erst danach fragen, wer wirklich dafür verantwortlich war. Für jeden anderen hätte es keine definitive Antwort gegeben, doch Krasus kannte sie genau. Er kannte das Böse dahinter aus tiefster Seele.

„Ich kenne dich, Zerstörer“, flüsterte er, als er eine andere Kugel betrachtete. „Ich kenne deinen Namen, Todesschwinge...“

Nur der schwarze Drache konnte dahinterstecken. Der verrückte Aspekt, der einst Neltharion genannt wurde, der Erdenwächter. Krasus stand auf. Er würde sofort handeln müssen...

Vertrautes Gelächter schallte durch seine Bergfeste, ein verstecktes Refugium, nicht weit entfernt von dem Ort, wo einst das fantastische Dalaran, die Stadt der Magier, gelegen hatte. Doch jetzt markierte ein klaffender Krater, was selbst Krasus hatte eingestehen müssen: Dass einer der erstaunlichsten – wenn auch potenziell katastrophalsten – Zauber, die je gewirkt wurden, dafür verantwortlich war. Dalarans Fehlen bedeutete, dass nur wenige einen Grund hatten, zu diesem trostlosen Ort zu kommen... es sei denn, sie suchten den Drachenmagier selbst.

Krasus ließ instinktiv die Bilder auf den Kugeln mit einem Handzeichen verschwinden – dann sah er mit Schrecken, dass sie alle nur eine einzige Vision zeigten. Es war ein Auge, das brennende Auge des Zerstörers...

„Todesschwinge...“

Gerade als er den Namen des schwarzen Drachen aussprach, explodierten die Kugeln. Scharfe Splitter flogen durch die Kammer und schlugen in die Steinwände und Kalksteinfelsen ein. Die meisten trafen aber Krasus. Der Zauber, den er wirkte, erwies sich als nutzlos, und der Angriff warf Krasus gegen den steinernen Stuhl.

Obwohl er gebrechlich wirkte, war sein Körper immer noch geschmeidiger als der jedes Elfen oder Menschen. Der Stein knackte, und Krasus und der Stuhl wurden umgeworfen. Doch der Magier achtete wenig auf die Kollision. Der Schmerz von den vielen Scherben, die in ihm steckten, war viel schlimmer.

Aber er kam wieder auf die Füße und bereitete den Gegenangriff vor. Obwohl er nicht so mächtig wie ein Aspekt war, gehörte Krasus zu den vielseitigsten und gerissensten seiner Art. Außerdem hatte Todesschwinge es gewagt, ihn in seinem Privatgemach anzugreifen, wo es jede Menge Dinge gab, die Alexstraszas Gemahl nützlich sein konnten.

Doch als er die Energien herbeirief, die er für seinen Zauber benötigte, leuchteten die Scherben grell auf. Ein Schock lief durch seinen Körper.

Die Scherben, die überall in seinem Privatgemach eingeschlagen waren, lösten sich von ihren Plätzen. Der schmerzgeplagte Krasus beugte sich vornüber. Sein Körper begann zu wachsen, die Arme und Beine bogen sich, wurden reptilienartiger. Aus seinem Rücken entsprossen zwei ledrige Flügel, die augenblicklich größer wurden.

Todesschwinges Gelächter erfüllte die Privatgemächer. Wieder leuchteten die Scherben. Krasus, mitten in seiner Verwandlung zu Korialstrasz, dem roten Drachen, wankte.

Die anderen Scherben erreichten ihn. Doch statt in Krasus einzuschlagen wie die vorhergehenden, blieben sie an seinem Körper haften. Krasus wollte sie wegbrennen, sie sogar abschütteln, doch es misslang.

Fest umschlossen sie seine Haut. Der Drachenmagier konnte sich nicht mehr bewegen. Zu seinem Schrecken stellte er fest, dass die Scherben von außen her drückten. Sie pressten ihn immer weiter zusammen, als hätte er keine Knochen, keine Substanz.

Und als die Scherben ihn völlig eingeschlossen hatten, wurde Krasus klar, dass er gefangen war. Nicht in einer Kugel, sondern in einer goldenen Scheibe.

Seine Augen weiteten sich. „Nein...“

Eine monströse Fratze glotzte ihn von draußen an. Es war das vernarbte und verbrannte Antlitz von Todesschwinge. „Korialstrasz...“

Als Antwort griff der Drachenmagier sein Gefängnis mit all seiner magischen Macht an. Doch statt die Scheibe zu schwächen, ließen seine Anstrengungen sie nur heller leuchten.

„Ja“, spottete Todesschwinge. „Nähre meine Schöpfung... das ist nur fair – die Letzte hast du ja zerstört...“

Krasus schüttelte den Kopf. „Das ist unmöglich...“

„O doch“, antwortete der schwarze Riese, sein Grinsen wurde breiter. „Du wirst meine Schöpfung für immer nähren, denn du wirst das Herz meiner neuen Dämonenseele sein...“

Die schreckliche Scheibe leuchtete. Krasus brüllte vor Schmerz.

Und dann, nur einen kurzen Augenblick lang, sah er sich selbst -oder eher sein wahres Ich, Korialstrasz – wie er in der Zuflucht im Berg schlief. Einen Augenblick später war die Vision schon wieder verschwunden, zu stark war der Schmerz. Doch Krasus hatte eine Idee. Er hatte sich gefragt, wie er von Todesschwinges Angriff derart hatte überrascht werden können. Er bezweifelte, dass der schwarze Drache das abscheuliche Artefakt wirklich neu erschaffen konnte.

Krasus kannte die Wahrheit.

Er träumte.

Sein wahres Ich war der schlafende Drache. Er war in einem Albtraum gefangen, wie er ihn nie zuvor erlebt hatte.

Mit diesem Wissen kämpfte Krasus gegen den Traum an. Sein Gefängnis war nicht echt. Todesschwinge war nicht echt. Es war alles nur eine Illusion.

Doch nichts geschah.

Todesschwinge lachte, sein Gesicht wurde durch die Scheibe verzerrt. „Ich werde deine Königin erobern und sie zu meiner Gefährtin machen! Meine Kinder werden die Lüfte beherrschen, und Azeroth wird zu Asche verbrannt. Das kurzlebige Ungeziefer, das du so sehr liebst, wird vernichtet!“

Das ist nur ein Traum, ein Albtraum!, widersprach Krasus. Ein Albtraum!

Doch obwohl er das wusste, obwohl er die Gründe dafür zu verstehen begann, vermochte Krasus nicht aufzuwachen...

Die Hippogryphen warteten unruhig nahe der Küste. Die geflügelten Tiere waren mit dem Terrain hier nicht vertraut. Sie kannten zwar den Weg nach Auberdine, doch der Ernst der Lage hatte es erfordert, dass sie nahe der Mondlichtung landen mussten.

Eins der Männchen – ein Fransenfeder-Hippogryph mit einem schönen blauen und türkisenen Federkleid – richtete sich auf seinen pferdeähnlichen Hinterbeinen auf. Die Priesterin, die die Reittiere unter Kontrolle halten sollte, murmelte schnell beruhigende Worte. Das Männchen fiel wieder zurück, die Krallen am Ende der vogelartigen Vorderbeine gruben sich in den Boden. Der mit einem Geweih geschmückte Kopf des Raubvogels senkte sich. Er wollte gestreichelt werden.

Die Schwestern von Elune waren allein. Die Druiden waren schon vorausgeflogen, wozu sie ihre wundersamen gestaltwandlerischen Fähigkeiten genutzt hatten. Tyrande hatte sie nicht gedrängt zu warten, sie wusste, dass Fandral es eilig hatte. Das kam ihr sehr zupass.

Sie beobachtete die Mondlichtung einen Moment lang, dann sagte sie zu ihren stets treuen Wachen: „Ich möchte für einen Moment allein sein. Wartet bitte hier.“

Der Vorschlag gefiel den Kriegerinnen offensichtlich nicht, doch sie gehorchten. Tyrande wandte sich von ihnen ab und ging zurück zu dem Wäldchen, aus dem sie gerade erst gekommen waren. Sie trat hinein und genoss das Mondlicht und die Stille.

Trotz der Ruhe der Umgebung stellte die Hohepriesterin fest, dass sie sich immer noch nach dem Frieden des Tempels sehnte. Sie hatte sich als Herrscherin ihres Volkes nie wohlgefühlt. Besonders dann nicht, wenn sie die Leben anderer in Gefahr bringen musste. Jedes Leben war ihr wertvoll. Sie erinnerte sich daran, wie die vorherige Herrscherin der Nachtelfen willentlich ihr Volk zu ihrem eigenen Ruhm abschlachten ließ. Für Azshara war das Volk dazu da, um nach ihrem Willen zu leben oder zu sterben.