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„Ihr nehmt natürlich mein Reittier“, sagte Shandris. „Wie ich schon sagte, ist es bereit für eine lange Reise. Außerdem gibt es kein besseres. Es ist nicht weit weg. Folgt mir einfach.“

Shandris wandte sich steif um und führte sie tiefer in den Wald hinein. Keine von ihnen sprach, aber beide waren tief in Gedanken versunken.

Nach fast fünf Minuten hörte Tyrande das Schnauben einer großen Kreatur. Als Shandris keinerlei Besorgnis zeigte, folgte die Hohepriesterin ihr.

Einen Augenblick später traten sie vor einen großen männlichen Hippogryphen, der an einer schweren Eiche angebunden war. Sein Federkleid war auffälliger als das anderer Tiere, die von der Gruppe geritten wurden. Die Federn waren dunkler, und rote Linien zierten die schwarzen Flügel. An den oberen Enden waren sie von einem leichten Türkis durchzogen. Purpurrote Federn begrenzten den ansonsten blauschwarzen Kopf. Der Hippogryph trug einen Schutzhelm und etwas Körperrüstung. Obwohl alle Hippogryphen kräftig gebaut waren, war dieser hier eigens für den Krieg gezüchtet worden.

„Er und ich sind schon oft zusammen in die Schlacht gezogen. Ihr könnt ihm so vertrauen wie mir“, sagte die Generalin leise. „Er heißt Jai’alator.“

„Edle Klinge der Elune“, übersetzte Tyrande. „Das ist ein stolzer Name.“

Der Hippogryph neigte den großen Kopf. Die geflügelten Tiere waren gewitzt. Sie besaßen eine eigene Intelligenz und wurden eher als Verbündete denn als Diener betrachtet. Sie erlaubten, dass man auf ihnen ritt.

„Es ist mir eine Ehre, mit Euch zu fliegen“, sagte Tyrande zu dem Hippogryphen.

Shandris löste die Zügel des Tiers und gab sie ihrer Herrin. „Er reagiert auf ‚Jai‘. Wenn Ihr niedrig über den Bäumen fliegt, werden die anderen Euch nicht sehen. Ich kehre gleich zu ihnen zurück und halte sie noch ein wenig auf.“

Nickend nahm die Hohepriesterin die Zügel entgegen. „Danke, Shandris.“ Tyrande gab ihr ein Letztes mit auf den Weg: „Shandris... seid auf der Hut.“

Die Augen der Generalin zogen sich zusammen. „Vor wem?“

Wie sollte sie erklären, wogegen sie gekämpft hatte? „Vor allem, was Elunes Licht verzehren muss...“

Shandris runzelte die Stirn, erwiderte aber nichts. Sie salutierte noch einmal, dann drehte sie sich um und schritt in Richtung der anderen Priesterinnen davon.

Die Hohepriesterin wischte sich eine Träne aus dem Augenwinkel, dann richtete sie ihre Gedanken auf ihre bevorstehende Reise... Eins der größten Probleme würde sein, Broll Bärenfell davon zu überzeugen, sie nach Eschental mitzunehmen.

Zum Großen Baum.

Und damit zum Tor in den Smaragdgrünen Traum.

7

Auberdine

Broll landete gerade außerhalb der Sichtweite von Auberdine. Er war bereits ungeduldig und wollte sich auf den Weiterweg machen. Obwohl sie offiziell zum Reich der Nachtelfen gehörte, mied sein Volk die Region, die nach dem merkwürdigen Nebel, der oft alles bedeckte, Dunkelküste genannt wurde. Es hatte Versuche gegeben, das Land zu besiedeln – einige davon nicht von seinem Volk -, doch alle waren fehlgeschlagen. Ruinen waren über die Wildnis verteilt, viele von ihnen beherbergten nun Gefahren für Reisende, die das Gebiet freiwillig oder gezwungenermaßen durchquerten.

Auberdine war die einzige Festung weit und breit, wenn man sie denn so nennen konnte. Es war ein düsterer Ort, und das meinten nicht nur die Nachtelfen. Selbst Menschen und Zwerge fanden ihn finster. Er schien immer von Sturmwolken gekrönt zu sein, und es wehte ein kühler Wind, der jedem durch die Seele schnitt. Auberdine war der Notwendigkeit geschuldet, dass Darnassus einen Ort auf dem benachbarten Festland brauchte, an dem es mit der Außenwelt Handel treiben konnte.

Die Bewohner der Hauptstadt schauten für gewöhnlich auf die Einwohner dieser Stadt herab. Ein Fehler, den Broll gelegentlich auch selbst beging. Auberdine wurde von Ausgestoßenen und Außenseitern bewohnt. Es gab zwar auch eine Wachgarnison und sogar einige Druiden. Doch sie hielten sich, soweit es möglich war, von den Einheimischen fern.

Broll fluchte, als er den Fuß schüttelte. In seiner Gestalt als Sturmkrähe wurden seine Arme zu Flügeln und seine Füße zu Krallen. Unglücklicherweise hatten einige der Knospen auf den Krallen gesessen, weshalb das Götzenbild jetzt an seinem Fuß klebte.

Broll holte verschiedene Kräuter aus einem Beutel an der Hüfte und verteilte sie über den Saft. Wie Schnee in der Sonne wurde der getrocknete Saft schließlich weich, dann schmolz er weg. Das Götzenbild von Remulos fiel unrühmlich zu Boden.

Broll hob es auf und blickte nach vorn. Der Pfad war dunkel, und obwohl das den Nachtelfen nicht sonderlich störte, fragte er sich, warum es, trotz des Nebels, keine Lichter am Horizont gab. Er konnte sich nicht erinnern, irgendein Leuchten während seiner Landung bemerkt zu haben. Auberdine hätte hell genug leuchten müssen, um von seinem Standort aus gesehen werden zu können. Und wenn das Licht auch nur von den anderen Völkern stammte, die die Siedlung regelmäßig besuchten.

Grunzend stapfte er weiter. Er hätte näher bei der Stadt landen können. Doch er wollte nicht mehr Aufmerksamkeit erregen als nötig war.

Broll versteckte das Götzenbild in seinem Umhang und bewegte sich schneller. Er hoffte, dass Fandral den Diebstahl noch eine Zeit lang nicht bemerken würde. Der Erzdruide hatte keinen Grund, nach der Figur zu schauen... doch Broll traute seinem Glück nicht.

Als er den Gipfel des Hügels erreichte, wurde der Druide vorsichtiger. Er konnte immer noch keine Beleuchtung in Auberdine erkennen, und aus dieser Nähe hätte der Nebel die Sicht nicht dermaßen stark einschränken dürfen.

Eine Vorahnung auf Schreckliches stieg in ihm auf. Broll überdachte seine frühere Entscheidung, nicht direkt zur Stadt zu fliegen. Er holte das Götzenbild wieder heraus und stellte es neben seinen Fuß.

Doch als er die Arme hob, erkannte er, dass er nicht allein war. Das Flattern von Flügeln ließ ihn augenblicklich an Fandral denken, der vielleicht schon Jagd auf den fehlgeleiteten Druiden machte. Aber was Broll am Himmel entdeckte, war keine Sturmkrähe, sondern die verschwommene Gestalt eines Hippogryphs.

Auf dem Tier saß ein Reiter. Obwohl er ihn nicht erkennen konnte, musste das Shandris Mondfeder sein.

Die Priesterin flog sehr niedrig, gerade über den Baumspitzen. Dann verschwand sie aus seiner Sicht, bevor er ihr ein Zeichen geben konnte. Broll bezweifelte, dass Shandris direkt in Auberdine landen würde. Wie er selbst würde sie einen Platz kurz hinter der Stadt wählen. Sie waren beide übervorsichtig, doch es war ein Wesenszug, der Broll bislang stets zum Vorteil gereicht hatte, und zweifelsfrei dachte die Generalin genauso... Vor allem, wenn man das merkwürdige Fehlen allen Lichtes bedachte.

Broll beendete schnell seine Verwandlung, dann griff er sich die Figur und stieg in die Lüfte auf. Wie der Reiter des Hippogryphen blieb er dicht über den Baumspitzen. Der Druide verfolgte den Weg des anderen, so gut er konnte. Doch er vermochte Shandris nirgendwo zu entdecken. Das bedeutete wahrscheinlich, dass sie bereits gelandet war.

Auberdine war nicht mehr weit entfernt. Die tief liegenden, hölzernen Gebäude erhoben sich wie nebelverhangene Grüfte vor ihm. Zumindest die Brücken und Pfade hätten beleuchtet sein müssen. Doch alles, was Broll sehen konnte, waren die bogenförmigen Umrisse von ein paar Gebäuden.

Was ist in Auberdine geschehen? Keiner der Druiden auf der Versammlung hatte irgendetwas Böses erwähnt. Und sicherlich waren doch ein paar von ihnen durch oder zumindest über diese Region gereist. Wenn hier etwas geschehen war, dann also während der letzten zwei Tage.

Der Druide landete. Er nahm wieder seine normale Gestalt an, versteckte aber das Götzenbild. Dann näherte er sich den Randbereichen der Stadt. Eine tödliche Stille war alles, was Broll empfing. In den Wäldern fehlten die Schreie der nächtlichen Kreaturen, nicht einmal Insekten waren zu hören.