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Der Albtraum war wütend.

Er verstand nicht, warum. Die Orcfrau schien entweder unfähig oder nicht willens zu sein, die Axt zu berühren.

„Was stimmt nicht, Thura?“, murmelte er. „Könnt Ihr sie nicht aufheben?“

Die Orcfrau schüttelte den Kopf. Sie blickte maßlos verwirrt zu dem Nachtelfen. „Ich... ich weiß nicht, Druide... ich weiß nicht... weiß nicht...“

Und gerade als sie das sagte, schloss sich der Nebel um sie. Broll spürte, wie sich die Wut des Albtraums auf sie konzentrierte. Obwohl er Thura die Axt weggenommen hatte, konnte er sie offensichtlich nicht benutzen. Deshalb hatte er auf jemanden gewartet, der es konnte.

„Du wirst sie führen, Orc“, erklang eine Stimme, die den Druiden erschaudern ließ, weil er wusste, wer da sprach. „Und durch dich wird diese Axt zu unserer Waffe werden...“

Eine große Faust erschien aus dem Nebel, von verfaulender Borke bedeckt. Aaskäfer krabbelten darüber. Sie traf Broll fest in die Seite. Er taumelte von der Orcfrau weg.

Knorre trat aus dem Nebel. Das korrumpierte Urtum grinste. Seine Augen hatten dieselbe Farbe wie der Albtraum. Dicke Äste entsprangen seinem Körper, und die boshaften Blätter, die Broll in seinen frühen Visionen gesehen hatte – Malfurions damaliger Versuch, Kontakt aufzunehmen – bedeckten nun die Kreatur.

„Ich benutze diese Waffe nicht für dich!“, brüllte Thura.

„Du wirst es tun...“, antwortete er mit einer Stimme, die genauso dem Albtraumlord gehörte wie auch Knorre.

Das Urtum griff nach ihr. Thura versuchte, sich zu bewegen, doch der Boden war wieder mit Aaskäfern bedeckt, und die Orckriegerin verlor den Halt. Als sie stürzte, platzte etwas aus dem Boden, das auf den ersten Blick wie schwarze Würmer wirkte. Aber es waren keine Würmer, sondern die Schatten der Wurzeln.

Die Wurzeln des Skelettbaums.

Doch selbst wenn sie nur Schatten waren, wollten sie doch die Orcfrau fesseln. Sie kämpfte dagegen an.

Broll stand wieder auf. Er hatte die ganze Zeit einen Angriff erwartet, allerdings nicht von Knorre. Deshalb war er zumindest zum Teil darauf vorbereitet gewesen. Dennoch hatte der Schlag ihm für den Moment die Luft geraubt.

Er sprang auf das Urtum und verwandelte sich dabei in eine Raubkatze. Doch so war er immer noch ein kleiner Gegner gegen Knorre.

Das korrumpierte Urtum wollte ihn wieder schlagen. Aber Broll war jetzt widerstandsfähiger. Er wand sich und duckte sich unter der großen Faust hindurch. Gleichzeitig kratzte er seinen Gegner am Bein.

Knorre schrie vor Schmerz und Wut. Er vergaß Thura und wandte sich der Raubkatze zu.

Der Traum und Azeroth werden schon bald dem Albtraum gehören...“, knurrte Knorre/der Albtraumlord. „Und für dich, Nachtelf, haben wir eine besonders schreckliche, ewige Vision...“

Schattenhafte Gestalten zogen sich aus allen Richtungen um die Katze zusammen. Broll blickte über seine Feinde hinweg zu Thura. Sie hatte eine Hand frei, eine Hand, die in Reichweite der Axt war. Wenn sie sie nur hätte greifen können...

Nein! Broll hätte die Wahrheit auch erkannt, wenn er nicht gesehen hätte, wie eine Wurzel die freie Hand mied. Der Albtraum will, dass sie die Axt ohne nachzudenken nimmt!

Der Albtraum konnte die Waffe aus irgendwelchen Gründen nicht selbst aufheben. Und ebenso wenig konnte es einer seiner korrumpierten Diener. Doch er glaubte offensichtlich, sie durch Thura benutzen zu können, wenn sie sie erst hatte.

Er versuchte, sie zu warnen, aber die Schatten wurden zu Satyren, die ihn sogleich umschwärmten. Broll wurde unter ihnen begraben. Sein letzter Blick galt Knorre, der sich zu Thura umdrehte.

Shan’do!, rief der Druide in seinen Gedanken. Malfurion!

Doch er bekam keine Antwort.

Malfurion hörte Brolls Warnung und versuchte zu antworten. Aber er spürte nur eine schreckliche Leere. Zuerst fürchtete er, dass Broll tot war... oder etwas noch Schlimmeres... Aber dann erkannte der Erzdruide, dass der Albtraumlord versuchte, den Kontakt zwischen den beiden zu unterbinden. Das konnte nur bedeuten, dass Xavius Malfurions Absichten erkannt hatte, was den Rest des Plans des Nachtelfen gefährdete.

Doch dann zweifelte Malfurion, ob der Plan überhaupt jemals eine Chance gehabt hatte. Er hatte sich darauf verlassen, dass Ysera da wäre, um alles zu koordinieren. Als Schüler der druidischen Lehren und Suchender im Smaragdgrünen Traum war Ysera für Malfurion und seine Brüder die führende Expertin, wenn es um die ineinander verflochtene Natur der beiden Reiche ging.

Ysera war immer noch bewusstlos, und Malfurion wusste, dass es nicht ihre Schuld war.

Tyrande und die Geister-Priesterinnen bildeten immer noch eine undurchdringliche Barriere gegen die Satyre, deren Körper an einigen Orten dreifach übereinandergestapelt lagen. Allerdings leuchteten sie selbst und die Geister jetzt weit weniger, und einige der ätherischen Priesterinnen waren schon ziemlich transparent geworden.

Tyrande verließ sich darauf, dass Malfurion sie rettete. Sie alle verließen sich darauf. Und auch wenn sie es nicht verstanden, verließ er sich auf sie ganz genauso. Sie alle wurden gebraucht, wenn er Erfolg haben wollte. Wenn er Azeroth retten wollte. Malfurion fletschte die Zähne und griff nach einer letzten Hoffnung.

Er berührte Alexstraszas Gedanken, doch jede Zuversicht, dass sie helfen könnte, schwand augenblicklich. Der Drache wurde selbst angegriffen. Furchterregende Energien attackierten das Portal von der anderen Seite aus, und für ein paar Augenblicke war es blockiert, nur um von dem Drachen mühevoll wieder geöffnet zu werden.

Malfurion fragte sich, warum Xavius dieses letzte Portal unbedingt schließen wollte. Es schien so unbedeutend...

Die Lebensbinderin schickte dem Nachtelf ihre Gedanken. Der Angriff hier wird immer wilder! Der Albtraum will das Portal unter allen Umständen versiegeln! Ich brauche meine ganze Kraft, um ihn davon abzuhalten! Ich kann nichts für dich tun!

Er hatte noch nicht einmal gefragt, aber sie hatte gewusst, warum er Kontakt zu ihr aufgenommen hatte. Dieser weitere Rückschlag schwächte Malfurions Entschlossenheit.

Der rote Drache sagte noch etwas, doch nun verlangten andere Stimmen in seinem Kopf Gehör. König Varian und seine Armee waren in schrecklicher Verfassung. Ihre physischen Körper fielen immer häufiger den Sklaven des Albtraums auf Azeroth zum Opfer. Brolls Schicksal war immer noch ein Rätsel, und Hamuul sandte nur eine kurze Bemerkung, dass korrumpierte Diener der Natur – Urtume, Dryaden und einige andere – die Druiden unter Druck setzten und Lucan willig unter der Führung des Tauren kämpfte.

Xavius – und der wahre Herr des Albtraums – standen unmittelbar vor ihrem Triumph.

Die direkten Auswirkungen all dessen konnte man nun bei Tyrande sehen. Sie, die Malfurion nicht nur liebte, sondern ihn auch unabdingbar für Azeroths Überleben hielt, wurde nun gequält wie nie zuvor. Die Hohepriesterin fiel auf die Knie, als sie mit der Mondlichtgleve drei Satyre davon abhielt, sie in Stücke zu reißen. Doch währenddessen schwand zuerst nur eine, dann eine zweite ihrer geisterhaften Mitstreiterinnen, wie so viele von Malfurions Hoffnungen.

Wild und hemmungslos drängten die Satyre vorwärts, um Tyrande und Malfurion zu überrennen.

Die Katastrophe, die Azeroth und den Smaragdgrünen Traum vereinnahmt hatte, war vergessen. Malfurion sah nur, dass Tyrande verloren war, wenn er nicht augenblicklich etwas unternahm. Nichts anderes zählte mehr. In diesem Moment interessierte es ihn nicht, ob Azeroth oder irgendetwas überlebte, wenn das bedeutet hätte, dass seine Geliebte dabei starb.