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Er spürte, wie das Schuldgefühl in ihm immer größer wurde. Eine Schuld, wie er sie noch nie zuvor erlebt hatte. Nicht zum ersten Mal sah Malfurion in seinem Geist all die Strapazen, die er Tyrande zugemutet hatte und wie sie ihn doch immer wieder unterstützt hatte. Er erinnerte sich auch an all die schönen Zeiten, als ihnen Frieden und Abgeschiedenheit vergönnt waren. Malfurion schätzte besonders den Bau der ersten neuen Hauptstadt der Nachtelfen nach dem Krieg der Ahnen. Durch seine druidischen Fähigkeiten und ihre Kräfte hatten sie eine große, lebendige Laube mitten im Zentrum geschaffen, die den Neuanfang ihres Volkes symbolisieren sollte. Insgeheim stand sie aber auch für ihre eigene tiefe Beziehung. Sie hatten die Eichen angeregt, ineinander zu wachsen, und mit Blüten besetzte Ranken verzierten dieses Konstrukt. Dann hatte Elune es durch ihre Hohepriesterin mit einem sanften weißblauen Leuchten versehen, wodurch die Laube ein Gefühl der Ruhe ausstrahlte, das jeder spürte, der sich darunter einfand.

Es war nur eine kleine Sache gewesen, klein, verglichen mit dem Ausmaß ihres titanischen Kampfes durch all die Zeitalter. Doch vielleicht schätzte es Malfurion deshalb so sehr. Es war etwas, das sie gemeinsam aus einfachen, reinen Gründen geschaffen hatten. Sie hätten sehr viel mehr gemeinsam tun können, wenn er es denn gewollt hätte. Sie hätte ihn wegen seiner langen Zeiten der Abwesenheit, während all der Jahrtausende, für immer verstoßen sollen... aber das hatte sie nicht getan. Trotz all ihrer anderen Aufgaben – und die waren außergewöhnlich – war Tyrande immer da gewesen und hatte auf ihn gewartet.

Und nun würde sie sterben, weil wieder einmal seine Aufgaben Vorrang vor ihr gehabt hatten.

„Nicht dieses Mal...“, knurrte der Erzdruide. „Niemals wieder!“

Mit verschränkten Händen rief Malfurion so gut er konnte seine innersten Kräfte an, die er gemeinsam mit Ysera gesammelt hatte, um bei der Flucht zu helfen. Ein Mahlstrom von Energien stieg vom Boden auf, während andere vom verdeckten Himmel herabsanken.

Der Boden hob sich. Ein grüner Wald spross daraus hervor, der die Satyre und Tyrande einschloss. Während die Feinde verschluckt wurden, wurde die Hohepriesterin sanft von dem plötzlichen Wachstum angehoben und von den hervorsprießenden Ästen zu ihrem Geliebten geleitet.

Als Xavius das ganze Land um ihn herum verschlungen hatte, waren die kleinen vertrockneten Samen seiner vielen Opfer zurückgeblieben. Sie waren für ihn so bedeutungslos gewesen, dass der Albtraumlord sie nicht einmal bemerkt hatte. Doch Malfurions druidische Kräfte hatten sie gefunden, wie tief oder lange sie auch vergraben gewesen sein mochten. Der Erzdruide hatte nicht nur ihr Potenzial wiederbelebt, sondern es zudem freigesetzt.

Zu Tyrande war der Wald freundlich gewesen. Doch die Satyre hatten einen schweren Tod erlitten. Dutzende waren aufgespießt worden, weil Malfurion keine Zeit für den Austausch von Freundlichkeiten hatte. Sie waren schnell gestorben, das war das Beste, was er für sie tun konnte.

Dennoch kamen immer mehr, und Malfurion, der befürchtete, sie könnten seine Geliebte immer noch erreichen, erbat von Azeroth mehr Kraft. Er kontaktierte Teldrassil und selbst Nordrassil, und beide gaben ihm zu seiner Erleichterung und großen Dankbarkeit, was er benötigte... auch wenn Nordrassil sich immer noch vom letzten Krieg gegen die Brennende Legion erholen musste.

Der Wind heulte immer lauter und stärker. Eine ganze Reihe Satyre wurde von ihm in den tödlichen Wald geblasen. Schließlich zögerten sie. Tyrande und Malfurion waren nicht das leichte Ziel, das ihnen ihr „Gott“ versprochen hatte. Malfurion war der Verdammte, dessen Stärke sie kaum fassen konnten.

Doch in Malfurions Augen reichte das Zögern nicht aus. Sie hatten Tyrande bedroht. Er warf sie zurück und zog Tyrande näher zu sich heran.

Plötzlich rief ihm die Hohepriesterin zu: „Macht Euch um mich keine Sorgen! Die anderen brauchen Euch mehr!“

Malfurion verminderte seinen Schutz nicht, aber er verstand, was sie meinte. Tatsächlich erfüllte ihn die Tatsache, dass er ihr Leben über alles andere gestellt hatte, mit einem neuen Sinn für sein eigenes Leben. Dabei meinte er nicht das Leben, das er dieser Welt gewidmet hatte. Er hatte seine neue Stärke darin gefunden, das Wertvollste des Nachtelfen Malfurion Sturmgrimm zu schützen, nicht das des großen Erzdruiden aus den Legenden.

So wie er es mit Azeroth getan hatte, schickte der gestärkte Malfurion seinen Willen nun in den Smaragdgrünen Traum und versuchte, mehr von seiner Energie anzuzapfen, um den Albtraum abzuwehren. Als der Smaragdgrüne Traum ihm gab, worum er bat, war er erleichtert. Mit diesen zusätzlichen Energien trieb der Erzdruide den Nebel von Varians Armee aus Traumgestalten fort. Die grünen Felder erstanden neu.

Doch noch bemerkenswerter war, dass nicht nur die Schattenkreaturen gemeinsam mit dem Nebel schwanden, sondern auch die Sklaven des Traums. Die Verteidiger mussten nicht mehr gegen die Abbilder ihrer früheren Kameraden und Geliebten kämpfen. Es war, als hätten sie nie existiert.

Ein Gefühl äußerster Ruhe erfasste Malfurion. Er kannte dessen Quelle, wusste, dass Tyrande zu Elune gebetet hatte, damit die Liebe der Hohepriesterin nicht nur Malfurion schützen sollte, sondern ihm auch weiterhin half. Die Ruhe und die Liebe, mit denen Tyrande sein Herz berührte, gaben Malfurion den Anstoß, noch weiter über seine Grenzen zu gehen. Dieses Mal kontaktierte der Erzdruide Azeroth und den Smaragdgrünen Traum gleichzeitig.

Es funktionierte. Mit Tyrandes Kraft, die ihm von innen her Mut machte, fühlte sich der Nachtelf noch stärker und erfrischter als durch die vereinte Kraft beider Reiche zusammen.

Dann musste er seine Gedanken wieder Ysera zuwenden. Er war sicher, dass sie ein integraler Bestandteil war, der es ihm erst ermöglichte, eine solche Kraft zu meistern. Doch zu seiner Überraschung war der riesige Drache extrem erschöpft und litt Schmerzen. Sie würde ihm sicherlich keine Hilfe sein...

Die Entdeckung schockierte Malfurion. Sie bedeutete, dass nur er und Tyrande den Albtraum in Schach hielten. Das hätte gar nicht sein dürfen...

Der Gedanke erlosch, als der Boden unter seinen Füßen bebte. Die neuen Bäume und die anderen bemerkenswerten Pflanzen, die er zum Blühen animiert hatte, wurden untergraben.

Riesige rote Wurzeln hoben die Bäume und auch die Satyre an. Mehrere Bäume flogen auf den Erzdruiden zu.

Malfurion wechselte in die Gestalt der Raubkatze und bewegte sich flink, um dem tödlichen Regen zu entkommen. Obwohl die Hohepriesterin sehr müde war, benutzte sie weiterhin Elunes Gaben, um Malfurion so gut zu schützen, wie es ging. Das Mondlicht blendete die Satyre, die durch die Lücken strömten, die von den Wurzeln geschaffen worden waren. Dabei hielt es die Wurzeln kurzzeitig in Schach, wenn auch nur für ein paar kritische Augenblicke.

Der Erzdruide brachte Tyrande an einen Ort zeitweiliger Sicherheit, dann kehrte er zurück. „Ihr müsst hier fort!“

„Seid vernünftig! Wo soll ich denn hin? Ganz Azeroth wird angegriffen! Wenn das Ende wirklich kommt, dann, bei Elune, will ich bis zum Schluss bei Euch sein! Wir haben gemeinsam zu viel verloren!“

„Und das ist alles meine Schuld“, stimmte Malfurion ihr zu.

Der Boden bebte erneut. Weitere Wurzeln schossen nahe ihren Füßen hoch. Tyrande warf schnell ihre Gleve und schlitzte dann eine Wurzel auf. Sie keuchte vor Anstrengung, doch sie gab nicht nach.

Malfurion griff in seinen schwindenden Vorrat an Kräutern und Pulvern. Er blies eine feine Wolke von grünen Sporen auf die näher kommenden Wurzeln.

Als die Sporen sie berührten, unterstützte der Erzdruide ihre Wirkung. Kleine, grabende Ranken entstanden. Die Sporen bohrten sich in die Wurzeln.

Die Wurzeln schrumpelten, als Hunderte von kleinen Löcher entstanden. Eine Wurzel fiel um. Aus den Löchern tropfte eine dicke, blutähnliche Flüssigkeit.

Doch dieselbe Flüssigkeit füllte die Löcher der übrig gebliebenen Wurzeln. Die kleinen Parasiten wurden ausgetrieben und starben.