Wir stehen an der Schwelle zu einer für unseren Planeten wie für uns selbst entscheidenden Phase. Um das zu erkennen, brauchen wir nur ein bisschen über den eigenen Tellerrand hinauszublicken. Sich auf eine spekulative Wissenschaft einzulassen ist nicht nötig. Es geht viel mehr darum zu lernen, im Rahmen geologischer Zeitmaßstäbe zu denken.
Aus einer solchen langfristigen Perspektive gesehen hat es den Anschein, als befänden wir uns in der Endphase eines lange anhaltenden Prozesses des Aussterbens, der der schrecklichen Zerstörung während der Perm-Eiszeit, die praktisch alle Lebewesen vernichtete, oder den Katastrophen der Kreidezeit, die die Saurier auslöschte, in nichts nachsteht.
Die Phase, in der wir leben, begann nicht erst vor 100, 1000 oder 10000 Jahren. Vielmehr setzte sie vor beinahe drei Millionen Jahren ein; und sie folgt einem Schema, das gilt, seit es Leben auf der Erde gibt.
Die Katastrophe, die unseren Planeten am Ende der Perm-Periode vor 270 Millionen Jahren beinahe unfruchtbar gemacht hätte, begann etwa zwei Millionen Jahre bevor sie ihren Höhepunkt erreichte. Ähnlich verhält es sich mit dem Ereignis, das das Ende der Saurier bedeutete: Es trat nach einer zwei Millionen Jahre dauernden Phase kontinuierlichen Niedergangs ein.
Auf dieser Skala lassen sich die letzten 15 000 Jahre als Endphase des gegenwärtigen Aussterbens auffassen, und die hundertjährige Periode seit dem Siegeszug der Industrialisierung gleicht hinsichtlich ihrer Folgen für die Lebensformen auf der Erde auf gespenstische Weise den Weltbränden und der Verschmutzung nach dem Meteoriteneinschlag, der das Ende der Saurier bedeutete. Selbst die Geschwindigkeit, mit der die Menschen andere Gattungen ausrotten, lässt sich mit dem Tempo vergleichen, in dem vor 65 Millionen Jahren Waldbrände und die Verdunkelung der Sonne zahllose Lebensformen vernichteten.
Ob die Menschheit ebenfalls zum Opfer ihrer eigenen zerstörerischen Gegenwart auf der Erde wird, lässt sich momentan noch nicht abschätzen. Wir müssen jedenfalls alles in unserer Macht Stehende unternehmen, um das zu verhindern. Überleben beginnt mit Verstehen – nicht nur der wahren Natur dessen, was abläuft, sondern auch dessen, was wir tun können, um eine Wende zu erreichen.
Unser, der Autoren, Weg zu dieser Lösung begann im Sommer 1998 in einer Zeit höchst ungewöhnlicher Wetterstörungen. Wie praktisch jedermann hatten wir vorher angenommen, dass die Hauptschuld am Klimawandel beim Menschen liegt: Unsere Industrie spuckte eben zu viele Ab- und Treibgase aus, was die Erderwärmung und die Belastung der Nahrungskette mit chemischen Abfällen und schließlich die Ausrottung von Tier- und Pflanzenarten zur Folge hatte.
Die Zeichen waren überall zu sehen. Ein mächtiger El Nino erwärmte den Mittleren Pazifik und löste von Südostasien bis nach Brasilien tropische Stürme aus. Und auf dem Festland herrschte zwischen dem nördlichen Argentinien und Florida Dürre. Auch wenn die Wissenschaft El Nino als periodisch wiederkehrendes Phänomen eingestuft hat, das immer dann eintritt, wenn die pazifischen Winde die Richtung wechseln und warmes Wasser aus dem westlichen Pazifik nach Osten treiben, ließ sich damit nicht erklären, warum die Stürme immer häufiger und aggressiver werden. Im September 1998 spekulierten einige Forscher, dass eine zunehmende vulkanische Tätigkeit unter dem Pazifikboden dazu beitragen könnte, während andere zum etwas konventionelleren Szenario mit der Erderwärmung als Hauptgrund neigten.
Wie auch immer, die Auswirkungen dieses El Nino waren die schlimmsten seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Es kam zu fürchterlichen Stürmen, unter anderem einem Taifun, der im Juni Guam heimsuchte und mit Böen von 370 Stundenkilometern bis dahin noch nie gemessene Spitzengeschwindigkeiten erreichte. Doch all diese Umwälzungen wurden in den Schatten gestellt, als in den tropischen Regenwäldern verheerende Brände ausbrachen, die übrigens schon 1985 in der Zeitschrift Nature’s End vorhergesagt worden waren.
Im Juni verdunkelte Rauch die Atmosphäre über Texas, als 1700 Kilometer weiter südlich in Südmexiko und Guatemala tagelang Brände wüteten. Die Bedingungen waren bedrückend für die Bevölkerung: stahlgrauer Himmel, stechender Geruch, eine rote Sonne während der Mittagszeit, akute Atemwegserkrankungen. Die Rauchwolke, eine der größten der Geschichte, erstreckte sich vom südlichen Polarkreis vor Argentinien bis nach Illinois im Nordwesten der USA. Überboten wurde sie nur noch von dem Qualm, der sich ausbreitete, als Brände im indonesischen Regenwald wochenlang nicht unter Kontrolle zu bekommen waren. Der Rauch war so dicht, dass im 2000 Kilometer entfernten Kuala Lumpur jenseits der Chinesischen See auch bei Tag Dunkelheit herrschte.
In der Mitte des Sommers endete El Nino abrupt, nur um von seinem Gegenstück, La Nina, ersetzt zu werden. Nun verdrängt eine kalte Strömung das warme Wasser aus dem Mittleren Pazifik, und die brachte auch nichts Gutes für das Klima mit sich, nämlich eine Häufung von Hurrikanen. 1998 war die Serie von tropischen Stürmen die schlimmste seit Jahrzehnten. Den traurigen Endpunkt stellte der Hurrikan Mitch dar, der in Honduras beispiellose Verwüstungen anrichtete.
Abgesehen davon, dass La Nina im Oktober 1998 so dicht auf El Nino folgte, spielte das Wetter im Mittleren Pazifik schon seit über zwei Jahren verrückt. Und bereits im selben Herbst zeichnete sich ab, dass in nicht allzu ferner Zukunft ein neuer El Nino sein Gegenstück ablösen wird. Was das für das Klima bedeutet, liegt auf der Hand: Das Wetter kann sich überhaupt nicht mehr beruhigen.
Der Frühling 1999 brachte noch wilderes Wetter mit Tornados in so weit voneinander entfernten Ländern wie China und Großbritannien. Ein ganzer Schwarm von Tornados fiel im Juni über die Vereinigten Staaten her. Und erneut wurde mit einer Windgeschwindigkeit von 500 Stundenkilometern ein neuer Rekord aufgestellt.
In den letzten zehn Jahren hat sich ein neues und immer bedrohlicheres Muster offenbart. Trotz aller Dramatik melden sich auch weiterhin beharrlich Stimmen zu Wort, die vehement darauf pochen, dass es »so etwas wie eine globale Erwärmung« nicht gebe. In unseren Augen beweist das einmal mehr die Fähigkeit des Menschen zur Selbsttäuschung.
Die Anzeichen eines sich beschleunigenden Massenaussterbens häufen sich, und wir müssen uns die Ursachen und seine Bedeutung bewusst machen. Dramatische Störungen in der Nahrungskette hätten letztendlich auch für uns verheerende Folgen. Solche Auswirkungen müssen wir nicht in jedem Fall unmittelbar zu spüren bekommen. Ein Beispiel könnten die Populationen der Zugvögel in Nordamerika sein, denen eine Vielzahl von belastenden Faktoren wie taghell beleuchtete Städte in den Nächten, abrupte Wetterwechsel während des Flugs oder Pestizide in der Nahrung mehr und mehr zusetzt. Wenn diese Vögel verschwinden, können sich die Tonnen und Abertonnen von Insekten, die sie fressen, ungezügelt vermehren, und das in einer Zeit, in der wärmeres Wetter die Populationen von Ungeziefer ohnehin explodieren lässt. Einer solchen Menge von Schädlingen ließe sich dann höchstens mit Giften beikommen, die wiederum die Nahrung ungenießbar machen würden.
In der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts haben sich immer mehr auf den ersten Blick kaum wahrnehmbare Gefahren für das Überleben von zahllosen Tier- und Pflanzenarten entwickelt und zu einer verhängnisvollen Kombination aus Umweltzerstörung und Klimawandel geführt. Die Lage wird von Tag zu Tag ernster.
In den Achtzigerjahren wurde die schützende Ozonschicht in der Atmosphäre über der Antarktis erst dünner, dann bekam sie Löcher. Ohne sie kann aber die ultraviolette Strahlung ungehindert zur Erdoberfläche durchdringen. Das wirkt sich negativ auf das Wachstum von Pflanzen aus, insbesondere derjenigen, die gezüchtet wurden, um schnell reif zu werden. Tieren, die dieser Strahlung ausgesetzt sind, drohen Augenschäden, Hautkrebs, Immunschwäche und genetische Defekte.