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Nach und nach organisiert sich ein halbes Dutzend Stürme zu größeren Systemen. Jetzt tritt ein völlig neues Phänomen auf: Die extrem vereiste Luft in den Wolkenspitzen, die bis in die Stratosphäre hinaufreichen, erreicht den Boden so schnell, dass sie sich nicht mehr erwärmen kann. Was immer diese Todessäulen berühren, gefriert binnen Minuten. Die Siedlungen in der Arktis sind von jedem Kontakt mit der Außenwelt abgeschnitten. Eine Möglichkeit, sie zu erreichen, gibt es nicht: Der Verkehr über Land ist zusammengebrochen, und Flugzeuge können nicht aufsteigen. Die Satelliten melden nichts von dem, was sich unter der dichten Wolkendecke abspielt. Die Opfer, von denen einige so schnell erfroren sind, dass ihnen das Abendessen noch im Mund steckt, wird man erst in Tausenden von Jahren finden. Wie bei den Mammuts, die ihnen im letzten Sturm vorangegangen sind, werden ihre Überreste der Zukunft offenbaren, dass etwas Rätselhaftes und Schreckliches geschehen sein muss, doch mit ihnen ist auch die Erinnerung an den Kataklysmus gestorben.

Während die Stürme sich weiter vereinigen, wird die tropische Strömung selbst zum Gefahrenherd. Dauerwinde mit einer Geschwindigkeit von über 230 Stundenkilometern fegen von Süden her über die Rocky Mountains hinweg und zerstören jede menschliche Siedlung, die ihnen im Weg ist. Nördlich der Linie Denver-Richmond ist kein Flugverkehr mehr möglich.

Im Weißen Haus wird eine Sonderkonferenz einberufen, aber die Vertreter der NOAA aus Colorado können nur per Telefon daran teilnehmen, weil inzwischen jede Reise zu langwierig und vor allem gefährlich wäre. Die Ankunft der Flüchtlingsströme aus dem Norden hat im mittleren Teil der Vereinigten Staaten eine Massenpanik ausgelöst, und weil sich nun immer mehr Menschen dem Treck nach Süden anschließen, drohen die Wirtschaft und der Dienstleistungsbereich zusammenzubrechen.

Während im Weißen Haus die Krisenkonferenz abgehalten wird, peitschen Böen mit Geschwindigkeiten von über hundertsechzig Kilometern durch die Straßen Washingtons. Russland ist telefonisch nicht mehr erreichbar. Schweden, Norwegen und Finnland melden Schneestürme von noch nie da gewesener Heftigkeit.

Die königliche Familie von Großbritannien ist auf ihrem schottischen Sitz Balmoral von einem Eissturm eingeschlossen worden, der die ganze Gegend lahm gelegt hat. Man wird sie nie wieder lebend sehen.

Der amerikanische Präsident ruft den nationalen Ausnahmezustand aus und verhängt das Kriegsrecht. Dazu mobilisiert er die Nationalgarde, aber inzwischen ist die Lage so dramatisch, dass nur ein kleiner Teil der Einheiten aufmarschieren kann.

Die Autobahnen sind mit Wagen verstopft, die allesamt in Richtung Süden unterwegs – oder vielmehr nicht mehr unterwegs – sind. Die Messstation der NOAA in Colorado fällt wegen Windschäden aus.

Zwei Tage nach der Konferenz im Weißen Haus leitet die Regierung ihren Umzug in ein vom Sturm verschont gebliebenes Gebiet ein, aber dafür ist es zu spät. Der Präsident und seine Mitarbeiter sind wie jeder Normalbürger gezwungen, die Straßen zu benutzen, die zwischen Virginia und Texas hoffnungslos überfüllt sind.

Über größeren Wasserflächen toben inzwischen Dauerwinde mit Geschwindigkeiten von 300 und mehr Stundenkilometern. Die vielen Stürme haben sich jetzt zu einem gigantischen Zyklon vereinigt. Dieser läuft im Prinzip wie jeder andere Hurrikan ab, nur hat er ein Ausmaß erreicht, wie man es nie für möglich gehalten hätte. Seine Zirkulation reicht von den Tropen bis hin zum nördlichen Polarkreis.

Stockholm, Helsinki, Moskau, Sankt Petersburg, Edinburgh, Toronto, Vancouver und Fairbanks, um nur einige von den großen Städten der Welt zu nennen, sind von jeder Kommunikation abgeschnitten.

Die Satellitenstation im australischen Pine Gap meldet, dass die Kommunikation mit Florida infolge extremen Wetters gestört ist.

Der Kontakt zwischen dem Hauptquartier der CIA in Langley, Virginia, und Pine Gap bricht ab. Wenig später erhält es auch keine Mitteilungen von seinem Kontrollzentrum im Norden Kaliforniens mehr. Die amerikanischen Interessen können in der südlichen Hemisphäre nicht mehr vertreten werden.

Nach Russland ist nun auch China verstummt. In den letzten Meldungen der Wetterstationen war von Dauerwinden über dem Pazifik die Rede, die Geschwindigkeiten von bis zu 360 Stundenkilometern erreichten. Weiter nördlich müssen die Werte noch höher sein und stellen vermutlich alle bisher gemessenen Rekorde in den Schatten. Aber die Meteorologen können nur raten.

Der Wetterkanal in Miami sendet noch immer. Dort laufen die Drähte heiß, und man meldet jede verfügbare Information. Florida, Alabama, Mississippi, Louisiana und Texas haben innerhalb von zehn Tagen 30 Millionen Flüchtlinge aufgenommen. Da der Kontakt mit den Bundesbehörden abgebrochen ist, haben die Gouverneure dieser Staaten eine Ad-hoc-Allianz gebildet. Die Führung der Landstreitmacht hat sich bereit erklärt, sich dem Kommando der provisorischen Notstandsregierung zu unterstellen. Das Kriegsrecht ist verhängt worden, und in Städten wie Dallas am südlichen Rand des Sturmgebiets, die selbst schlimme Schäden erlitten haben und unter der Last von zwei Millionen Flüchtlingen schier ersticken, werden ertappte Plünderer auf der Stelle erschossen.

Es ist nicht zufassen, aber der Sturm schwillt weiter an. Außerhalb seines Gebiets sinkt der Luftdruck auf nie für möglich gehaltene Tiefstwerte ab. Die Atmosphäre der Erde gerät völlig aus den Fugen – und das gibt letztlich den Ausschlag, dass das Wettersystem aus seinem gewohnten Gleichgewicht gerissen wird und vollends zusammenbricht.

Unterdessen entlädt der Sturm den Wasserdampf, der sich in seinem Innern aufgebaut hat, in Form von gewaltigem Schneefall, der mehrere Kontinente zudeckt.

Damit wird die geballte Energie endlich neutralisiert und der Sturm verebbt allmählich. Es dauert allerdings noch zwei Wochen, bis wieder der erste Lichtstrahl die Oberfläche dessen erreicht, was einmal der reichste und am höchsten entwickelte Teil der Erde war.

Nach dem Sturm hat sich die Landschaft von Grund auf verändert. Nördlich von Oklahoma steht kein Baum mehr. Das ganze Land ist eine einzige Eisfläche. An der kanadischen Grenze ist das Eis drei, über der Tundra sogar zwölf Meter dick. Die nördliche Polkappe ist wieder aufgetaucht, und vom All aus gesehen scheint sie in wenigen Wochen auf das Dreifache ihrer früheren Größe angewachsen zu sein.

Der Schein trügt jedoch. Was sich dort gebildet hat, ist frisches Eis, und es ist nicht komprimiert. Als der März in den April übergeht, beginnt das Eis an seinen südlichen Rändern bereits wieder zu schmelzen. Einen Monat später ist der Mississippi mancherorts bis zu fünfzehn Kilometer breiter. New Orleans ist überschwemmt. Das Delta ist zerstört.

In den Sommermonaten gibt es die schlimmste Flut, die die Menschheit je erlebt hat – zumindest in historischer Zeit. Die Gebiete, die vom Sturm verschont geblieben sind, müssen jetzt mit seinen Folgen fertig werden.

In den tiefer gelegenen Bereichen von Alabama, Louisiana, Mississippi und Texas bildet sich ein riesiger See. Er wird nur eine kurzlebige Erscheinung sein und innerhalb weniger Jahre stetig schrumpfen, aber das ändert nichts daran, dass ein großer Teil des amerikanischen Viehbestands ertrinkt. Ganze Städte verschwinden unter seinen Fluten.

Weiter nördlich bleiben die Temperaturen niedrig. Das liegt zum einen am Eis, das die Wärme abstrahlt. Zum anderen ist wegen der Winde, die weiter über den Nordatlantik fegen, so viel Wasser verdunstet, dass der Salzgehalt des Meeres wieder gestiegen ist, was das Gleichgewicht der Strömungen noch stärker beeinträchtigt.