Unsere Modelle zur globalen Erwärmung beruhen auf der Menge an Kohlendioxid, die die Menschheit in die Luft entweichen lässt. Dieses Gas wird vom Menschen erzeugt – der Betrieb von Maschinen, die auf Verbrennung beruhen, Erzeugung von Strom mit Kohle und Öl usw. – und mindert die Fähigkeit der Luft, Wärme nach außen abzugeben, die sie von der Sonne absorbiert.
Der Mensch erzeugt gegenwärtig jährlich etwa so viel Kohlendioxid, wie beim Ausbruch eines kleinen Vulkans entsteht, aber anders als Vulkane hören wir nie auf, Gase auszuspucken. Keines unserer Modelle sieht eine ungeplante Reduktion des Kohlendioxidausstoßes vor, und ausnahmslos zeigen sie alle, dass der Gasanteil in der Atmosphäre rapide zunimmt, eine Entwicklung, die sich im 20. Jahrhundert ununterbrochen fortgesetzt hat.
Allerdings begann der Ausstoß von Kohlendioxid auf einer sehr niedrigen Stufe. Sein Gehalt in der Atmosphäre war in den letzten drei Millionen Jahren unglaublich niedrig. Gemessen an dem, was sich auf der Erde abspielt, ist er immer noch so gering, dass er so gut wie keine isolierende Wirkung hat. Ja, in der gesamten geologischen Geschichte sind die Werte nur einmal niedriger gewesen. Das war vor 300 Millionen Jahren, lange vor dem Zeitalter der Saurier, als die Grundbedingungen den heutigen sehr ähnlich waren. Damals spannte sich über das heutige Südafrika eine gewaltige Eisdecke, und das Weltklima war rau und kalt.
Wann immer in der Vorzeit die Eisbedingungen zurückkehrten, stiegen zuvor die Werte der Treibhausgase an, um danach jäh abzufallen. In ihrem damaligen Sinken spiegelt sich womöglich der plötzliche Klimawandel wider, den wir hier erörtern.
Momentan befinden wir uns irgendwo auf dem Weg zu diesem Wandel. Die Temperaturen in der Stratosphäre fallen. Die Oberflächentemperaturen dagegen steigen, vor allem in der Arktis.
Anfang 1999 meldeten Wissenschaftler, die ein Jahr an Bord des kanadischen Eisbrechers Des Groseilliers verbracht hatten, dass die Eiskappe am Nordpol unerwartet schnell schmolz – und dass die Zerstörung des nördlichen Eises offenbar noch schlimmere Folgen hat als das, was im Süden geschieht.
Im Rahmen des an Bord der Des Groseilliers geführten Projekts SHEBA (Surface Heat Budget of the Arctic), an dem sich insgesamt 170 Wissenschaftler beteiligten, wurde anhand von Messungen ermittelt, in welchem Zustand sich die Arktis befindet. Ihr Ergebnis bestätigt, was wir in diesem Buch festgestellt haben: Vermehrte Eisschmelze führt zu einem verminderten Salzgehalt im benachbarten Meer, und das bedeutet zunehmende Labilität des Eises in kurzen Er-wärmungs- und Kältephasen.
In den 1970er Jahren war das arktische Eis im Durchschnitt drei Meter dick. Was dann 1997 geschah, hat der Leiter des SHEBA-Projekts, Donald K. Perovich, so beschrieben: »Unser erstes Problem bestand darin, eine Scholle zu finden, die dick genug war. Wir stießen auf keine Proben, die dicker als eineinhalb bis zwei Meter waren.« Mit anderen Worten: In nur zwanzig Jahren hat das Eis beinahe die Hälfte seiner Masse eingebüßt.
Das Arktische Meer, das flach und damit anfällig für rasche Veränderungen ist, wenn es von Süßwasser überflutet wird, stellte sich als wärmer und salzärmer heraus, als es 22 Jahre zuvor gewesen war. Das bedeutet, dass eine beträchtliche Eismenge vor dem Anlaufen von SHEBA geschmolzen war. Seit März 1999 neigt eine Reihe von Wissenschaftlern zu der Vermutung, dass in wenigen Jahren ein großer Teil des arktischen Eises zumindest in den Sommermonaten offenes Meer sein wird. Und allem Anschein nach wird es binnen weiterer 25 Jahre bis zu 70 Prozent seiner Masse verlieren.
Und damit noch nicht genug! Im März 1999 ließ außerdem die Zeitschrift Science verlauten, dass die grönländische Eisfläche schrumpft. Wie in der Antarktis bedeckt das Eis auf Grönland festen Boden. Sein Schmelzen wird darum ein Ansteigen des Meeresspiegels zur Folge haben. Schlimmer noch, es könnte zum gleichen Eisbruch wie in der Antarktis kommen, und das Eindringen gewaltiger Süßwassermengen in die Ozeane würde verheerende Überschwemmungen auf der ganzen Welt nach sich ziehen.
In bis dahin unvermessenen Teilen der östlichen Eisplatte von Grönland hatte das Eis in den vorangegangenen fünf Jahren pro Jahr beinahe 20 Zentimeter eingebüßt. Näher bei der Küste betrug der Verlust im Schnitt 80 Zentimeter. Offenbar fließen die Grönlandgletscher weit schneller als erwartet ins Meer. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit eines plötzlichen Abrutschens der gesamten Schnee- und Eismasse.
Dr. Gerard Bond vom Lamont-Doherty Observatory der Columbia University hat bestätigt, dass der durch die Schmelze von immer mehr Eisbergen bedingte Abfluss von Süßwasser ins Meer die ozeanischen Strömungen so beeinträchtigen und zum Versiegen bringen würde, wie wir es beschrieben haben. Dr. George Alley erklärte dazu, es bestünde die Möglichkeit, »dass noch mehr Süßwasser im Atlantik den Wandel gewaltig beschleunigen würde«. Laut der New York Times vom 5. März 1999 zog er in diesem Zusammenhang einen Vergleich mit dem Umlegen eines Lichtschalters: »Ein leichter Druck mag das System vielleicht noch nicht zum Laufen bringen, aber sobald der Druck einen gewissen Punkt erreicht, geht es schlagartig los.«
Den Prozess, der dann in Gang gesetzt wird, haben wir ausführlich anhand von Beispielen aus der Vergangenheit erörtert, die allesamt darauf hinweisen, dass es schon öfter plötzliche Klimaveränderungen gegeben hat.
Und die Lage könnte ernster sein, als viele vermuten. »Die Wissenschaftler haben keine Ahnung, wie nahe der Schalter dem Umkippen ist«, warnte Dr. Alley.
Fassen wir zusammen. Für einen plötzlichen Klimawandel und den Supersturm liegen bereits folgende Voraussetzungen vor:
1. Die Luft an der Erdoberfläche lässt wegen des Treibhauseffektes immer weniger Wärme entweichen. Infolge dessen kühlt die obere Atmosphäre immer stärker ab. Je extremer die Temperaturunterschiede, desto heftiger das Wetter.
2. Der Arktische Ozean wird salzärmer und wärmer. Gleichzeitig schmilzt das Polareis, und der Abfluss von den Eisbergen nimmt zu.
3. Das antarktische Treibeis schmilzt ebenfalls und über flutet den Südatlantik mit Süßwasser.
4. Die ozeanischen Strömungen werden schwächer.
Worauf läuft all das hinaus? Wann kommt der Supersturm tatsächlich?
Wir wissen es nicht. Nur, wenn der Klimaschalter kippt, dann geschieht alles sehr schnell.
Wenn ein Wärmeeinbruch genügend arktisches Eis schnell genug zum Schmelzen bringt, ist die Bühne für den Zusammenbruch der nordatlantischen Strömung bereitet. Und wenn das geschieht, tritt auch das klimatische Chaos ein, über das wir in diesem Buch spekuliert haben. Beim gegenwärtigen Stand der Dinge ist diese Situation unausweichlich. Der Supersturm kommt, nur weiß niemand, wann.
Wird er so heftig sein, dass er eine neue Eiszeit auslöst, oder wird er nur eine große Katastrophe mit sich bringen? Auch das vermag niemand zu beurteilen. Können wir etwas dagegen unternehmen? Zum Glück, ja.
22.
Hoffnung für die Zukunft der Menschheit
Auch wenn der Supersturm vielleicht schon heraufzieht, haben wir auf dem Gebiet des Wissens den Höhepunkt in der Geschichte der Menschheit erreicht. Während wir hinab in den Abgrund der Zerstörung starren, erklimmen wir auch die höchsten Gipfel des Intellekts.
An Dutzenden verschiedenen Fronten macht das Wissen der Menschheit in einem Tempo Fortschritte, das noch vor wenigen Jahren niemand für möglich gehalten hätte. In die siebziger oder achtziger Jahre zurückzublicken heißt in eine sonderbare, veraltete Welt blicken, die langsamer und kleiner war und mit ihrem in jeder Hinsicht engen Horizont heute geradezu lachhaft beschränkt wirkt. Um Recherchen anzustellen, ging man 1985 noch in die Bibliothek. Reisen mit dem Flugzeug waren nur mit einem erheblichen Kostenaufwand möglich. Ein leistungsfähiger Computer füllte ein ganzes Zimmer. Das Internet gab es nicht. Wenn wir in die Zukunft schauten, auch in die des Wissens, sahen wir ein Grenzland mit lauter Mauern. Und nicht nur das, die ganze Umweltsituation wirkte hoffnungslos. Es herrschte Weltuntergangsstimmung, obwohl sich noch gar keine konkrete Gefahr abzeichnete, wie das heute der Fall ist.