Wir stehen am Rande eines Abgrunds und balancieren auf einem Drahtseil. Schaffen wir den Übergang oder stürzen wir ab? Unsere Vorfahren konnten sich nicht halten. Lassen Sie uns die Warnung beherzigen. Lassen Sie uns – diesmal – die andere Seite erreichen.
23.
Warum handelt keiner?
Solange wir uns weigern, unsere Rolle bei der Entwicklung des Weltklimas ernst zu nehmen, betreiben wir reines Glücksspiel. Unser Einsatz ist das Größte, Bedeutendste und Wertvollste, was die Menschheit je hervorgebracht hat – unsere Zivilisation. Zu viel baut sich im Moment auf, drückt gegen den Schalter und droht ihn umzulegen. Wenn das geschieht, werden wohl auch wir den Weg unserer Ahnen gehen und nichts als Mythen und verblassende Erinnerungen hinterlassen.
Die Geschichte unseres Klimas in den letzten drei Millionen Jahren bestätigt, dass wir auf einem Pulverfass sitzen – egal ob mit oder ohne menschliches Eingreifen. Durch unser Zutun beschleunigen wir die Entwicklung, mit der Folge, dass ein Wandel, wenn er denn kommt, extrem plötzlich eintreten wird. Bei diesem Ereignis wird nicht einfach ein Schalter betätigt, er wird mit Gewalt umgelegt. Wenn wir nichts unternehmen, wird es so kommen. Wann? In Anbetracht der momentanen Entwicklung, vor allem in der Arktis, steht diese Gefahr bereits unmittelbar bevor.
Ob dann auch eine neue Eiszeit anbricht oder nicht, wird weitgehend davon abhängen, wann sich der Supersturm aufbaut und wie lange er dauert.
Wie wir am Zustand der Fossilien sehen konnten, die der letzte Supersturm zurückließ, trat dieser in einem Sommer auf. Ein Apfelbaum in voller Pracht, der von einem Moment auf den anderen einfror, um dann bis zu seiner Entdeckung jahrtausendelang in seiner Gruft im Permafrostboden zu ruhen, lässt keinen anderen Schluss zu.
Weil nun dieser Sturm in einem Sommer auftrat, löste er keine Eiszeit aus, sondern »nur« eine Unmenge von Fluten, die so gewaltig waren, dass praktisch jede Kultur der Welt die Erinnerung daran pflegt.
Wir setzen in der Tat sehr viel aufs Spiel und drohen alles zu verlieren. Aber warum warnen uns die Wissenschaftler dann nicht? Warum haben sie nicht längst Alarm geschlagen? Wir, die Autoren, sind Laien. Wir glauben nicht, dass wir uns täuschen, aber gesicherte Erkenntnisse haben wir erst, wenn die wissenschaftlichen Grundlagen geschaffen werden.
Damit die Menschheit – mit Sachverstand – über den Ernst der Lage aufgeklärt werden kann, muss mehr Forschung zu Phänomenen wie den Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die Ozeanströmungen geleistet werden. Die Wissenschaftler stehen in der Verantwortung. Sie müssen die Voraussagen treffen, auf deren Grundlage die Veränderungen in der Gesellschaft durchgeführt werden.
Das Problem ist nur, dass die Wissenschaft keine Prognosen über das zukünftige Wetter abgeben kann, zumindest keine, die so genau sind, dass die Politiker nicht umhin kämen, drastische Schritte einzuleiten. Wir stecken also in einem Teufelskreis. Wissenschaftler glauben vielleicht, dass der Klimawandel Gefahren birgt, doch solange sie uns kein Modell an die Hand geben können, das den Beweis erbringt, wird sich auf Regierungsebene gar nichts tun.
Es ist wahrlich nicht so, als versuchte man nicht schon seit Jahrzehnten, ein Modell zu entwickeln, das langfristige Klimaveränderungen genau berechnen kann. Nur sind sie bisher alle daran gescheitert, Echtzeitergebnisse zu liefern, die sich zuverlässig auf die Zukunft hochrechnen lassen.
Eines der Probleme besteht darin, dass die Menge exakter Klimadaten gegen Null geht, sobald man weiter als 100 Jahre in die Vergangenheit zurückschaut. Davor waren die Aufzeichnungen größtenteils zu ungenau, um daraus eine kontinuierliche Entwicklung abzuleiten. Darum beginnen die meisten Klimamodelle mit der unmittelbaren Vergangenheit, weil hier genügend Daten zur Verfügung stehen. So können wir heute dank der Vernetzung von Informationen von Wetterstationen, Windmessgeräten, Flugzeugen, Dopplerradar und Satelliten ein deutlicheres Bild vom Wetter gewinnen. Aber allein schon bei Prognosen zu regionalen Klimaveränderungen kommt man damit nicht weit. (Etwas anderes ist es mit den kurzfristigen Wetterberichten.) Laut dem amerikanischen Energieministerium müsste die Kapazität dieser Modelle mindestens verzehnfacht werden, wollte man korrekte Aussagen treffen.
Während die Fachleute lamentieren, bleibt die Welt weiter unfähig zu handeln. Niemand ist bereit oder in der Lage, die Menschheit mit unwiderlegbaren wissenschaftlichen Beweisen wachzurütteln. Und doch ist es klar, dass die Uhr tickt. Nur zu klar.
Weil die Wissenschaft keine Gewissheit bieten kann, haben die Lobbyisten und Politiker alle offiziellen Schritte, die die Welt vielleicht noch retten könnten, auf Eis gelegt.
1988 erklärte Dr. James Hansen vom Goddard Institute of Space Studies der NASA, dass die globale Erwärmung vor allem deswegen voranschreitet, weil jährlich für jeden Menschen auf dieser Welt etwa eine Tonne Kohlendioxid in die Atmosphäre gejagt wird. Die Öl- und die Chemieindustrie, einige Erdöl produzierende Länder, religiöse Fundamentalisten und politische Extremisten in Amerika reagierten sofort. Seitdem verbreiten diese Kräfte gebetsmühlenhaft immer die gleiche Botschaft: Nichts ist bewiesen; warten wir darum lieber ab, bis wir mehr wissen. 1998 ging der US-Kongress so weit, dass er versuchte, Regierungsvertreter daran zu hindern, öffentlich über die globale Erwärmung zu sprechen. Die Absicht war offenkundig: Amerikas Teilnahme am Weltklimagipfel von Kyoto, dem jüngsten internationalen Versuch, sich diesem Thema zu stellen, sollte unterbunden werden.
Die Ölindustrie füttert eine Propagandamaschine mit dem Namen Global Climate Coalition mit jeder Menge Dollars, damit sie die Botschaft vom »Abwarten« unters Volk bringt. Die National Coal Association tut das Gleiche. Das National Petroleum Institute leistet sich eine Beraterfirma, die es bei seinem Feldzug gegen Steuern auf fossile Brennstoffe mit Propagandamaterial versorgt. Dieses Unternehmen allein – es ist nur eines von den 54 Mitgliedern der Global Climate Coalition – hat einen Etat, der so hoch ist wie der aller größeren Umweltschutzverbände zusammen.
Die OPEC, das Kartell der Erdöl produzierenden Länder, hat sich dem Verband angeschlossen, ebenso eine Reihe namhafter Ölgesellschaften, wie Arco, Exxon, Sun, Shell und Unocal, sie alle mit derselben Absicht: Beim Volk soll die Botschaft verbreitet werden, dass die Emissionen fossiler Brennstoffe nicht kontrolliert werden müssen.
Die Kohlefirma Western Fuels, die sich durch besonderen Aktivismus hervortut, hat zu diesem Zweck eigens ein internationales Video mit dem Titel »Greening of the Planet Earth« produziert. Darin wird behauptet, der Anstieg von Kohlendioxid in der Atmosphäre würde unser Leben sogar verbessern, denn er würde es uns ermöglichen, Wüstengebiete in Grasland zu verwandeln. Die Theorie läuft darauf hinaus, dass die Pflanzen robuster würden. Der Fehler an dem Ganzen ist freilich, dass nicht mangelndes Pflanzenwachstum zu Verwüstung führt, sondern geografische Bedingungen wie Berge, die feuchte Luftströmungen ablenken, oder Bodenbedingungen, die Pflanzen einfach nicht zulassen. Die Erhöhung des Kohlendioxidgehalts in der Atmosphäre wird keineswegs Wüsten zum Blühen bringen. Im Gegenteil, jeder Bewohner des Mittleren Westens, der die Überschwemmungen von 1996 mitgemacht hat, oder jeder Chinese, der 1998 von der Überflutung des Yang-Tse-Tals betroffen war, wird es bestätigen: Der Anstieg von Kohlendioxid verursacht dort, wo es ohnehin reichlich regnet, wahre Sintfluten. Schlimmer noch: Kohlendioxid ist momentan das hauptsächliche Treibhausgas und seine Zunahme eines unserer größten Probleme. Obwohl die Werte im Verhältnis zu den Höchstständen in der geologischen Geschichte gering ausfallen, sorgen sie auch jetzt schon für eine Erwärmung, unter der die Polkappen abzuschmelzen drohen – und das wäre eine potenziell sehr gefährliche Entwicklung.