Bei ihrer Rückkehr ins Lager senkte sich Dunkelheit über die Stadt. Weil Manhattan ohne Licht war, konnte man alle Sterne sehen. Der Mond war eine Scheibe aus reinstem Silber, als er sich anschickte, der Sonne in den noch orangefarben leuchtenden Westen zu folgen.
Mary hatte ein Zelt aufgebaut, ein Wasserkessel dampfte, und die Luft roch nach Essen. Wiener Würstchen, dachte Bob. Die Kinder konnten es nach dem langen Hungern kaum noch erwarten. Endlich gab es wieder etwas Warmes.
Als sie das einzige bereitgestellte Zelt betraten, gab es eine Überraschung. Es war bereits mit 30 Leuten gefüllt und drohte aus allen Nähten zu platzen. Die Luft darin war so schlecht, dass Bob Brechreiz davon bekam. Irgendwie schaffte er es, ihn zu unterdrücken.
Es waren Leute aus allen Gesellschaftsschichten – Einheimische oder Besucher wie Rita und ihre Klasse, die vom Sturm Überrascht worden waren, Menschen, die in der U-Bahn Zuflucht gefunden hatten oder in irgendwelchen Gebäuden, wo es zufällig etwas Verheizbares oder irgendwelche Vorräte gegeben hatte.
Die meisten waren am Verhungern. Alle hatten Frostbeulen und Probleme mit dem Atmen. Einige würden bald sterben.
Doch jeder Einzelne strahlte etwas aus, das Bob nur aus Büchern kannte, aber noch nie mit eigenen Augen gesehen hatte: die Würde und die Entschlossenheit eines Menschen, der etwas Schreckliches überlebt hat. Selbst die Kinder zeigten eine sanfte, beharrliche Stärke und Einfühlungsvermögen für all die anderen um sie herum.
An ihnen erkannte Bob, was tatsächlich in einem Menschen steckt – etwas, das es ihm ermöglicht, schreckliche Ereignisse zu überleben. Es war das Gleiche, das Schwester Rita die Kraft gegeben hatte, 19 Kinder auf einer Reise durch die Hölle am Leben zu erhalten, und das in den anderen sämtliche Reserven mobilisiert hatte. Die verkrümmten Rücken, die fahlen Gesichter, die weit geöffneten Augen – in jedem Einzelnen von ihnen konnte er einen unbändigen Lebenswillen erkennen.
Über ihnen gab es plötzlich ein Donnern, ein Flugzeugmotor, der nun gedrosselt wurde. Alle drängten ins Freie hinaus.
Die Nacht hatte eine brutale Kälte gebracht. Das Thermometer zeigte inzwischen minus 68 Grad an. Bei solchen Temperaturen hielten sich keine Schadstoffe mehr in der Luft. Die Sterne schienen regelrecht zu singen, so hell und klar standen sie am Himmel. Und es waren so viele.
Plötzlich fing Michael an laut zu rufen und zu gestikulieren. In den Hochhäusern rings um den Central Park wurden jetzt hinter allen möglichen Fenstern auf einmal Kerzen angezündet. Leute hatten das Flugzeug gehört. Sie hatten die Zelte und die Lichter gesehen und gaben ein Lebenszeichen.
Es waren so viele Kerzen, dass man meinen konnte, die Sterne wären heruntergestiegen. Kein Laut war zu hören, aber die Botschaft der Kerzen konnte jeder verstehen.
Wir sind da, sagten sie, und wir sind viele, mehr als ihr für möglich gehalten hättet, viel mehr.
Wir sind immer noch da.
Danksagung
Mit ihrem Geschick als Redakteurin hat Anne Strieber wesentlich zum Gelingen dieses Buches beigetragen. Ihre Fachkenntnisse, ihre skeptischen, prüfenden Fragen waren in der langen Zeit der Recherche und des Schreibens eine ungemein wertvolle Hilfe. Danken möchten wir außerdem Werner Reifling von Paperchase Press, der von Anfang an von unserem Projekt überzeugt war und uns ermutigt hat, es weiterzuverfolgen; unserer Agentin Sandra Martin, die es mit ihrem Weitblick über die engen Grenzen unserer Vorstellungskraft hinaustrug; und schließlich Mitchell Ivers, unserem Herausgeber bei Pocket Books, dessen Begeisterungsfähigkeit und Glaube an die Bedeutung unserer Botschaft uns immer wieder angespornt haben.