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Die gesamte Menschheit hielt den Atem an.

4.

Unbekannte Menschheit

 In Form ihrer frühesten Mythen besitzt die Menschheit weitreichende Aufzeichnungen über eine gewaltige Umwälzung, die sich auf der Erde abgespielt haben muss. Die einzelnen Kulturen halten sie auf unterschiedliche Weise fest, aber ein Zusammenhang lässt sich bei allen erkennen: extremes Wetter. Sehr häufig findet man Geschichten von Sintfluten. Wenn wir die Vorstellung akzeptieren, dass unsere Vorfahren ihre Welt aufmerksam beobachteten, dann könnten sich diese Mythen durchaus als Botschaften erweisen, möglicherweise sogar als höchst dringende.

Während der gesamten Entwicklung unserer Spezies war – und ist – die Erde einem umfassenden Wetterkreislauf unterworfen. Dieser sorgt dafür, dass unser Klima zwischen langen, von entsetzlicher Kälte bestimmten Perioden und kurzen Abschnitten mit freundlichen, milden Bedingungen schwankt, die jeweils abrupt und höchstwahrscheinlich von Katastrophen begleitet enden.

Die meiste Zeit siedelte die Menschheit in südlichen und mittleren Breiten. Nach und nach wanderte sie von Afrika nach Asien; die im Norden gelegenen Lebensbereiche vermied sie weitgehend. Das änderte sich vermutlich erst gegen Ende der letzten Eiszeit, als die Cromagnon-Völker in einem Jahrtausende dauernden Prozess nach Norden vordrangen. Erleichtert wurde ihnen das durch sachkundig gefertigte Steinwerkzeuge, bessere Kleidung und die Fähigkeit, effektivere Behausungen zu errichten. Diese Entwicklung führte zu einer Explosion der menschlichen Kultur und Zivilisation in einem nie dagewesenen Ausmaß.

Bisher hat die Meinung vorgeherrscht, dass danach ein stetiger, linearer Fortschritt eingesetzt habe und auch das Wachstum der menschlichen Zivilisation ein evolutionärer Prozess gewesen sei.

Diese Sichtweise wird aber nicht notwendigerweise von den vorgeschichtlichen Zeugnissen bestätigt. Letztere sprechen eher für die Auffassung, dass kulturelles Wachstum einer physikalischen Evolution ähnelt, bei der lange Perioden des Gleichgewichts von plötzlich auftretenden Veränderungen akzentuiert werden. Damit wird auch die Auffassung gestützt, dass selbst Hochkulturen aussterben und verschwinden können.

Wie wir sehen werden, ist es sehr gut möglich, dass es auf diesem Planeten lange vor der unseren eine weit fortgeschrittene Zivilisation gegeben hat und viele unserer ältesten Mythen in Wahrheit von deren akkuraten, aber völlig unterschiedlichen Darstellungen der Welt und der Katastrophe abgeleitet sind, die zu ihrem Untergang geführt hat. Es existieren handfeste Indizien, die nahe legen, dass diese Kultur sehr wohl wusste, woran sie zugrunde gegangen ist, und uns eine Warnung hinterlassen hat.

Wenn Zivilisationen aussterben, können ihre Errungenschaften verloren gehen, manchmal für Jahrtausende, manchmal für immer… Wie zerbrechlich eine Zivilisation im Grunde ist, belegt allein schon der Untergang des römischen Reiches.

Bis zum Jahr 200 nach Christus hatte sich in ganz Europa eine geistig hochstehende, technisch effiziente und wirtschaftlich äußerst mächtige Zivilisation ausgebreitet. Sie besaß eine einheitliche Sprache, eine einheitliche Währung und eine zentrale Regierung, deren Maßnahmen ein schriftlich festgehaltener, in sich schlüssiger Kodex zugrunde lag. Die Bürger dieses Staates wurden im Lesen und Schreiben unterrichtet: eine leistungsfähige, von oben bis unten straff organisierte stabile Gesellschaft war entstanden. Zu ihren Errungenschaften zählte ein systematisch angelegtes Straßennetz, das vielerorts bis heute erhalten geblieben ist. Trotzdem hat am Ende ein unglückliches Zusammenwirken verschiedener Ereignisse zu ihrem Niedergang geführt.

Das römische Weltreich löste sich auf, und wir können uns heute kaum vorstellen, wie umfassend dieser Verlust war. Innerhalb von drei Jahrhunderten nach dem Fall Roms war Westeuropa in eine Unzahl von Herrschaftsgebieten zerbrochen; in jedem dieser Reiche wurde eine andere Sprache gesprochen, die Kunst des Schreibens war praktisch verloren gegangen. Paris und London, die unter den Römern blühende Metropolen gewesen waren, schrumpften zu permanent von fremden Horden belagerten Siedlungen, was allerdings nichts daran änderte, dass sie auch weiterhin zu den größten Städten Europas zählten. In Rom ließen Hirten ihre Herden zwischen den überwucherten Ruinen weiden. Die Macht des Gesetzes wurde von der Macht der Waffen abgelöst. Der Ruhm Roms wurde zu einem Mythos. Tausend Jahre sollte es dauern, bis man in der italienischen Renaissance damit begann, seinen alten Glanz wieder zu entdecken. Von all seinen großartigen Einrichtungen hatte bis dahin allein die römische Kirche den Untergang überlebt. Und erst jetzt, beinahe 2000 Jahre später, führt Europa wieder eine einheitliche Währung ein und bewegt sich langsam auf eine wirkungsvolle Zentralregierung zu. Dass Europa jemals wieder zu einer einheitlichen Sprache findet, ist heute eher unwahrscheinlich.

Wenn eine derart mächtige Zivilisation in geschichtlicher Zeit verloren gehen konnte, wie muss es dann erst um weiter zurückliegende Epochen bestellt gewesen sein? Eine gewalttätige Umwälzung kann leicht dazu führen, dass von einer Kultur wenig mehr als Mythen und geheimnisvolle Ruinen zurückbleiben.

Tatsächlich ist die Welt voller rätselhafter Ruinen, wofür das wohl bekannteste Beispiel der ägyptische Sphinx sein dürfte. Laut der in Archäologenkreisen vorherrschenden Meinung hat ihn etwa 2500 v. Chr. Pharao Chephren erbauen lassen. Als Beleg wird eine Stele mit Chephrens Emblem gewertet, die Thutmosis IV. unmittelbar davor errichtete.

Diese Theorie ist allerdings mit drei Problemen behaftet. Zunächst stellt dieses Zeichen nicht den einzigen Bezug zum Sphinx dar. So gibt es eine im neunzehnten Jahrhundert von dem Ägyptologen Auguste Mariette entdeckte Stele, die ebenfalls Hinweise auf den Sphinx enthält, aber eindeutig vor Chephrens Herrschaft errichtet wurde.

Der zweite Schwachpunkt liegt darin, dass der Sphinx aus einem riesigen Sandsteinblock gemeißelt wurde, der heute größtenteils unterhalb des Wüstenbodens liegt. Mit anderen Worten: Er wird ständig aufs Neue von Sand zugedeckt. Aber wer würde ein Monument an einem Ort errichten, wo es zwangsläufig binnen weniger Jahre zugeschüttet wird?

Zum dritten – und größten – Problem: Geologen haben am Stein Spuren von Erosion durch Wasser festgestellt. Nun fällt aber in der ägyptischen Wüste nie so viel Regen, dass diese spezifischen Erosionsmerkmale davon herrühren könnten. Ähnliche Merkmale wurden von dem Gelehrten John Anthony West nicht nur am Sphinx nachgewiesen, sondern auch an einem zweiten bislang noch rätselhaften Bauwerk, das unter dem Namen Osireion bekannt geworden ist. Wests Ergebnisse sind schnell von 300 Mitgliedern der Geological Society of America aufgegriffen worden, stoßen aber bei Ägyptologen auf Widerspruch, die darauf verweisen, dass es dort in der angeblichen Bauzeit kein Wasser gab.

Wenn nun tatsächlich Wasser am Sphinx genagt hat, muss er zwangsläufig vor der historischen Zeit von einer seitdem verschwundenen Zivilisation errichtet worden sein. Das hieße also vor mindestens 10000 Jahren, als Ägypten noch ein feuchteres Klima hatte. Andererseits haben Ausgrabungen ergeben, dass die Menschen, die Ägypten damals bevölkerten, primitive Jäger und Sammler waren.

Wie können sie dann ein derart erhabenes Bauwerk wie den Sphinx geschaffen haben? Seine Ausmaße sind mit 20 Metern Höhe und über 70 Metern Länge wirklich gewaltig. Um ein solches Bauwerk aus Felsgestein zu meißeln, müssten auch heute noch Hunderte von hoch qualifizierten Steinmetzen daran arbeiten. Doch die Werkzeuge, die wir aus dieser Zeit finden, sind denkbar schlicht. Sie befähigten die damaligen Bewohner allenfalls zum Töpfern, Weben und zur Jagd mit Pfeil und Bogen sowie Speeren mit vorne zugeschliffener Steinspitze.