Aber er befaßte sich auch mit anderen Dingen. Er setzte sein Vertrauen und sein Geld auf Kapitän Parkinson, den Renegaten, auf den sich keiner verlassen mochte. Und Parkinson unternahm geheimnisvolle Fahrten auf der kleinen Vega. Ah Chun sorgte für Parkinson bis zu seinem Tode, und Jahre später staunte ganz Honolulu, als die Nachricht durchsickerte, daß die Guano-Inseln Drake und Acorn für eine dreiviertel Million an die britische Phosphatgesellschaft verkauft worden waren. Dann folgten die fetten, einträglichen Tage unter König Kalakaua, als Ah Chun dreihunderttausend Dollar für die Opiumkonzession zahlte. Wenn er auch eine Drittelmillion für das Drogenmonopol berappen mußte, so war es doch eine gute Investition, denn von den Dividenden kaufte er die Kalalau-Plantage, die ihm wiederum siebzehn Jahre lang dreißig Prozent Gewinn einbrachte und die er dann schließlich für eineinhalb Millionen abstieß.
Es war vor Zeiten unter den Kamehamehas, daß er seinem eigenen Land als Konsul diente - ein Amt, das nicht ganz unrentabel war, und es geschah unter Kamehameha IV. daß er seine Staatsangehörigkeit wechselte und ein Bürger Hawaiis wurde, um Stella Allendale heiraten zu können, die selbst eine Untertanin dieses braunhäutigen Königs war, obwohl mehr angelsächsisches als polynesisches Blut in ihren Adern floß.
Tatsächlich waren die Anteile der verschiedenen Rassen in ihr so verdünnt, daß sie nach Achteln oder Sechzehnteln berechnet werden mußten. Zu einem Sechzehntel hatte sie das Blut ihrer Urgroßmutter Paahao in sich - der Prinzessin Paahao, denn sie stammte von der Königsfamilie ab. Stella Allendales Urgroßvater war ein gewisser Kapitän Blunt gewesen, ein englischer Abenteurer, der in den Dienst Kamehamehas I. getreten und selbst zu einem Tabu-Häuptling ernannt worden war. Ihr Großvater war ein Walfängerkapitän aus New Bedford, während durch ihren eigenen Vater eine schwache Beimischung italienischen und portugiesischen Bluts, die auf seinen eigenen englischen Stammbaum aufgepfropft worden war, dazukam. Dem Gesetz nach eine Hawaiianerin, hatte Ah Chuns Ehefrau jedoch mehr von jeder der drei anderen Nationalitäten in sich.
Und diesem bunten Durcheinander fügte Ah Chun noch die mongolische Mischung hinzu. So waren also seine Kinder, die er mit Frau Ah Chun zeugte, zu einem Zweiunddreißigstel Polynesier, zu einem Sechzehntel Italiener, einem Sechzehntel Portugiesen, zur Hälfte Chinesen und zu elf Zweiunddreißigstel Engländer und Amerikaner. Es könnte gut sein, daß Ah Chun nicht geheiratet haben würde, hätte er die wundervolle Familie voraussehen können, die dieser Verbindung entsproß. Wundervoll war sie in vielerlei Hinsicht. Erstens durch ihre Größe. Er hatte fünfzehn Söhne und Töchter, größtenteils Töchter. Die Söhne wurden zuerst geboren, drei an der Zahl, und darauf folgte, ohne Unterbrechung, ein rundes Dutzend Mädchen. Die Mischung war ausgezeichnet. Sie erwies sich nicht nur als fruchtbar, denn die gesamte Nachkommenschaft war ausnahmslos gesund und ohne Fehl und Tadel. Doch das Verblüffendste an der Familie war ihre Schönheit. Alle Mädchen waren schön - von einer zarten, ätherischen Schönheit. Die runden Linien der Mama Ah Chun schienen Papa Ah Chuns kantige Hagerkeit zu mildern, so daß die Töchter zwar gertenschlank, aber nicht dürr, wohlgeformt, aber nicht mollig waren. Jeder ihrer Gesichtszüge wies einen leichten asiatischen Einschlag auf, der aber vom alten England, Neuengland und südlichen Europa beeinflußt und überdeckt wurde. Keiner, der sie sah, hätte ohne Kenntnis der näheren Umstände den starken Anteil chinesischen Blutes in ihren Adern vermutet; doch andererseits konnte kein Beobachter, nachdem er eingeweiht war, die chinesischen Merkmale übersehen.
Als Schönheiten waren die Ah Chun Mädchen etwas Neues, nie zuvor Dagewesenes. Sie glichen nichts und niemandem so sehr, wie sie einander glichen, und doch unterschieden sie sich deutlich voneinander. Man konnte sie nicht miteinander verwechseln. Andererseits wiederum erinnerte einen die blauäugige und blonde Maud sofort an Henrietta, eine Brünette mit olivfarbenem Teint, großen, sehnsuchtsvollen, dunklen Augen und blauschwarzem Haar. Diese leichte Ähnlichkeit, die bei ihnen allen vorhanden war und jede Andersartigkeit wieder ausglich, war der Beitrag Ah Chuns. Er hatte gleichsam den Malgrund geliefert, auf dem die miteinander vermischten Muster der Rassen aufgetragen worden waren. Ihm war das feinknochige chinesische Gerüst zu verdanken, dem dann die Feinheiten und Raffinessen angelsächsischen, romanischen und polynesischen Fleisches aufmodelliert wurden.
Frau Ah Chun hatte ihre eigenen Ideen, die Ah Chun respektierte, die er jedoch unterdrückte, sobald sie seiner persönlichen philosophischen Ruhe abträglich waren. Sie war von Jugend an gewohnt gewesen, auf europäische Art zu leben. Nun gut. Ah Chun gab ihr ein Herrenhaus im europäischen Stil. Später, als seine Söhne und Töchter groß genug waren, um eine eigene Meinung zu äußern, baute er den Bungalow, ein geräumiges, weitläufiges Gebäude, ebenso schlicht wie großzügig. Und im Lauf der Zeit entstand auf dem Tantalus ein Berghaus, in das sich die Familie zurückziehen konnte, wenn der »ungesunde« Wind aus dem Süden wehte. Und am Strand von Waikiki errichtete er ein Haus auf einem riesigen Grundstück, dessen Lage so gut gewählt war, daß er später, als es die Regierung der Vereinigten Staaten für Festungsanlagen zwangsenteignete, dafür mit einer immensen Summe entschädigt wurde. In allen Häusern gab es Billard-, Rauch- und Gästezimmer im Überfluß, denn die wundervolle Nachkommenschaft Ah Chuns legte Wert auf großzügige Gastlichkeit. Die Ausstattung war von extravaganter Schlichtheit. Königliche Summen wurden dafür ausgegeben, ohne daß die Einrichtung - dank des kultivierten Geschmacks der Nachkommenschaft - protzig wirkte.
Ah Chun hatte es bei ihrer Erziehung an nichts fehlen lassen. Achte nicht auf die Kosten, hatte er in den alten Tagen zu Parkinson gesagt, als dieser lustlose Seemann keine Veranlassung sah, die Vega seetüchtig zu machen. »Du segelst den Schoner, ich zahle die Rechnungen.« Und ebenso hielt er es mit seinen Söhnen und Töchtern. Es war ihre Sache gewesen, sich eine gute Bildung anzueignen, um die Kosten brauchten sie sich nicht zu kümmern. Harold, der Erstgeborene, hatte in Harvard und Oxford studiert, Albert und Charles hatten denselben Studiengang in Yale absolviert. Und die Töchter, von der ältesten bis hinunter zur jüngsten, hatten sich im Mills Seminar in Kalifornien auf ihr Studium am Vassar, Wellesley oder Bryn Mawr College vorbereitet. Auf ihren eigenen Wunsch hin holten sich einige den letzten Schliff in Europa. Und aus der ganzen Welt kehrten Ah Chuns Söhne und Töchter zu ihm zurück, um ihm mit Anregungen und Ratschlägen bei der stilgerechten Ausschmückung seiner prächtigen Wohnsitze zur Seite zu stehen. Ah Chun selbst zog den üppigen Glanz orientalischer Prachtentfaltung vor; aber er war ein Philosoph und sah ein, daß der Geschmack seiner Kinder nach westlichem Maßstab der richtige war.
Natürlich kannte man seine Nachkommen nicht unter dem Namen Ah Chun. So wie er sich vom einfachen Kuli zum Multimillionär entwickelt hatte, so hatte sich auch sein Name entwickelt. Mama Ah Chun hatte ihn A’Chun buchstabiert, doch ihre klügeren Sprößlinge ließen das Apostroph weg und schrieben ihn Achun. Ah Chun hatte nichts dagegen. Die Schreibweise seines Namens beeinträchtigte seine Bequemlichkeit oder seine philosophische Ruhe nicht im geringsten. Außerdem war er nicht stolz. Als sich jedoch seine Kinder zu einem gestärkten Hemd mit steifem Kragen und einem Gehrock für ihn verstiegen, störten sie seine Bequemlichkeit und Ruhe sehr wohl. Ah Chun wollte nichts davon wissen. Er zog die locker fallenden Gewänder Chinas vor, und sie konnten ihn weder durch gutes Zureden noch durch massives Drängen dazu bewegen, sich anders zu kleiden. Sie versuchten es auf beide Arten, und gerade bei der zweiten Methode versagten sie aufs Kläglichste. Nicht umsonst waren sie in Amerika gewesen. Sie hatten gelernt, welche Wirkung ein von einer gewerkschaftlich organisierten Arbeiterschaft ausgeübter Boykott hat, und nun boykottierten sie ihn, ihren Vater Chun Ah Chun, in seinem eigenen Haus, und Mama Achun unterstützte und ermutigte sie dabei auch noch. Doch Ah Chun war zwar mit der westlichen Kultur nicht vertraut, kannte sich aber sehr gut mit den westlichen Arbeitsbedingungen aus. Selbst ein großer Arbeitgeber, war er solchen Taktiken durchaus gewachsen. Er veranlaßte sofort die Aussperrung seines aufrührerischen Nachwuchses und seiner abtrünnigen Ehefrau. Er entließ die große Dienerschar, verriegelte seine Ställe, verschloß seine Häuser und zog ins Royal Hawaiian Hotel, dessen größter Aktionär er zufällig war. Die Familie suchte bestürzt und aufgeregt reihum bei Freunden Unterschlupf, während Ah Chun in aller Ruhe seine zahlreichen Geschäfte abwickelte, die lange Pfeife mit dem winzigen Silberkopf rauchte und über das Problem seiner wundervollen Nachkommenschaft nachsann.