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»Unsere Töchter sind schöne Frauen«, sagte er eines Abends zu seiner Gattin. »Es gibt doch so viele junge Männer. Das Haus ist immer voll davon. Meine Zigarrenrechnungen sind sehr hoch. Weshalb kommt es nie zu einer Hochzeit?«

Mama Achun zuckte die Schultern und schwieg abwartend.

»Frauen sind Frauen, und Männer sind Männer - es ist schon seltsam, daß es nie eine Hochzeit gibt. Vielleicht mögen die jungen Männer unsere Töchter nicht.«

»Ach doch, sie mögen sie schon«, entgegnete Mama Achun, »aber weißt du, sie können nicht vergessen, daß du der Vater deiner Töchter bist.«

»Und doch hast du vergessen, wer mein Vater war«, meinte Ah Chun ernst. »Alles, was du von mir verlangt hast, war, daß ich meinen Zopf abschneide.«

»Die jungen Männer sind etwas anspruchsvoller, als ich es war, nehme ich an.«

»Was ist das Größte auf der Welt?« fragte Ah Chun scheinbar zusammenhanglos.

Mama Achun überlegte einen Augenblick und erwiderte dann: »Gott.«

Er nickte. »Es gibt Götter und Götter. Einige sind aus Papier, einige aus Holz, andere aus Bronze. Ich benutze einen kleinen im Büro als Briefbeschwerer. Im Bishop-Museum gibt es viele Götter aus Korallen- und Lavagestein.«

»Aber es gibt nur einen Gott«, erklärte sie bestimmt, und ihre volle Figur straffte sich angriffslustig.

Ah Chun bemerkte das Gefahrensignal und wich aus.

»Was ist denn größer als Gott?« fragte er. »Ich werde es dir sagen. Es ist das Geld. In meinem Leben habe ich mit Juden und Christen, Mohammedanern und Buddhisten und mit kleinen schwarzen Männern von den Salomonen und aus Neuguinea, die ihren Gott, in Ölpapier eingewickelt, bei sich trugen, Geschäfte gemacht. Sie hatten alle verschiedene Götter, diese Menschen, aber alle beteten sie das Geld an. Da ist dieser Captain Higginson. Henrietta scheint ihm zu gefallen.«

»Er wird sie nie heiraten«, gab Mama Achun zurück. »Er wird es bis zum Admiral bringen, bevor er das Zeitliche segnet.«

»Konteradmiral«, warf Ah Chun ein. »Ja, ich weiß. Das werden sie, wenn sie ihren Abschied nehmen.«

»Seine Familie in den Vereinigten Staaten ist sehr vornehm. Sie würden wohl nicht einverstanden sein, wenn er. wenn er nicht ein amerikanisches Mädchen heiraten würde.«

Ah Chun klopfte die Asche aus seiner Pfeife und stopfte ihren silbernen Kopf gedankenvoll mit einer kleinen Portion Tabak. Er zündete sie an und rauchte zu Ende, ehe er sich äußerte.

»Henrietta ist die Älteste. Am Tag ihrer Hochzeit werde ich ihr dreihunderttausend Dollar geben. Das wird diesen Captain Higginson und seine vornehme Familie schon für sie einnehmen. Sieh zu, daß er es erfährt. Ich überlasse das dir.«

Und Ah Chun blieb sitzen und rauchte weiter, und in den aufsteigenden Rauchkringeln sah er das Gesicht und die Figur von Toy Shuey Gestalt annehmen - von Toy Shuey, dem Mädchen für alles im Haus seines Onkels in dem kantonschen Dorf, dessen Arbeit nie endete und das für die Arbeit eines ganzen Jahres einen Dollar erhielt. Und er sah sich selbst als jungen Mann in den Tabakschwaden, als den jungen Mann, der sich achtzehn Jahre lang auf dem Feld seines Onkels für nur wenig mehr abgeplagt hatte. Und jetzt gab er, Ah Chun, der Bauer, seiner Tochter eine Mitgift von dreihunderttausend Jahren solcher Plackerei. Und sie war nur eine von einem Dutzend Töchtern. Dieser Gedanke machte ihn nicht besonders stolz. Es kam ihm plötzlich in den Sinn, was für eine komische, launenhafte Welt das war, und er kicherte laut und schreckte dadurch Mama Achun aus einer Träumerei auf, die sich, wie er wußte, in den verborgensten Winkeln ihres Inneren, wohin er nie vorgedrungen war, abspielte.

Ah Chuns Versprechen machte heimlich die Runde, und es wurde überall darüber geflüstert. Und Captain Higginson vergaß seine Karriere als Konteradmiral und seine vornehme Familie und heiratete die dreihunderttausend Dollar und ein gebildetes, kultiviertes Mädchen, das zu einem Zweiunddreißigstel polynesischer, einem Sechzehntel italienischer, einem Sechzehntel portugiesischer, elf Zweiunddreißigstel englischer und amerikanischer und zur Hälfte chinesischer Abstammung war.

Ah Chuns Freigebigkeit verfehlte ihre Wirkung nicht. Seine Töchter wurden plötzlich standesgemäße und begehrte Partien. Clara war die nächste, aber als der Verwaltungschef formell um ihre Hand anhielt, ließ Ah Chun ihn wissen, daß er warten müsse, bis er an die Reihe käme, daß Maud die Älteste sei und zuerst verheiratet werden müsse. Es war eine kluge Politik. Die ganze Familie hatte auf einmal ein lebhaftes Interesse daran, Maud unter die Haube zu bringen, was ihr nach drei Monaten mit Ned Humphreys, dem Einwanderungskommissar der Vereinigten Staaten, glückte. Sowohl er als auch Maud beklagten sich, denn die Mitgift betrug nur zweihunderttausend. Ah Chun erklärte, daß er sich anfangs nur so freigebig gezeigt habe, um das Eis zu brechen, und daß seine Töchter jetzt nichts anderes erwarten könnten, als billiger wegzugehen.

Auf Maud folgte Clara, und danach gab es innerhalb von zwei Jahren in dem Bungalow eine nicht abreißende Reihe von Hochzeiten. In der Zwischenzeit war Ah Chun nicht untätig geblieben. Eine Geldanlage nach der anderen wurde gekündigt. Er verkaufte seine Anteile an vielen Unternehmen, und Schritt für Schritt, um nicht einen plötzlichen Preisverfall auf dem Markt zu verursachen, trennte er sich von seinem großen Grundbesitz. Bei der letzten Transaktion indessen verursachte er doch noch einen Preissturz und verkaufte mit Verlust. Der Grund für diese Eile waren die Gewitterwolken, die er bereits am Horizont aufziehen sah. Als Lucille verheiratet war, dröhnte schon der Widerhall von Streit und Eifersüchteleien in seinen Ohren. Die Luft war erfüllt von Intrigen und Gegenintrigen, um seine Gunst zu gewinnen und ihn gegen den einen oder anderen oder alle außer einem seiner Schwiegersöhne einzunehmen. Und all das trug nicht gerade zu dem Frieden und der Ruhe bei, die er sich für sein Alter gewünscht hatte.

Er beschleunigte seine Bemühungen. Seit langer Zeit stand er mit den führenden Banken in Schanghai und Makao in Briefwechsel. Jeder abgehende Dampfer hatte seit mehreren Jahren Zahlungsanweisungen zugunsten eines gewissen Chun Ah Chun zur Einlage in diesen fernöstlichen Banken mitgenommen. Die Beträge wurden jetzt größer. Seine beiden jüngsten Töchter waren noch nicht verheiratet. Er wartete nicht, sondern gab jeder eine Mitgift von Hunderttausend, die in der Bank von Hawaii hinterlegt wurden, Zinsen brachten und auf den Hochzeitstag warteten. Albert übernahm die Firma Ah Chun & Ah Yung, Harold, der Älteste, entschloß sich dazu, sich mit einer Viertelmillion in England niederzulassen, Charles, der Jüngste, bekam Hunderttausend, einen gesetzlichen Vormund und einen Kursus in einem Keeley-Institut. Mama Achun erhielt den Bungalow, das Berghaus auf dem Tantalus und eine neue Villa am Meer, anstelle derjenigen, die Ah Chun an die Regierung verkauft hatte. Außerdem bekam Mama Achun noch eine halbe Million, die solide angelegt war.

Ah Chun war jetzt bereit, den Kern des Problems anzugehen. Eines schönen Morgens, als die Familie beim Frühstück saß -er hatte dafür gesorgt, daß alle seine Schwiegersöhne und Töchter anwesend waren - verkündete er, daß er in das Land seiner Vorfahren zurückkehren werde. In einer hübschen kleinen Predigt legte er dar, daß er für seine Familie in ausreichendem Maß Vorsorge getroffen hätte, und stellte verschiedene Regeln auf, die sie, da sei er sicher, sagte er, in die Lage versetzen würden, in Frieden und Harmonie miteinander zu leben. Auch gab er seinen Schwiegersöhnen geschäftliche Ratschläge, predigte die Vorzüge eines mäßigen Lebens und sicherer Geldanlagen und ließ sie von seinem umfassenden Wissen über die industriellen und geschäftlichen Verhältnisse in Hawaii profitieren. Dann verlangte er nach seinem Wagen, fuhr in Begleitung der weinenden Mama Achun zu dem pazifischen Postdampfer hinunter und hinterließ panische Bestürzung im Bungalow. Captain Higginson forderte ungestüm eine gerichtliche Verfügung. Die Töchter vergossen ausgiebig Tränen. Einer ihrer Ehemänner, ein ehemaliger Bundesrichter, zweifelte an Ah Chuns Geisteszustand und eilte zu den zuständigen Behörden, um ihn überprüfen zu lassen. Er kehrte mit der Information zurück, daß Ah Chun am Tag zuvor vor der Kommission erschienen war, eine Untersuchung verlangt und sie glänzend bestanden hatte. Es war nichts zu machen, und so fuhren sie zum Hafen hinunter und sagten dem kleinen Mann Lebewohl, der ihnen vom Promenadendeck aus zum Abschied zuwinkte, als der große Dampfer durch das Korallenriff Kurs aufs offene Meer nahm.