Percival Ford war stolz darauf, aus einer solchen Verbindung zu stammen. Er war hochgeboren und hielt sich für einen geistigen Aristokraten. Und er war stolz auf seinen Vater. Das war ihm zur Leidenschaft geworden. Die aufrechte, strenge Gestalt Isaac Fords hatte sich seinem Stolz unauslöschlich eingeprägt. Auf seinem Schreibtisch stand eine Miniatur dieses Streiters für den Herrn. In seinem Schlafzimmer hing das Porträt Isaac Fords, zu der Zeit gemalt, als er unter der Monarchie als Premierminister gedient hatte. Nicht etwa, daß Isaac Ford nach Rang und weltlichem Reichtum verlangt hätte, doch als Premierminister und später als Bankier konnte er der Sache der Mission von größerem Nutzen sein. Die deutsche Kolonie, die englische Kolonie und die ganze übrige Handelsclique hatten über Isaac Ford als seelenrettenden Krämer die Nase gerümpft, aber er, sein Sohn, wußte es besser. Als die Eingeborenen sich plötzlich von ihrem Feudalsystem befreiten und ihnen ihre großen Felder durch die Finger rannen, weil sie die Bedeutung und den Wert des Grundbesitzes nicht ermessen konnten, war es Isaac Ford, der zwischen die Händler und ihre Beute getreten war und ausgedehnte, fruchtbare Ländereien in Besitz genommen hatte. Kein Wunder, daß die Handelsleute sein Andenken nicht hochhielten. Aber er hatte seinen enormen Reichtum nie als sein eigen betrachtet. Er hatte sich stets als Verwalter des Herrn gesehen. Von den Einnahmen hatte er Schulen, Krankenhäuser und Kirchen gebaut. Auch war es nicht seine Schuld, daß Zucker nach der Absatzkrise vierzig Prozent Gewinn brachte, daß die von ihm gegründete Bank beim Eisenbahnbau eine glückliche Hand hatte und daß beispielsweise die zwanzigtausend Hektar Weideland auf Oahu, die er für einen halben Dollar pro Hektar gekauft hatte, jetzt alle achtzehn Monate einen Ertrag von zwanzig Tonnen Zucker pro Hektar abwarfen. Nein, Isaac Ford war wahrhaftig eine heroische Gestalt und hätte es verdient gehabt, davon war Percival Ford im stillen überzeugt, neben der Statue Kamehamehas I. vor dem Justizgebäude zu stehen. Isaac Ford war gestorben, aber er, sein Sohn, führte das gute Werk mindestens ebenso unerschütterlich, wenn auch nicht so meisterhaft fort.
Er wandte den Blick wieder dem Lanai zu. Worin bestand der Unterschied, so fragte er sich, zwischen den schamlosen Hulatänzen in Grasröcken und den Tänzen dieser dekolletierten Frauen seiner eigenen Rasse? War es ein grundlegender oder nur ein gradueller Unterschied?
Während er noch über dieses Problem nachsann, legte sich eine Hand auf seine Schulter.
»Hallo, Ford, was machen Sie denn hier? Geht es Ihnen hier nicht zu ausgelassen zu?«
»Ich versuche, Nachsicht walten zu lassen, Dr. Kennedy, wenn ich zusehe«, entgegnete Percival Ford ernst. »Wollen Sie nicht Platz nehmen?«
Dr. Kennedy setzte sich und klatschte laut in die Hände. Rasch kam ein weißgekleideter japanischer Diener herbei.
Kennedy bestellte schottischen Whisky mit Soda, wandte sich dann dem andern zu und meinte: »Sie brauche ich natürlich erst gar nicht zu fragen.«
»Aber sicher werde ich etwas trinken«, entgegnete Ford bestimmt. Die Augen des Doktors zeigten Verwunderung, und der Diener blieb abwartend stehen. »Boy, eine Limonade, bitte.«
Der Doktor lachte herzlich, als hätte sich der andere einen Scherz mit ihm erlaubt, und spähte zu den Musikern unter dem Hau-Baum hinüber.
»Das ist doch das Aloha-Orchester«, sagte er, »ich dachte, die würden am Dienstagabend immer im Hawaiian Hotel spielen. Hat vermutlich Krach gegeben.«
Sein Blick blieb für einen Moment an dem Mann hängen, der die Gitarre spielte und zur Begleitung der übrigen Instrumente ein hawaiisches Lied sang. Sein Gesicht wurde ernst, als er den Sänger betrachtete, und war immer noch ernst, als er sich wieder zu seinem Tischgenossen umdrehte.
»Sagen Sie, Ford, wäre es nicht langsam an der Zeit, daß Sie Joe Garland in Ruhe ließen. Wie ich höre, sind Sie dagegen, daß die Werbekommission ihn zu diesen SurfingVorführungen in die Staaten schicken will, und ich wollte schon lange mit Ihnen darüber sprechen. Ich dachte, Sie wären froh, wenn er außer Landes geht. Da böte sich doch eine gute Gelegenheit, mit der Jagd auf ihn Schluß zu machen.«
»Jagd?« Die Brauen Percival Fords hoben sich fragend.
»Nennen Sie es, wie Sie wollen«, fuhr Kennedy fort, »Sie haben diesen armen Teufel jahrelang verfolgt. Er kann nichts dafür. Selbst Sie werden das zugeben müssen.«
»Er kann nichts dafür?« Percival Ford preßte seine dünnen Lippen für einen Augenblick fest aufeinander. »Joe Garland ist liederlich und faul. Er ist immer schon ein Taugenichts, ein lasterhafter Mensch gewesen.«
»Aber das ist doch kein Grund, daß Sie ihm ständig auf diese Art und Weise zusetzen. Ich habe Sie von Anfang an beobachtet. Das erste, was Sie taten, als Sie von der Universität zurückkamen und ihn auf der Plantage als Luna arbeiten sahen, war, daß Sie ihn hinauswarfen - Sie mit Ihren Millionen, und er mit seinen sechzig Dollar im Monat.«
»Nicht das erste«, entgegnete Percival Ford sachlich, in dem richterlichen Ton, wie er ihn bei Ausschußsitzungen anzuschlagen pflegte. »Er erhielt von mir eine Verwarnung. Der Verwalter meinte, er sei ein fähiger Aufseher. In dieser Beziehung hatte ich also nichts gegen ihn einzuwenden. Wohl aber gegen das, was er außerhalb der Arbeitszeit tat. Er zerstörte mein Werk schneller, als ich es aufbauen konnte. Was nützten die Sonntagsschulen, der Abendunterricht und die Nähkurse, wenn anschließend dieser Joe Garland mit seinem schrecklichen, ewigen Gitarren- und Ukulelegeklimper, seinem Alkohol und seinen Hulatänzen kam? Nachdem ich ihn verwarnt hatte, traf ich ihn zufällig - ich werde das nie vergessen - unten bei den Hütten. Es war abends. Ich konnte die Hula-Gesänge bereits hören, ehe ich sah, was sich abspielte. Und als ich es dann sah, erkannte ich die Mädchen, die schamlos im Mondlicht tanzten - jene Mädchen, denen ich mühsam einen einwandfreien Lebenswandel und anständiges Benehmen beizubringen versuchte. Und drei Mädchen waren darunter, das weiß ich noch, die gerade erst die Missionsschule absolviert hatten. Natürlich entließ ich Joe Garland. Ich weiß, in Hilo war es dasselbe. Die Leute sagten, ich hätte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um Mason und Fitch dazu zu bringen, ihn zu entlassen. Aber die Missionare baten mich darum. Durch sein verwerfliches Beispiel machte er alle ihre Anstrengungen zunichte.«