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»Oto’o!« rief er sanft. Und ich konnte in seinem Blick die Liebe sehen, die auch in seiner Stimme mitschwang.

Damals, und nur damals, ganz am Ende all unserer gemeinsamen Jahre, nannte er mich bei diesem Namen.

»Leb wohl, Oto’o!« rief er.

Dann wurde er nach unten gezogen, und mich hievte man an Bord, wo ich in den Armen des Kapitäns das Bewußtsein verlor.

Und so starb Oto’o, dem ich mein Leben verdankte, der mich zum Mann gemacht hatte und der mir zum Schluß erneut das Leben rettete. Wir begegneten uns im Rachen eines Orkans und wurden im Rachen eines Hais voneinander getrennt. Dazwischen lagen siebzehn Jahre einer Kameradschaft, von der ich behaupten darf, daß sie zwei Männer, von denen der eine braun und der andere weiß war, so noch nie erfahren haben. Wenn Jehova auf seinem Himmelsthron über jeden Sperling wacht, der vom Dach fällt, dann wird Oto’o, der einzige Heide von Bora Bora, nicht der Geringste in seinem Reich sein.

PARLAYS PERLEN

Der eingeborene Rudergänger wirbelte das Steuerrad herum, die Malahini drehte gegen den Wind und richtete sich auf. Die Vorsegel wurden schlaff, Reffbändsel prasselten, die Baumtaljen schwenkten über, dann krängte das Schiff und ging mit gefüllten Segeln auf den anderen Bug. Obwohl es noch früh am Morgen war und eine ordentliche Brise wehte, waren die fünf Weißen, die über das Achterdeck schlenderten, nur leicht bekleidet. David Grief und sein Gast, der Engländer Gregory Mulhall, steckten noch im Pyjama, chinesische Pantoffeln an den bloßen Füßen. Der Kapitän und der Maat trugen dünne Unterhemden und ungestärkte weiße Leinenhosen, während der Frachtaufseher, der sich nicht zum Anziehen entschließen konnte, sein Hemd immer noch in den Händen hielt. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, und er schien, nach Erfrischung lechzend, seinen nackten Oberkörper dem Wind entgegenzustemmen, der jedoch keine Kühlung brachte.

»Ganz schön schwül für eine solche Brise«, klagte er.

»Und was hat sie hier im Westen zu suchen! Das möchte ich gerne wissen«, stimmte Grief in das allgemeine Lamento ein.

»Der Wind wird nicht anhalten, und er weht auch noch nicht lange«, meinte Hermann, der holländische Steuermann. »Er hat sich schon die ganze Nacht herumgetrieben - fünf Minuten hier, fünf Minuten dort, dann wieder eine Stunde irgendwo anders.«

»Da braut sich was zusammen, da braut sich was zusammen«, prophezeite Kapitän Warfield, spreizte dabei seinen buschigen Bart mit allen zehn Fingern auseinander und hielt, auf der vergeblichen Suche nach Kühlung, das Gestrüpp auf seinem Kinn in den Wind.

»Das Wetter spielt schon seit vierzehn Tagen verrückt. Und seit drei Wochen haben wir keinen anständigen Passat mehr gehabt. Alles ist durcheinander. Das Barometer ist gestern abend bei Sonnenuntergang ständig rauf- und runtergependelt, jetzt tanzt es auch wieder, aber die Wetterpropheten meinen ja, das hätte nichts zu bedeuten. Trotzdem gefällt’s mir nicht, dieses Auf und Ab. Geht mir irgendwie auf die Nerven, wissen Sie. War genauso, als wir die Lancaster verloren. Ich war damals erst Kadett, aber ich kann mich noch gut daran erinnern. Ein nagelneuer Viermaster, Stahlschiff, auf der Jungfernfahrt. Brach dem Kapitän das Herz. Vierzig Jahre lang war er bei der Gesellschaft gewesen. Ist richtig dahingewelkt, und im Jahr darauf war er tot.«

Trotz des Windes und der frühen Stunde war die Hitze zum Ersticken. Der Wind versprach Kühlung, brachte sie jedoch nicht. Er hätte ebensogut aus der Sahara kommen können, wäre er nicht mit dieser extremen Feuchtigkeit gesättigt gewesen. Es gab nicht die geringste Spur von Nebel oder Dunst, und doch schien über allem ein feiner Schleier zu liegen. Einzelne Wolken waren nicht zu sehen, aber der Himmel war so unklar und trübe, daß die Sonne nicht durchdringen konnte.

»Klar zum Wenden!« befahl Kapitän Warfield mit bedächtiger, scharfer Stimme.

Die braunen, nur mit einem Lendenschurz bekleideten eingeborenen Matrosen begaben sich, lustlos zwar, aber behende an die Vorschoten und Baumtaljen.

»Hart Backbord!«

Nicht gerade sanft ließ der Rudergänger die Spaken einen Vollkreis beschreiben, und die Malahini schoß herrlich in den Wind und drehte.

»Donnerwetter! Sie ist eine Hexe!« rief Mulhall bewundernd. »Ich wußte gar nicht, daß ihr Südseefahrer Jachten segelt.«

»Ursprünglich ging sie in Gloucester auf Fischfang«, erklärte Grief, »und die Gloucester-Boote sind von Bauart, Takelage und Beseglung her alles Jachten.«

»Aber Sie nehmen doch geradewegs Kurs auf die Durchfahrt

- warum schaffen Sie’s nicht hineinzukommen?« kritisierte der Engländer.

»Versuchen Sie es, Kapitän Warfield«, schlug Grief vor. »Zeigen Sie ihm, was es heißt, bei starker Ebbe in eine Lagune zu segeln.«

»Hart am Wind und Kurs halten!« befahl der Kapitän.

»Hart am Wind und Kurs halten«, wiederholte der Kanake und drehte das Rad eine halbe Spake zurück.

Die Malahini fuhr geradewegs in die schmale Fahrrinne ein, die die Laguneneinfahrt eines großen Atolls bildete, das die Form eines langgezogenen Ovals besaß. Das Atoll sah aus, als wären drei dieser Koralleninseln während ihrer Entstehung zusammengestoßen und völlig miteinander verschmolzen. Kokospalmen wuchsen in einzelnen Gruppen auf dem Sandring; an vielen Stellen jedoch war der Strand so flach, daß sich keine Palmen halten konnten, und durch diese Lücken sah man die geschützte Lagune schimmern, deren spiegelglatte Oberfläche sich nur manchmal leicht kräuselte. Die Wassermassen dieser ungewöhnlich geformten, sich über viele Hektar ausdehnenden Fläche fluteten bei Ebbe alle durch diesen einzigen Kanal hinaus. So eng war er und so groß die Wassermenge, daß diese Rinne eher einem reißenden Fluß als dem Gezeiteneinlaß eines Atolls glich. Das Wasser kochte und brodelte und ergoß sich mit wirbelnder, die weißen Wellenzacken krönender Gischt ins offene Meer. Immer wieder ließ der Anprall dieser Brecher und der Tidenstrom die Malahini aus dem Kurs laufen und drängte sie mit eiserner Gewalt an den Rand der Fahrrinne. Als sie bereits halbwegs in der Einfahrt war, zwang die gefährliche Nähe der Korallenriffe sie zum Wenden. Auf dem anderen Bug wurde sie nun, der Strömung ihre Breitseite bietend, schnell wieder auf die See hinausgetrieben.

»Jetzt ist die Zeit für Ihren neuen, teuren Motor gekommen«, spottete Grief gutmütig.

Jeder wußte, daß dieser Motor Kapitän Warfields wunder Punkt war. Er hatte so lange darum gebeten und gebettelt, bis Grief schließlich seine Einwilligung gegeben hatte.

»Er wird sich schon noch bezahlt machen«, entgegnete der Kapitän. »Warten Sie’s nur ab. Er ist besser als eine Versicherung, und Sie wissen ja, daß keine Versicherungsagentur das Risiko in den Paumotus tragen will.«

Grief zeigte auf einen kleinen Kutter, der achteraus auf dem gleichen Kurs lavierte. »Ich möchte ein Fünf-Francs-Stück wetten, daß uns die kleine Nuhiva überholt.«

»Ganz bestimmt«, pflichtete ihm Kapitän Warfield bei. »Sie hat für ihre Größe einen viel zu starken Motor. Im Vergleich mit ihr sind wir das reinste Linienschiff, und wir haben nur vierzig Pferdestärken. Sie hat zehn Pferdestärken und ist doch nur eine kleine Nußschale. Sie könnte zwar leicht über den Höllenschaum gleiten, aber gegen diese Strömung, die jetzt zehn Knoten macht, kommt sie auch nicht an.«

Und mit zehn Knoten Geschwindigkeit wurde die Malahini, heftig schlingernd und stampfend, mit der Ebbe wieder auf das Meer hinausgetrieben.

»In einer halben Stunde läßt die Strömung nach - dann können wir einfahren«, sagte Kapitän Warfield mit einer Gereiztheit in der Stimme, die durch seine nächsten Worte erklärt wurde. »Er hat kein Recht, die Insel Parlay zu nennen. Sie ist auf den Admiralitätskarten und auch auf den französischen Seekarten als Hikihoho eingezeichnet. Bougainville entdeckte sie und ließ ihr den Namen, den sie bei den Eingeborenen hatte.«