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»Was bedeutet schon ein Name?« fragte der Frachtaufseher, der die Arme endlich in die Ärmel seines Unterhemdes gesteckt hatte und während seiner Bemerkung so verharrte. »Da liegt sie, genau vor unserer Nase, und der alte Parlay ist dort mit seinen Perlen.«

»Wer hat die Perlen gesehen?« wollte Hermann wissen und blickte von einem zum anderen.

»Ist doch allgemein bekannt«, lautete die Antwort des Frachtaufsehers, und er wandte sich an den Rudergänger: »Tai-Hotauri, was weißt du von den Perlen des alten Parlay?«

Geschmeichelt und verlegen zugleich ließ der Kanake eine Spake nach.

»Mein Bruder tauchen für Parlay drei, vier Monate, und er machen viel Worte über Perlen. Hikihoho sehr gute Platz für Perlen.«

»Und kein Perlenaufkäufer hat ihn je dazu bringen können, sich auch nur von einer Perle zu trennen«, warf der Kapitän ein.

»Und es heißt, daß er einen ganzen Hut voll für Armande hatte, als er nach Tahiti segelte«, setzte der Frachtaufseher die Erzählung fort. »Das war vor fünfzehn Jahren, und seitdem hat er immer noch mehr dazugesammelt - hat auch die Muschelschalen aufbewahrt. Jeder hat sie gesehen - Hunderte von Tonnen sind es. Man sagt, die Lagune sei jetzt leergefischt. Mag sein, daß er deshalb die Versteigerung angesetzt hat.«

»Wenn er tatsächlich verkauft, wird es das größte Perlenjahr, das es je in den Paumotus gegeben hat«, meinte Grief.

»Sagen Sie mal!« brach es aus Mulhall heraus, der ebenso wie die anderen unter der feuchten Hitze litt. »Was hat das eigentlich alles zu bedeuten? Wer ist dieser alte Strandräuber überhaupt? Was sind das für Perlen? Was soll diese Geheimniskrämerei!«

»Hikihoho gehört dem alten Parlay«, erwiderte der Frachtaufseher. »Er besitzt ein Vermögen an Perlen, die er seit vielen Jahren gehortet hat. Vor einigen Wochen hat er bekanntgemacht, daß er sie morgen an die Aufkäufer versteigern würde. Sehen Sie dort in der Lagune die Schonermasten aufragen?«

»Acht, soviel ich sehe«, sagte Hermann.

»Was haben die wohl alle in so einem winzigen Atoll zu suchen?« fuhr der Frachtaufseher fort. »Hier ist im Jahr nicht einmal eine Ladung Kopra zu holen. Sie sind wegen der Auktion gekommen. Und darum sind wir hier. Und darum stampft auch die kleine Nuhiva da achtern herum, obwohl es über meinen Horizont geht, was die kaufen könnte. Narii Herring - ein Halbblut, sein Vater war ein englischer Jude - ist ihr Besitzer und Kapitän, aber seine einzigen Aktiva sind seine Frechheit, seine Schulden und seine Whiskyrechnungen. Auf diesem Gebiet ist er ein Genie. Er schuldet so viel, daß es in Papeete keinen einzigen Kaufmann gibt, der nicht an seinem Wohlergehen interessiert wäre. Sie geben sich große Mühe, ihm einen Verdienst zu verschaffen. Sie müssen es tun, und Narii profitiert nicht schlecht davon. Ich zum Beispiel schulde keinem Menschen etwas. Und was ist die Folge? Wenn ich plötzlich am Strand umfiele, würde man mich liegen lassen, bis ich sterbe. Niemand würde etwas verlieren. Narii Herring jedoch? - Was würden diese Leute nicht alles für ihn tun, wenn er umfiele? Das Beste wäre nicht gut genug für ihn. Sie haben schon zuviel Geld in ihn hineingesteckt, als daß sie ihn einfach liegen lassen könnten. Sie würden ihn bei sich aufnehmen und ihn mit eigenen Händen wie einen Bruder pflegen. Lassen Sie es sich gesagt sein, ehrlich seine Rechnungen zu bezahlen, rentiert sich nicht.«

»Was hat dieser Bursche Narii denn mit der Sache zu tun?« fragte der Engländer kurz angebunden. Und zu Grief gewandt, meinte er: »Was soll dieser ganze Unsinn mit den Perlen? Erzählen Sie die Geschichte doch von Anfang an.«

»Ihr müßt mir aber dabei helfen«, ließ Grief die anderen wissen, als er begann. »Der alte Parlay ist ein Sonderling. Nach dem, was ich von ihm mitbekommen habe, ist er nicht ganz richtig im Kopf. Aber wie dem auch sei, hier ist die Geschichte: Parlay ist ein waschechter Franzose. Er erzählte mir einmal, daß er aus Paris komme. Sein Akzent bestätigt das. Er kam vor langer Zeit in diese Gegend, fing an zu handeln und sonst noch alles Mögliche. So kam er nach Hikihoho. Damals war mit dem Handel noch etwas zu holen. Auf der Insel lebten etwa hundert armselige Paumotuaner. Er heiratete ihre Königin nach dem Eingeborenenritual. Als sie starb, gehörte alles ihm. Dann brachen die Masern aus, und es blieb nur etwa ein Dutzend Inselbewohner übrig. Er sorgte für sie, gab ihnen Arbeit und war ihr König. Nun hatte die Königin vor ihrem Tode einem Mädchen das Leben geschenkt. Das war Armande. Als sie drei Jahre alt war, brachte ihr Vater sie zu den Nonnen nach Papeete. Mit sieben oder acht Jahren schickte er sie nach Frankreich. Sie verstehen nun langsam die Situation. Das beste und vornehmste Kloster Frankreichs war gerade gut genug für die Tochter eines paumotuanischen Inselkönigs und Kapitalisten; und Sie wissen selbst, daß im guten, alten Frankreich die Hautfarbe keine Rolle spielt. Sie wurde wie eine Prinzessin erzogen, und sie betrachtete sich auch als solche. Außerdem hielt sie sich für eine Weiße und ahnte nichts von irgendwelchen Rassenschranken.

Jetzt kommt die Tragödie. Der Alte war immer etwas wunderlich und launenhaft gewesen, und er hatte so lange den Despoten auf Hikihoho gespielt, daß er selbst daran glaubte, daß das mit dem König seine Richtigkeit hätte - und natürlich auch mit der Prinzessin. Als Armande achtzehn war, ließ er sie kommen. Er hatte, wie man bei uns so sagt, Geld wie Heu. Er hatte sich das große Haus auf Hikihoho und einen piekfeinen Bungalow in Papeete gebaut. Sie sollte mit dem Postdampfer aus Neuseeland eintreffen, er segelte mit seinem Schoner nach Papeete, um sie dort abzuholen. Und er hätte die Sache vielleicht noch eingerenkt, trotz der dummen Puten und Schafsköpfe in Papeete, wenn der Orkan nicht gekommen wäre. Das war doch in dem Jahr, als Manu-Huhi überflutet wurde und dabei elfhundert Menschen ertranken?«

Die anderen nickten, und Kapitän Warfield sagte: »Ich fuhr bei diesem Sturm auf der Magpie, und wir alle, die Matrosen, der Koch und die Magpie strandeten eine Viertelmeile landeinwärts zwischen Kokospalmen, obwohl die Taiohae-Bucht als orkansicherer Hafen galt.«

»Also schön«, fuhr Grief fort, »der alte Parlay geriet in denselben Sturm, und er kam mit seinem Hut voll Perlen drei Wochen zu spät in Papeete an. Er hatte seinen Schoner aufwinden und über achthundert Meter Schlittenbalken legen lassen müssen, bevor er ihn wieder zurück ins Wasser schaffen konnte.

Und inzwischen war Armande in Papeete angekommen. Kein Mensch kümmerte sich um sie. Doch sie machte nach französischer Sitte ihre Antrittsbesuche beim Gouverneur und beim Hafenarzt. Sie empfingen sie zwar, aber von ihren Ehefrauen, diesen Puten, war keine für sie zu sprechen oder erwiderte ihren Besuch. Sie gehörte nicht ihrer Gesellschaftsschicht an, gehörte zu keiner Schicht, obwohl sie nie etwas davon geahnt hatte, und auf diese elegante Art brachten sie es ihr bei. Dann war da ein fröhlicher junger Leutnant auf dem französischen Kreuzer. Er verlor zwar sein Herz an sie, nicht aber seinen Kopf. Sie können sich vorstellen, was das für ein Schock für diese kultivierte, schöne, junge Frau gewesen sein muß, die wie eine Aristokratin aufgewachsen war und die beste Erziehung genossen hatte, die das alte Frankreich für Geld zu bieten hatte. Wie es ausging, können Sie sich vielleicht denken.« Er zuckte die Achseln. »In dem Bungalow war ein japanischer Diener. Er hat es gesehen. Sagte, daß sie dabei den Mut eines echten Samurai bewiesen hätte. Sie nahm ein Stilett - nein, kein Stoß, keine heftige Bewegung, kein wilder Vernichtungsdrang -, nahm das Stilett, setzte sich die Spitze mit Bedacht auf die Brust und trieb das Messer langsam und stetig mit beiden Händen ins Herz.