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Dann kam der alte Parlay mit seinen Perlen. Man sagt, eine einzige davon sei allein schon sechzigtausend Francs wert gewesen. Peter Gee hat sie gesehen und erzählte mir, daß er auch soviel dafür geboten hätte. Der alte Mann war eine Zeitlang völlig von Sinnen. Sie steckten ihn zwei Tage lang im Kolonialklub in eine Zwangsjacke.«

»Der Onkel seiner Frau, ein alter Paumotuaner, schnitt die Jacke auf und befreite ihn«, bestätigte der Frachtaufseher.

»Und dann fing der alte Parlay an, abzurechnen«, fuhr Grief fort. »Jagte dem Taugenichts von Leutnant drei Kugeln in den Leib.«

»Der daraufhin drei Monate im Schiffslazarett lag«, fügte Kapitän Warfield hinzu.

»Dem Gouverneur schüttete er ein Glas Wein ins Gesicht, duellierte sich mit dem Hafenarzt, verprügelte seine eingeborenen Diener, schlug im Krankenhaus alles kurz und klein, brach einem Krankenpfleger zwei Rippen und das Schlüsselbein und machte sich davon. Er ging, in jeder Hand ein Gewehr, hinunter zu seinem Schoner, ohne sich um den Polizeichef und all die Gendarmen zu kümmern, die ihn verhaften wollten, und segelte zurück nach Hikihoho. Und es heißt, er habe die Insel später nie mehr verlassen.«

Der Frachtaufseher nickte. »Das war vor fünfzehn Jahren, und er hat sich seither nicht mehr vom Fleck gerührt.«

»Und hat noch mehr Perlen gehortet«, sagte der Kapitän.

»Er ist ein verfluchter alter Narr. Bei dem Gedanken an ihn überläuft es mich eiskalt. Er ist ein richtiger Hexenmeister.«

»Was heißt das?« wollte Mulhall wissen.

»Kontrolliert das Wetter - wenigstens glauben das die Eingeborenen. Fragen Sie Tai-Hotauri. Heh, Tai-Hotauri! Was du glauben machen alte Parlay mit Wetter?«

»Er sein großer Wetterteufel«, lautete die Antwort des Kanaken. »Ich wissen. Er wollen großen Sturm, er machen großen Sturm. Er wollen keinen Wind, kein Wind kommen.«

»Ein richtiger alter Zauberer«, meinte Mulhall.

»Bringen nix Glück diese Perlen«, stieß Tai-Hotauri hervor und wiegte bedenklich den Kopf. »Er sagen, er verkaufen. Viel Schoner kommen. Dann er machen große Orkan, alle kaputt, ihr sehen. Alle Eingeborenen so sagen.«

»Es ist jetzt die Zeit der Wirbelstürme«, lachte Kapitän Warfield verdrießlich. »Die haben gar nicht so unrecht. Es braut sich was zusammen, und mir wäre wohler, wenn die Malahini ein paar tausend Kilometer entfernt wäre.«

»Er ist ein bißchen übergeschnappt«, schloß Grief. »Ich habe versucht herauszubekommen, was er denkt. Es ist - sagen wir

- etwas konfus. Achtzehn Jahre lang hatte sich bei ihm alles um Armande gedreht. Die Hälfte der Zeit glaubt er, daß sie noch am Leben, noch in Frankreich ist. Das ist einer der Gründe, weshalb er immer noch auf den Perlen sitzt. Und die Weißen haßt er auf ewig. Er vergißt nie, daß sie sie umgebracht haben, wenn er auch die meiste Zeit nicht wahrhaben will, daß sie tot ist. Hallo! Wo ist denn euer Wind geblieben?«

Die Segel flatterten über ihnen, und Kapitän Warfield stöhnte verärgert auf. So unerträglich die Hitze vorher schon gewesen war, jetzt, da der Wind aufgehört hatte, war sie einfach nicht mehr auszuhalten. Auf allen Gesichtern lief der Schweiß nur so herunter, und unwillkürlich fing einer nach dem anderen an, tief Atem zu holen, um mehr Luft zu bekommen.

»Da brist es wieder auf! - Um acht Grad anholen! Baumtaljen herüber! Beeilt euch!«

Die Kanaken folgten eilig den Anweisungen des Kapitäns, und fünf Minuten lang hielt sich der Schoner direkt in der Fahrrinne und kam sogar gegen die Strömung an. Und wieder flaute der Wind ab, blies dann aus der alten Richtung, so daß Segel und Taljen umgelegt werden mußten.

»Da kommt die Nuhiva«, sagte Grief. »Sie hat den Motor angeworfen. Seht, wie sie über das Wasser hüpft.«

»Alles bereit?« fragte der Kapitän den Maschinisten, einen Halbblutportugiesen, dessen Oberkörper aus der Luke direkt vor der Kabine auftauchte, und der sich den Schweiß mit einer Handvoll schmieriger Putzwolle vom Gesicht wischte.

»Klar«, antwortete er.

»Dann setzen Sie ihn in Gang.«

Der Maschinist verschwand in seinem Kabuff, und gleich darauf hustete und spuckte der Auspufftopf über der Bordwand. Aber der Schoner konnte seinen Vorsprung vor dem kleinen Kutter nicht halten, der, um einiges schneller, bald längsseits kam und die Führung übernahm. An Deck waren nur Eingeborene, und der Mann am Ruder winkte ihnen einen spöttischen Gruß und ein Lebewohl zu.

»Das ist Narii Herring«, sagte Grief zu Mulhall. »Der große Kerl am Steuer - der frechste und gewissenloseste Schurke in den Paumotus.«

Fünf Minuten später lenkte ein Freudenschrei ihrer eigenen Kanaken die Aufmerksamkeit erneut auf die Nuhiva. Deren Motor hatte eine Panne, und sie zogen an ihr vorbei. Die Matrosen der Malahini kletterten in die Takelage und machten beim Überholen höhnische Bemerkungen; der kleine Kutter krängte im Wind, warf eine breite Bugwelle auf und wurde durch die Strömung zurückgetrieben.

»Guter Motor, den wir da haben«, lobte Grief, als sich die Lagune vor ihnen auftat und sie Kurs auf den gegenüberliegenden Ankerplatz nahmen.

Kapitän Warfield war sichtlich erfreut, obwohl er nur brummte: »Er wird sich schon bezahlt machen, keine Bange.«

Die Malahini fuhr mitten in die kleine Flotte hinein, bis sie schließlich einen Ankerplatz fand.

»Dort ist Isaacs auf der Dolly«, bemerkte Grief und winkte grüßend. »Und Peter Gee auf der Roberta. Nichts könnte ihn von einer Perlenauktion wie dieser abhalten. Und da ist Francini auf der Cactus. Sie sind alle hier, alle Händler. Der alte Parlay wird sicher einen guten Preis erzielen.«

»Sie haben den Motor noch nicht wieder in Gang gebracht«, brummte Kapitän Warfield fröhlich.

Er blickte über die Lagune zur Nuhiva, deren Segel sich hinter den Kokospalmen abzeichneten.

Parlays Haus war ein großer, zweistöckiger Bau aus kalifornischem Holz mit einem Dach aus verzinktem Eisenblech. So unverhältnismäßig groß wirkte es im Vergleich zu dem schmalen Atollring, daß es sich wie eine monströse Wucherung von dem Sandstreifen abhob und alles überragte. Sobald die Malahini vor Anker lag, gingen alle an Land, um ihren Höflichkeitsbesuch abzustatten. Andere Kapitäne und Aufkäufer befanden sich bereits in dem großen Raum und nahmen die Perlen in Augenschein, die am nächsten Tag versteigert werden sollten. Paumotuanische Diener, Eingeborene von Hikihoho und Verwandte des Eigentümers gingen umher und reichten Whiskey und Absinth. Und mitten durch die neugierige Menge wanderte Parlay selbst, kichernd und spöttelnd, der verdorrte Überrest eines einst großen und starken Mannes. Seine Augen waren tief eingesunken und fiebrig, die Wangen eingefallen und hohl. Das Haar schien ihm büschelweise ausgefallen zu sein, und auch sein Schnurr- und Kinnbart wiesen hier und da kahle Stellen auf.

»Himmel!« murmelte Mulhall leise. »Ein langbeiniger Napoleon der Dritte, aber völlig vertrocknet, ausgebrannt, rissig. Und räudig! Kein Wunder, daß er den Kopf schief hält. Er muß ein Gegengewicht schaffen.«

»Wir kriegen Sturm«, sagte der Alte anstelle einer Begrüßung zu Grief. »Ihnen muß ja viel an Perlen liegen, daß Sie an einem solchen Tag hierher kommen.«

»Sie sind es wert, daß man dafür zur Hölle fährt«, lachte Grief gutgelaunt und ließ seine Blicke über den Tisch schweifen, der mit den Ausstellungsstücken übersät war.

»Andere haben sich ihretwegen schon genau diese Höllenfahrt eingehandelt«, kicherte der alte Parlay. »Sehen Sie diese hier!« Er wies auf ein Perle, vollkommen und etwa so groß wie eine kleine Walnuß, die ganz für sich auf einem Stück Sämischleder lag. »In Tahiti hat man mir sechzigtausend Francs dafür geboten. Morgen werden sie mir genausoviel und noch mehr dafür bieten, wenn sie bis dahin nicht weggeweht sind. Ja, diese Perle hat mein Vetter, mein angeheirateter Vetter, gefunden. Er war nämlich ein Eingeborener. Ein Dieb war er auch. Er versteckte sie, obwohl sie mir gehörte. Sein Vetter, der auch mein Vetter war - wir sind hier alle miteinander verwandt - brachte ihn wegen der Perle um und floh in einem Kutter nach Noo-Nau. Ich verfolgte ihn, aber der Häuptling von Noo-Nau hatte ihn schon getötet, bevor ich hinkam. Ach ja, da auf dem Tisch sind viele Tote vertreten.