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»Warum so eilig?« verspottete Parlay seine fliehenden Gäste und lachte in sich hinein. »Trinken Sie doch noch ein letztes Glas, meine wackeren Herrschaften.« Keiner achtete auf ihn. Als sie auf dem mit Muscheln eingefaßten Weg zum Strand hinuntereilten, steckte er den Kopf zur Tür heraus und rief ihnen nach: »Vergessen Sie nicht, meine Herren, morgen um zehn verkauft der alte Parlay seine Perlen!«

Am Strand spielte sich eine merkwürdige Szene ab. Ein Walboot nach dem anderen wurde eiligst bemannt und stieß vom Ufer ab. Es war noch dunkler geworden. Die drückende Windstille hielt an, und unter ihren Füßen bebte der Sand bei jedem Ansturm der Wellen gegen den Außenring. Narii Herring schlenderte gemächlich den Sandstrand entlang. Er grinste über die offensichtliche Hast der Kapitäne und Perlenaufkäufer. Bei ihm befanden sich drei seiner Kanaken und auch Tai-Hotauri.

»Ins Boot und an die Riemen«, befahl Kapitän Warfield dem letzteren.

Tai-Hotauri kam ganz munter herübergelaufen, während Narii Herring und seine drei Kanaken stehenblieben und aus etwa zwölf Metern Entfernung zuschauten.

»Ich nicht mehr arbeiten für Sie, Kapitän«, sagte Tai Hotauri frech und mit lauter Stimme. Aber sein Gesichtsausdruck strafte seine Worte Lügen, denn er zwinkerte mit den Augen.

»Sie mich feuern«, flüsterte er heiser mit einem zweiten bedeutungsvollen Augenzwinkern.

Kapitän Warfield verstand den Wink und ging auf das Spiel ein. Er erhob seine Faust und donnerte:

»Ins Boot mit dir, oder du bekommst eine Abreibung, daß dir Hören und Sehen vergeht!«

Der Eingeborene wich trotzig zurück, und Grief trat zwischen die beiden, um seinen Kapitän zu beschwichtigen.

»Ich werden arbeiten auf der Nuhiva«, sagte Tai-Hotauri und ging wieder zu den anderen zurück.

»Mach daß du herkommst!« rief der Kapitän drohend.

»Er ist ein freier Mann, Skipper«, mischte sich Narii Herring ein. »Er ist früher mit mir gefahren, und jetzt fährt er wieder mit mir, das ist alles.«

»Kommen Sie, wir müssen an Bord«, drängte Grief. »Sehen Sie nur, wie finster es wird.«

Kapitän Warfield gab nach, aber als das Boot ablegte, erhob er sich von den Achtersitzen und drohte mit der Faust in Richtung Strand.

»Ich rechne noch mit Ihnen ab, Narii«, rief er. »Sie sind der einzige Schiffer hier, der anderen seine Leute wegstiehlt.« Er setzte sich und fragte leise: »Was hat Tai-Hotauri nur vor? Irgend etwas führt er im Schilde, aber was?«

Als das Boot längsseits ging, empfing sie Hermanns ängstliches Gesicht über der Reling der Malahini.

»Der Boden des Barometers fällt schon heraus«, verkündete er. »Es wird gleich losgehen. Ich habe den Steuerbordanker klargemacht.«

»Machen Sie den großen auch klar«, ordnete Kapitän Warfield an und übernahm das Kommando. »Und hier, ihr da, hievt dieses Boot an Deck und zurrt es kieloben fest!«

Auf allen Schonern wurde fieberhaft gearbeitet. Lautes Kettengerassel erklang, als der Anker lose gegeben wurde, und bald manövrierte das eine Schiff, bald das andere, fierte und ließ einen zweiten Anker fallen. Wer wie die Malahini einen dritten Anker besaß, machte auch diesen klar, um ihn herunterzulassen, sobald man wußte, aus welcher Richtung der Wind kommen würde.

Das Tosen der mächtigen Brandung nahm ständig zu, obwohl kein Windhauch die spiegelglatte Oberfläche der Lagune kräuselte. Dort, wo das große Haus Parlays auf dem Sand saß, sah man kein Lebenszeichen. Boot, Kopraschuppen und die Hütten, in denen die Muschelschalen gelagert wurden, lagen verlassen da.

»Ich würde am liebsten die Anker lichten und machen, daß wir hier wegkommen«, sagte Grief. »Wenn wir auf dem offenen Meer wären, würde ich es bestimmt tun. Aber durch diese Atollketten im Norden und Osten sitzen wir in der Falle. Hier haben wir eher eine Chance. Was meinen Sie, Kapitän Warfield?«

»Ich stimme Ihnen zu, obwohl bei einem Sturm eine Lagune auch kein Mühlteich ist. Ich bin gespannt, von wo er zuerst losbricht. He! Da macht sich einer von Parlays Kopraschuppen selbständig.«

Sie konnten sehen, wie der grasgedeckte Schuppen sich hob und dann zusammenstürzte, während eine schäumende Gischtmasse über den Sandhügel hinweg in die Lagune fegte.

»Quer übergegangen!« rief Mulhall. »Für den Anfang nicht schlecht. Da geht’s weiter!«

Die Überreste der Hütte wurden hochgehoben und auf den Sandwall geschleudert. Eine dritte Welle zerschlug sie ganz, und die Trümmer wurden den Hügel hinunter in die Lagune gewaschen.

»Wenn es losginge, würde mir kühler«, brummte Hermann. »Ich kann nicht mehr atmen. Es ist so verdammt heiß. Wie im Backofen.«

Mit seinem schweren Fahrtenmesser hieb er eine Kokosnuß auf und leerte sie in einem Zug. Die anderen folgten seinem Beispiel, hielten nur einmal kurz inne, um zu sehen, wie einer von Parlays Muschel schuppen zusammenbrach. Das Barometer zeigte jetzt 29,50.

»Wir müssen dem Mittelpunkt des Tiefdruckgebietes ziemlich nah sein«, bemerkte Grief fröhlich. »Ich bin noch nie im Zentrum eines Wirbelsturms gewesen. Auch für Sie wird das eine ganz neue Erfahrung sein, Mulhall. Nach der Geschwindigkeit zu urteilen, mit der das Barometer fällt, wird es ein gewaltiger Orkan werden.«

Kapitän Warfield stöhnte, und alle Augen richteten sich auf ihn. Er schaute durch das Glas die Lagune hinunter nach Südost.

»Da kommt er«, sagte er ruhig.

Sie brauchten kein Fernglas, um es zu erkennen. Die Oberfläche der Lagune schien mit einer merkwürdig gekörnten Haut überzogen zu werden. Mit der gleichen Geschwindigkeit wurden gegenüber, auf dem Atoll, die Kokospalmen weit heruntergebogen, und Blätter wirbelten durch die Luft.

Die Sturmfront zeichnete sich auf der Lagune als ein durchgehender, scharf abgegrenzter Streifen dunklen, aufgepeitschten Wassers ab. Davor kamen, wie Vorgeplänkel, blitzartige, scharfe Böen. Dahinter folgte eine etwa vierhundert Meter breite Zone, die nach glasiger Windstille aussah. Dann wieder ein dunkler Streifen und anschließend eine einzige weißschäumende, siedende Masse.

»Was bedeutet diese ruhige Zone?« fragte Mulhall.

»Windstille«, antwortete Kapitän Warfield.

»Aber sie bewegt sich ja ebenso schnell wie der Wind«, wandte der andere ein.

»Das muß sie, oder sie würde eingeholt und wäre dann keine Windstille mehr. Das ist eine Doppelfront. Ich sah einmal eine gewaltige Sturmbö wie diese vor Savaii. Eine richtige Doppelfront. Rums! traf es uns, dann flaute es wieder völlig ab und schlug mit voller Wucht erneut zu. Geben Sie acht und halten Sie sich fest! Jetzt ist sie da. Sehen Sie sich die Roberta an!«

Die Roberta, die mit schlaffen Ketten dem Wind am nächsten lag, wurde breitseitig getroffen und wie ein Strohhalm fortgerissen. Dann brachten ihre Ankerketten sie mit einem erstaunlichen Ruck zum Stehen und zwangen den Bug in den Wind. Ein Schoner nach dem anderen, darunter auch die Malahini wurde nun von dem ersten Windstoß getroffen und dann von den sich straffenden Ketten gehalten. Mulhall und mehrere Kanaken auf der Malahini warf der scharfe Ruck von den Beinen.

Und dann hörte der Wind plötzlich auf. Der rasch dahinziehende Flautestreifen hatte sie erreicht. Grief zündete ein Streichholz an, und ohne zu flackern brannte die ungeschützte Flamme in der reglosen Luft. Es herrschte düsteres Zwielicht. Die schon seit Stunden immer tiefer herabsinkende Wolkendecke schien nun fast das Meer zu berühren.

Die Roberta zerrte an ihren Ketten, als die zweite Sturmspitze sie erreichte. So erging es rasch hintereinander Schoner um Schoner. Die See schäumte weiß auf, und aus der kochenden Gischt spritzten kleine Wellen hoch. Das Deck der Malahini bebte unter den Füßen der Männer. Die straffgespannten Falltaue trommelten gegen die Masten, und die ganze Takelage klimperte, wie von mächtiger Hand gerührt, eine wilde Melodie. Es war unmöglich, mit dem Gesicht gegen den Wind zu atmen. Mulhall, der nun mit den anderen hinter der schützenden Kajüte kauerte, machte diese Erfahrung, und dabei wurden seine Lungen im Nu mit soviel Luft gefüllt, daß er sie nicht wieder ausatmen konnte und fast daran erstickte, bevor er es fertigbrachte, den Kopf wegzudrehen.