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Kapitän Warfield schüttelte zweifelnd den Kopf.

Mit dem Umschlagen des Windes war die See in der Lagune etwas ruhiger geworden, dafür begannen sie jetzt den starken Wellengang des offenen Meeres zu spüren, das den Atollring überflutete. Von den Bäumen waren nicht mehr viele übriggeblieben. Einige waren ganz unten abgeknickt, andere völlig entwurzelt. Sie beobachteten, wie ein Baum, an dem sich drei Menschen festklammerten, in der Mitte durchbrach und von dem Sturm in die Lagune gewirbelt wurde. Zwei von ihnen lösten sich vom Stamm und schwammen zur Tahaa. Wenig später und kurz vor Anbruch der Dunkelheit sahen sie einen der beiden vom Achterdeck dieses Schoners über Bord springen und mit kräftigen Zügen durch die weißen, aufspritzenden Wellen auf die Malahini zuhalten.

»Es ist Tai-Hotauri«, meinte Grief. »Jetzt werden wir Neuigkeiten erfahren.«

Der Kanake zog sich am Stag hoch, kletterte über den Bug und kroch nach achtern. Man wartete, bis er wieder zu Atem gekommen war, und dann begann er im Schutz der Kajüte in abgehackten Sätzen und zum großen Teil mit Händen und Füßen seine Geschichte zu erzählen.

»Narii. verdammter Räuber. Er wollen stehlen. Perlen. Wollen töten Parlay. Ein Mann töten Parlay. Niemand wissen, welcher Mann. Drei Kanaken, Narii, ich. Und fünf Bohnen. Hut. Narii sagen, eine Bohne schwarz. Keiner wissen. Töten Parlay. Narii verdammter Lügner. Alle Bohnen schwarz. Fünf schwarz. Kopraschuppen dunkel. Jeder Mann kriegen schwarze Bohne. Großer Wind kommen. Ausgeschlossen. Alle klettern auf Baum. Nix Glück, diese Perlen, ich sagen euch vorher. Nix Glück.«

»Wo ist Parlay?« rief Grief.

»Auf Baum. Drei von seinen Kanaken selbe Baum. Narii und ein Kanake andere Baum. Mein Baum fliegen zur Hölle, dann ich kommen an Bord.«

»Wo sind die Perlen?«

»Auf Baum bei Parlay. Vielleicht Narii kriegen Perlen doch.«

Einem nach dem anderen schrie Grief Tai-Hotauris Geschichte ins Ohr. Kapitän Warfield war besonders aufgebracht, und sie konnten sehen, wie er mit den Zähnen knirschte.

Hermann stieg nach unten und kam mit einem Ankerlicht zurück, doch sobald er es über die Höhe der Kajütenwand hob, blies der Sturm es aus. Mehr Glück hatte er mit der Kompaßhauslampe, die aber erst nach vielen gemeinsamen Versuchen in Gang zu bringen war.

»Hübsch windige Nacht!« schrie Grief in Mulhalls Ohr. »Und es weht immer stärker.«

»Wie stark?«

»An die hundertfünfzig Stundenkilometer. zweihundert, dreihundert. ich weiß es nicht. Stärker als ich es je erlebt habe.«

Die Lagune wurde immer bewegter durch die Sturzseen, die über dem Atoll zusammenschlugen. Hunderte von Kilometern weit war der Ozean durch den Orkan zurückgestaut worden, bei weitem mehr, als es gewöhnlich durch die Ebbe geschieht. Als dann die Flut wieder einsetzte, wurden die Wellen merklich höher. Mond und Wind taten sich zusammen, um den ganzen Südpazifik über dem Atoll Hikihoho aufzutürmen.

Kapitän Warfield kehrte von einem seiner regelmäßigen Abstecher in den Maschinenraum mit der Nachricht zurück, daß der Maschinist ohnmächtig geworden sei.

»Wir müssen den Motor aber in Gang halten!« schloß er hilflos.

»In Ordnung«, sagte Grief. »Bringen Sie ihn an Deck. Ich werden ihn ablösen.«

Die Luke zum Maschinenraum war wasserdicht verschalkt, so daß man nur durch einen engen Gang von der Kajüte aus hineingelangen konnte. Die Hitze und der Benzindunst waren zum Ersticken. Grief verschaffte sich rasch einen Überblick über den Motor und die Einrichtung des winzigen Verschlages, dann blies er die Öllampe aus. Von nun an arbeitete er im Dunkeln, abgesehen von dem Glimmen seiner ewigen Zigarren, die er sich immer wieder in der Kajüte anzündete. So ausgeglichen er auch war, begann er doch bald deutliche Anzeichen der Anstrengung zu zeigen, die es kostete, mit einem mechanischen Monster eingepfercht zu sein, das sich in der lärmenden Finsternis abmühte, stöhnte und spuckte. Nackt bis zum Gürtel, mit Fett und Öl bedeckt, wund gestoßen und zerschrammt, da er von dem stampfenden und rollenden Schiff umhergeworfen wurde, halb betäubt von dem Gemisch aus Benzindampf und Luft, das er einatmen mußte, arbeitete er Stunde um Stunde, indem er jeden Teil des Motors abwechselnd streichelte, segnete, hätschelte und verfluchte. Die Zündung fing an zu stottern; die Kühlwasserzufuhr ließ zu wünschen übrig. Aber das Schlimmste waren die überhitzten Zylinder. Bei einer Lagebesprechung in der Kajüte flehte und bettelte der Maschinist, ein Halbblut, den Motor für eine halbe Stunde auszustellen, damit er abkühlen und die Wasserzufuhr gewartet werden könnte. Kapitän Warfield war dagegen. Das Halbblut schwor, daß der Motor sonst sowieso kaputtgehen und aussetzen würde, und zwar für immer. Grief, ölverschmiert und arg mitgenommen, schrie sie beide mit funkelnden Augen an, schimpfte und erteilte Befehle. Mulhall, der Frachtaufseher und Hermann wurden dazu eingeteilt, in der Kajüte das Benzin doppelt und dreifach zu filtern. In den Boden des Maschinenraums wurde ein Loch geschlagen, und ein Kanake schöpfte Bilgewasser über die Zylinder, während Grief alle beweglichen Motorteile immer wieder mit Öl begoß.

»Wußte gar nicht, daß Sie sich so gut mit Benzin auskennen«, meinte Kapitän Warfield bewundernd, als Grief in die Kajüte kam, um etwas weniger verpestete Luft zu schnappen.

»Ich bade in Benzin«, stieß er grimmig zwischen den Zähnen hervor. »Ich ernähre mich davon.«

Wozu er sonst noch Benzin verwenden könnte, erfuhr man nie, denn in diesem Augenblick wurden alle Männer in der Kajüte sowie das Benzin, das gerade den Filter passierte, nach vorne gegen das Schott geschleudert, da die Malahini plötzlich tief eintauchte. Einige Minuten waren die Männer unfähig, sich aufzurichten, rollten hin und her und purzelten von einer Wand an die andere. Der Schoner, von drei gewaltigen Seen getroffen, ächzte, stöhnte und zitterte und benahm sich wegen des Gewichts der Wassermassen auf den Decks, als sei er fast vollgelaufen. Grief kroch zum Motor, während Kapitän Warfield durch den Niedergang nach oben kletterte, sobald sich Gelegenheit dazu bot.

Erst nach einer halben Stunde kam er zurück.

»Das Boot ist weg!« berichtete er. »Die Kombüse ist weg! Außer dem Deck und den Luken ist nichts mehr da! Und wenn wir den Motor nicht gehabt hätten, wären wir auch weg! Machen Sie ihre Sache bloß weiter so gut!«

Um Mitternacht waren die Benzindämpfe soweit aus Lunge und Kopf des Maschinisten gewichen, daß er Grief ablösen konnte, der an Deck ging, um nun seinerseits Kopf und Lungen freizubekommen. Er gesellte sich zu den anderen, die hinter der Kajüte kauerten und sich daran sowohl mit den Händen festhielten als auch mit Tauen festgezurrt hatten, um sich doppelt zu sichern. Es herrschte ein wirres Gedränge, denn es war der einzige Zufluchtsort für die Kanaken. Einige von ihnen waren zwar der Einladung des Kapitäns in die Kajüte gefolgt, doch von den Dämpfen wieder vertrieben worden. Die Malahini wurde immer wieder unter Wasser gedrückt und überflutet, und was sie einatmeten, war ein Gemisch aus Luft, Gischt und Wasser.

»Jetzt wird es noch einmal richtig rauh, Mulhall!« rief Grief seinem Gast zu, als sie zwischendurch auftauchten.

Mulhall, der keuchend nach Atem rang, konnte nur nicken. Die Speigatts reichten nicht aus, um die Wasserlast auf dem Deck des Schoners aufzunehmen. Durch das Schlingern des Schiffes lief das Wasser zwar auf einer Seite über die Reling ab, die Malahini übernahm beim Aufrichten aber wieder und rollte auf die andere Seite; und manchmal, wenn sie den Bug himmelwärts kehrte und eine Weile in dieser Stellung verharrte, stürzte das Wasser wie eine Lawine nach achtern.

Es lief die Gangways zum Hüttendeck hinunter, ergoß sich über das Kajütendach, überflutete dabei diejenigen, die sich dort festklammerten, hinterließ blaue Flecken und floß über die Heckreling ab.