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Mulhall sah ihn zuerst und machte Grief aufmerksam. Es war Narii Herring, der im matten Lichtschein der Kompaßhauslampe kauerte und sich festhielt. Außer dem Gürtel, den er auf der bloßen Haut trug und in dem ein blankes Messer steckte, war er völlig nackt.

Kapitän Warfield band sich los und kroch über die anderen hinweg zu ihm hin. Im Schein der Lampe sah man, daß sein Gesicht vor Wut verzerrt war. Man konnte zwar erkennen, daß er etwas sagte, doch der Wind trug seine Worte fort. Er wollte seine Lippen nicht an Nariis Ohr legen. Statt dessen zeigte er auf die Reling. Narii Herring verstand. Seine weißen Zähne entblößten sich zu einem belustigten und höhnischen Grinsen, und er erhob sich, eine Prachtgestalt von einem Mann.

»Das ist Mord!« schrie Mulhall Grief zu.

»Er wollte den alten Parlay umbringen«, schrie Grief zurück.

In diesem Augenblick war das Hüttendeck frei von Wasser, und die Malahini hatte sich aufgerichtet. Narii versuchte, in stolzer Haltung zur Reling zu gehen, wurde aber vom Wind umgeworfen. Darauf kroch er fort und verschwand in der Dunkelheit, aber keiner zweifelte daran, daß er über Bord gegangen war. Die Malahini tauchte tief ein, und als sie sich wieder durch die Fluten emporkämpfte, die nach achtern abliefen, rief Grief Mulhall ins Ohr.

»Er wird nicht untergehen. Man nennt ihn den Fischmenschen von Tahiti! Er wird über die Lagune schwimmen und auf der anderen Seite des Atolls an Land gehen, falls es da noch ein Atoll gibt.«

Fünf Minuten später schwappte, nachdem sie wieder einmal untergetaucht waren, ein wirres Knäuel menschlicher Leiber vom Kajütendach. Sie packten zu und hielten die Neuankömmlinge fest, bis das Wasser abgelaufen war. Dann trugen sie sie nach unten, um festzustellen, wer sie waren. Der alte Parlay lag reglos und mit geschlossenen Augen auf dem Rücken. Bei den anderen beiden handelte es sich um seine eingeborenen Vettern. Alle drei waren nackt und blutig. Der Arm des einen Kanaken war gebrochen und hing nutzlos herunter. Der andere blutete aus einer scheußlichen Kopfwunde.

»Hat Narii das getan?« fragte Mulhall.

Grief schüttelte den Kopf. »Nein, das ist passiert, als sie auf das Deck geschmettert und über die Kajüte gespült wurden!«

Plötzlich trat eine Veränderung ein, die eine Art Schwindelgefühl hervorrief. Im ersten Augenblick verweigerte man sich der Einsicht, daß kein Wind mehr wehte. Wie durch einen Schwerthieb war der Sturm abrupt abgeschnitten worden. Der Schoner stampfte und rollte und zerrte mit einem krachenden Geräusch, das jetzt zum erstenmal zu hören war, an den Ankern. Zum erstenmal auch konnten sie das Plätschern des Wassers auf Deck hören. Der Maschinist stellte den Propeller ab und drosselte den Motor.

»Wir sind im Auge des Sturms«, sagte Grief. »Es wird gleich wieder losgehen, und dann kommt es genauso schlimm wie vorher.« Er sah auf das Barometer. »29,32«, las er ab.

So schnell konnte er seine Stimme, die stundenlang gegen den Wind angeschrien hatte, nicht umstellen, und er sprach so laut, daß die Ohren der anderen in der Stille schmerzten.

»Alle seine Rippen sind gebrochen«, sagte der Frachtaufseher, als er Parlays Seite abtastete. »Er atmet zwar noch, aber es geht mit ihm zu Ende.«

Der alte Parlay stöhnte, bewegte kraftlos einen Arm und öffnete die Augen. Sie leuchteten auf, als er die Umstehenden wiedererkannte.

»Meine wackeren Herrschaften«, flüsterte er mit versagender Stimme. »Vergessen Sie nicht. die Auktion. um zehn Uhr. in der Hölle.«

Seine Augen schlossen sich, die Kinnlade drohte herunterzufallen, doch es gelang ihm, die Gewalt über seinen sich auflösenden Körper noch ein letztes lautes, höhnisches Kichern lang aufrechtzuerhalten.

Über und unter ihnen brach jetzt die Hölle los. Das wohlbekannte Brüllen des Windes setzte wieder ein. Die breitseits getroffene Malahini holte extrem weit über, als sie den Bogen beschrieb, der ihr von den Ankern aufgezwungen wurde. Dann drehten sie das Schiff in den Wind, und es richtete sich auf. Der Propeller wurde eingekuppelt, und der Motor arbeitete weiter.

»Nordwest!« rief Kapitän Warfield Grief zu, als er an Deck kam. »Sprang auf Stärke acht wie der Blitz!«

»Jetzt wird Narii nie über die Lagune kommen!« meinte Grief.

»Dann wird er wieder auf unsere Seite zurückgeweht, so ein Pech!«

Nachdem sie das Orkanzentrum passiert hatten, begann das Barometer zu steigen. Entsprechend rasch ging auch der Wind zurück. Als er nur noch eine ziemlich steife Brise war, hob sich der Motor, löste sich mit einem letzten Aufbäumen seiner vierzig Pferdestärken von seiner Verankerung und kippte auf die Seite. Ein Wasserschwall aus der Bilge ergoß sich zischend über ihn, und Dampfwolken stiegen hoch. Der Maschinist jammerte über das Unglück, doch Grief warf einen zärtlichen Blick auf das Wrack und ging in die Kajüte, um sich mit Putzwolle das Öl von Brust und Armen zu wischen.

Die Sonne stand am Himmel, und es wehte das sanfteste Sommerlüftchen, als er wieder an Deck kam, nachdem er die Kopfwunde des einen Kanaken vernäht und den Arm des anderen eingerenkt hatte. Die Malahini lag dicht am Ufer. Vorn war Hermann mit der Mannschaft dabei, aufzuholen und die Ankerketten zu entwirren. Die Papara und die Tahaa waren verschwunden, und Kapitän Warfield suchte die gegenüberliegende Seite des Atolls mit seinem Glas ab.

»Nicht mal Kleinholz ist von ihnen übriggeblieben«, sagte er. »So geht’s, wenn man keinen Motor hat. Sie müssen abgetrieben sein, bevor der große Umschwung kam.«

An Land, dort wo Parlays Haus gestanden hatte, war keine Spur mehr davon zu sehen. Über eine Breite von dreihundert Metern hatte die Sturmflut weder Baum noch Stumpf stehengelassen. Etwas weiter entfernt fand sich hier und da eine vereinzelte Palme, und unzählige waren dicht über dem Boden abgebrochen. In der Krone eines stehengebliebenen Baums sollte sich nach Ansicht Tai-Hotauris etwas bewegen. Die Malahini hatte keine Boote mehr, und so schauten sie ihm zu, wie er an Land schwamm und auf die Palme kletterte.

Bei seiner Rückkehr halfen sie auch einem jungen eingeborenen Mädchen aus Parlays Haushalt über die Reling. Doch zuerst reichte sie ihnen einen ziemlich mitgenommenen Korb hinauf. Darin lag ein Wurf blinder Kätzchen - alle waren tot, bis auf eines, das schwach miaute und unbeholfen und unsicher auf den Beinen stand.

»He!« sagte Mulhall. »Wer ist denn das?«

Am Strand ging ein Mann entlang. Er bewegte sich gemächlich, als mache er einen Morgenspaziergang. Kapitän Warfield knirschte mit den Zähnen. Es war Narii Herring.

»Hallo Skipper!« rief Narii, als er auf gleicher Höhe mit ihnen war. »Kann ich an Bord kommen und frühstücken?«

Kapitän Warfields Gesicht und Hals begannen anzuschwellen und sich dunkelrot zu verfärben. Er versuchte zu sprechen, aber die Kehle war ihm wie zugeschnürt.

»Ich würde ihn am liebsten. ich würde ihn am liebsten.« war alles, was er herausbringen konnte.

AUF DER MAKALOA-MATTE

Im Gegensatz zu den Frauen der meisten südländischen Rassen altern die Hawaiianerinnen langsam und bewahren ihre Schönheit. Ein sachkundiger Beobachter würde die Frau, die unter dem Hau-Baum saß, überall auf der Welt auf etwa fünfzig geschätzt haben. Nur auf Hawaii gelten auch ohne Schminke und Angst vor Altersspuren andere Gesetze. Die Kinder und Enkel sowie Roscoe Scandwell, der seit vierzig Jahren ihr Ehemann war, wußten natürlich, daß sie vierundsechzig war und am zweiundzwanzigsten Juni dieses Jahres fünfundsechzig werden würde. Doch man sah es ihr nicht an, auch wenn sie zum Lesen ihrer Zeitschrift eine Brille aufsetzte und sie wieder abnahm, sobald sie ihren Blick zu dem halben Dutzend Kinder, die auf dem Rasen spielten, hinüberwandern lassen wollte.

Es war ein prächtiger Ort - prächtig wie der uralte HauBaum, der so groß wie ein Haus war und unter dessen schattigem Blätterdach es sich auch so angenehm wie in einem Haus sitzen ließ, prächtig wie der Rasen, dessen grünsamtene Fläche, die einen Schätzwert von sechshundert Dollar pro Frontmeter hatte, sich landeinwärts bis zu einem ebenso ansehnlichen, prächtigen und stattlichen Bungalow erstreckte. Zum Strande zu sah man durch einen Saum von dreißig Meter hohen Kokospalmen den Ozean schimmern, jenseits des Riffs in einem tiefen Blau, das zum Horizont hin ins Indigo wechselte, in der Lagune aber die ganze zarte Farbskala von Jade über Smaragd bis zum Turmalin widerspiegelte.