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Und dies war nur eines von dem halben Dutzend Häusern, das Martha Scandwell gehörte. Ihr nur wenige Meilen von Honolulu entfernt am Nuuanu Drive gelegenes Stadthaus war ein Palast. Eine Unzahl von Gästen hatte die Behaglichkeit und die fröhliche Atmosphäre ihres Berghauses auf dem Tantalus, ihres Vulkanhauses, ihres Mauka- (an der Bergseite gelegenen) Hauses und ihres Mauki- (zum Meer hin gelegenen) Hauses auf der großen Insel Hawaii kennengelernt. Doch dieses Haus in Waikiki stand den anderen an Schönheit, an Stattlichkeit und an Kosten für die Instandhaltung in nichts nach. Zwei japanische Gartenarbeiter schnitten den Hibiskus zurück, ein dritter hantierte fachmännisch an der Cereushecke, die schon bald ihre geheimnisvolle nächtliche Blütenpracht entfalten sollte. Ein japanischer Hausdiener in makellosen weißen Hosen trug den Tee auf, gefolgt von einem japanischen Dienstmädchen, das so hübsch und so leicht und rastlos wie ein Schmetterling in der typischen Kleidung seiner Heimat der Herrin aufwartete. Ein zweites japanisches Mädchen mit einer stattlichen Anzahl von Frottiertüchern auf dem Arm überquerte rechterhand den Rasen und ging auf die Badehäuser zu, vor denen gerade die ersten Kinder in Badeanzügen erschienen. Dahinter, unter den Palmen am Strand, kümmerten sich zwei chinesische Kindermädchen in der hübschen heimatlichen Tracht aus weißen Yeeshons und geradegeschnittenen Hosen, mit schwarzen, am Rücken herunterbaumelnden Zöpfen um die beiden Säuglinge in ihren Kinderwagen.

Und sie alle - Diener, Kindermädchen und Enkelkinder -gehörten zu Martha Scandwell. Auch ihre Hautfarbe fand sich bei ihren Enkelkindern wieder - diese unverkennbare Tönung, die nur die Sonne Hawaiis zustande bringt. Zu einem Achtel und einem Sechzehntel waren sie Hawaiianer, das hieß, daß sieben Achtel und fünfzehn Sechzehntel weißes Blut unter dieser Haut floß und es doch nicht fertigbrachte, den winzigen Rest von Polynesiens dunklem Goldschimmer ganz zu tilgen. Aber auch hier hätte nur ein geübter Beobachter erkennen können, daß diese vergnügt umhertollenden Kinder sich irgendwie von reinblütigen Weißen unterschieden. Roscoe Scandwell, der Großvater, war ganz weiß, Martha war es zu drei Vierteln, ihre vielen Söhne und Töchter zu sieben Achteln. Die Enkel waren bereits zu fünfzehn Sechzehntel weiß oder, in den Fällen, in denen ihre Sieben-Achtel-Väter und -Mütter wiederum Sieben-Achtel-Weiße geheiratet hatten, waren sie zu vierzehn Sechzehntel oder sieben Achteln weiß. In beiden Fällen war die Ahnenreihe makellos, Roscoe stammte in gerader Linie von den Puritanern Neuenglands, Martha in ebenso direkter Linie von den königlichen Herrscherfamilien Hawaiis ab, deren Genealogien schon mehr als tausend Jahre vor Einführung der Schrift in Meles besungen worden waren.

In der Ferne hielt ein Auto an und ließ eine Frau aussteigen, deren Alter man auf höchstens sechzig geschätzt hätte, und die so leichtfüßig wie eine jugendliche Vierzigerin über den Rasen schritt, in Wahrheit aber achtundsechzig Jahre alt war. Martha erhob sich, um sie auf die herzliche hawaiische Art mit Umarmungen, Küssen auf den Mund, mit beredtem Gesicht und nicht minder beredtem Körper voll aufrichtiger Freude und echtem Gefühlsüberschwang zu begrüßen. Und »Schwester Bella« und »Schwester Martha« ging es hin und her, dazwischen unzusammenhängende Fragen nach dem gegenseitigen Wohlergehen, nach diesen und jenen Onkeln, Brüdern und Tanten, bis sie, kaum daß sich die erste Wiedersehensfreude gelegt hatte, mit vor Zärtlichkeit feuchten Augen dasaßen und sich über ihre Teetassen hinweg anblickten. Offenbar hatten sie sich jahrelang nicht gesehen und in die Arme geschlossen. Tatsächlich lag ihre letzte Begegnung erst zwei Monate zurück. Und die eine war vierundsechzig, die andere achtundsechzig Jahre alt. Aber dieses vollkommene Einvernehmen kam daher, daß in beiden zu einem Viertel das sonnenwarme, liebeswarme Herz von Hawaii schlug.

Die Kinder umdrängten Tante Bella wie eine steigende Flut und wurden ausgiebig umarmt und abgeküßt, ehe sie mit ihren Kindermädchen wieder zum Badestrand gingen.

»Ich habe mir gedacht, ich sollte wieder einmal für ein paar Tage an den Strand fahren, nachdem die Passatwinde aufgehört haben«, erklärte Martha.

»Du bist doch schon seit zwei Wochen hier«, lächelte Bella ihre jüngere Schwester liebevoll an. »Bruder Edward hat es mir erzählt. Ich traf ihn auf dem Dampfer, und er bestand darauf, daß ich mitkomme, um Louise und Dorothy und sein erstes Enkelkind in Augenschein zu nehmen. Er ist seinetwegen ganz aus dem Häuschen.«

»Du meine Güte!« rief Martha. »Zwei Wochen! Ich hätte nicht gedacht, daß es schon so lange her ist.«

»Wo ist Annie? - und Margaret?« fragte Bella.

Martha zuckte die fleischigen Schultern zum Zeichen umfassender Nachsicht und Zuneigung für ihre Töchter, diese umtriebigen Rabenmütter, die ihre Kinder den Nachmittag über der Obhut der Großmutter anvertraut hatten.

»Margaret ist bei einer Versammlung des Naturkreises - sie wollen die ganze Kalakaua-Avenue entlang auf beiden Seiten Bäume und Hibiskusbüsche pflanzen«, sagte sie. »Und Annie fährt ihre achtzig Dollar teuren Reifen ab, um fünfundsiebzig Dollar für das britische Rote Kreuz zusammenzubekommen -heute ist nämlich ihr Sammeltag, weißt du.«

»Roscoe muß sehr stolz sein«, sagte Bella und bemerkte das helle und triumphierende Aufleuchten in den Augen ihrer Schwester. »Ich erhielt in San Francisco die Nachricht von der ersten Gewinnausschüttung bei Ho-o-la-a. Erinnerst du dich, als die Aktien noch bei fünfundsiebzig Cents standen und ich tausend Dollar für die Kinder der armen Abbie zeichnete und sagte, daß ich verkaufen würde, wenn sie auf zehn Dollar gestiegen seien?«

»Und alle lachten dich und jeden anderen aus, der Aktien zeichnete«, nickte Martha. »Aber Roscoe wußte schon, was er tat. Heute stehen sie auf vierundzwanzig.«

»Ich habe meine vom Dampfer aus über Funk verkauft - bei runden zwanzig«, fuhr Bella fort. »Und jetzt ist Abbie dabei, wie wild Kleider zu nähen. Sie fährt mit Mary und Tootsie nach Paris.«

»Und Carl?« erkundigte sich Martha.

»Oh, er wird in Yale seinen Abschluß machen - «

»Was er ohnehin durchgezogen hätte, und das weißt du auch«, wies Martha sie zurecht und verfiel dabei auf reizende Weise in den Jargon des zwanzigsten Jahrhunderts.

Bella gestand schuldbewußt ein, daß sie für den Sohn ihrer Schulfreundin das Studium hatte bezahlen wollen, und fügte zufrieden hinzu:

»Und trotzdem war es besser, die Ho-o-la-a dafür aufkommen zu lassen. Eigentlich ist es ja Roscoe, der es bezahlt, denn auf seinen Rat hin habe ich das Geld dort angelegt.« Sie ließ den Blick langsam umherschweifen; ihre Augen nahmen dabei nicht nur die Schönheit, die Behaglichkeit und Ruhe all der Dinge wahr, auf die sie sich richteten, sondern gleichzeitig auch die unermeßliche Schönheit, Behaglichkeit und Ruhe alles dessen, was diese Dinge, die in solchen Oasen über das ganze Archipel verstreut waren, verkörperten. Sie seufzte zufrieden und meinte: »Alle unsere Ehemänner haben uns durch das, was wir mit in die Ehe gebracht haben, zu Wohlstand verholfen.«

»Und zu Glück.«, stimmte Martha ihr bei, brach dann aber mit verdächtiger Plötzlichkeit ab.

»Und zu Glück, uns allen, mit Ausnahme von Schwester Bella«, führte Bella - ganz ohne Vorwurf - den Gedanken für sie zu Ende.