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»Diese Heirat war wirklich ein Mißgriff«, murmelte Martha voll zärtlichen Mitgefühls. »Du warst noch so jung. Onkel Robert hätte dich nie zu dieser Ehe drängen sollen.«

»Ich war erst neunzehn«, nickte Bella. »Aber es war nicht George Castners Schuld. Und sieh nur, was er, noch aus seinem Grab heraus, für mich getan hat. Onkel Robert war klug. Er wußte, daß George Weitblick, Energie und Beständigkeit besaß. Er sah schon damals, und das war vor fünfzig Jahren, den Wert der Wasserrechte von Nahala, denen damals niemand Bedeutung beimaß. Sie dachten, er arbeite darauf hin, Weideland zu kaufen, während er dabei die Zukunft, die im Wasser lag, im Auge hatte - und wie erfolgreich er damit war, weißt du ja. Manchmal schäme ich mich fast, wenn ich an mein Einkommen denke. Nein, was man auch immer anführen mag, es lag nicht an George, daß unsere Ehe unglücklich war. Ich weiß, daß ich glücklich mit ihm hätte leben können, bis auf den heutigen Tag, wenn er am Leben geblieben wäre.« Sie schüttelte langsam den Kopf. »Nein, es war weder seine Schuld noch die eines anderen. Nicht einmal meine. Wenn überhaupt jemanden eine Schuld trifft«, das wehmütige Lächeln nahm ihrer Anklage die Spitze, »dann Onkel John.«

»Onkel John!« rief Martha erstaunt aus. »Wenn es schon einer von den beiden sein soll, dann hätte ich gesagt, Onkel Robert. Aber Onkel John!«

Bella lächelte mit nachsichtiger Gewißheit.

»Aber es war doch Onkel Robert, der dich mit George Castner verheiratet hat«, warf ihre Schwester ein.

»Das ist schon wahr«, nickte Bella bestätigend. »Aber es ging nicht um einen Ehemann, sondern um ein Pferd. Ich wollte mir von Onkel John ein Pferd leihen, und Onkel John sagte ja. So ist alles gekommen.«

Eine rätselhafte Stille sank plötzlich herab, und während die Stimmen der Kinder und die sanften Ermahnungen der asiatischen Dienstmädchen vom Strand näherkamen, bebte Martha innerlich vor Erregung, als sie einen unerwarteten Wagemut in sich aufsteigen fühlte. Sie winkte die Kinder fort.

»Lauft weiter, meine kleinen Lieblinge, lauft weiter. Großmama und Tante Bella möchten sich unterhalten.«

Und während der süße, helle Klang der Kinderstimmen langsam über dem Rasen verebbte, betrachtete Martha mit der Scharfsicht des Herzens die Spuren der Trauer, die das geheime Leid ein halbes Jahrhundert lang in das Gesicht ihrer Schwester eingegraben hatte. Seit fast fünfzig Jahren kannte sie diese Linien. Sie überwand all die rührende Sanftmut der Hawaiianerin in sich, um das Schweigen eines halben Jahrhunderts zu brechen.

»Bella«, sagte sie. »Wir wußten nie etwas. Du hast ja nicht darüber gesprochen. Aber wir haben uns oft Gedanken gemacht, ach, so oft - «

»Und habt nie gefragt«, murmelte Bella dankbar.

»Aber jetzt endlich frage ich dich. Unser Lebensabend ist angebrochen. Hör sie dir an! Manchmal erschrecke ich fast bei dem Gedanken, daß es Enkelkinder sind, meine Enkel - ich, die erst gestern noch, so scheint es, das ungebundenste, freieste und sorgloseste Mädchen war, das je auf einem Pferd gesessen hat, in den hohen Brandungswellen schwamm, bei Ebbe Opihis sammelte oder ein Dutzend Verehrer auslachte. Und jetzt, wo unser Tag sich neigt, laß uns alles vergessen, außer daß ich deine liebe Schwester bin, so wie du die meine bist.«

Beide hatten feuchte Augen. Bella zitterte offensichtlich vor der Aussprache.

»Wir dachten, es läge an George Castner«, fuhr Martha fort, »und wir glaubten, die Einzelheiten zu erraten. Er war kühl. Und du warst eine warmherzige Hawaiianerin. Er muß grausam gewesen sein. Bruder Walcott behauptete stets, er müsse dich geschlagen haben - «

»Nein! Nein!« unterbrach Bella sie. »George Castner war nie brutal, nie roh. Oft hätte ich es mir fast gewünscht. Aber er hat mich nie angerührt, nie die Hand gegen mich erhoben.

Niemals - ach, kannst du das glauben? - bitte, Schwester, glaub’ es mir - nie ist ein heftiges, ein böses Wort zwischen uns gefallen. Aber sein Haus, unser Haus in Nahala war grau. Grau war seine einzige Farbe, und kühl und frostig blieb es, während ich von all den Farben der Sonne, der Erde, des Blutes und meiner Herkunft durchdrungen war. Es war sehr kalt in Nahala, grau und kalt, mit diesem kalten, grauen Menschen, meinem Ehemann. - Du weißt, daß er grau war, Martha. Grau wie diese Porträts von Emerson, die immer in der Schule hingen. Seine Haut war grau. Die Sonne und das Wetter und all die Stunden, die er im Sattel verbrachte, konnten sie nicht bräunen. Und innen war er ebenso grau wie außen.

Und ich war erst neunzehn, als Onkel Robert die Heirat beschloß. Was verstand ich schon davon? Onkel Robert sprach mit mir. Er zeigte mir, wie der Reichtum und der Landbesitz auf Hawaii bereits in die Hände der Haoles, der Weißen, überzugehen begann.

Die hawaiischen Häuptlinge ließen es zu, daß ihnen ihr Eigentum entglitt. Die Besitzungen der hawaiischen Prinzessinnen hingegen, die Haoles geheiratet hatten, vermehrten sich unter der Verwaltung ihrer weißen Ehemänner aufs wunderbarste. Er verwies auf unseren Großvater Robert Wilton, der die armseligen im Inselinneren gelegenen Mauka-Ländereien unserer Großmutter übernommen, dazugekauft und schließlich um diesen Besitz herum die Kilohana-Ranch aufgebaut hatte - «

»Selbst damals schon kam sie gleich an zweiter Stelle hinter der Parker-Ranch«, unterbrach Martha sie stolz.

»Und dann sagte er mir, wenn unser Vater vor seinem Tode so vorausschauend wie Großvater gewesen wäre, dann wäre die Hälfte von dem damaligen Parker-Besitz zu Kilohana gekommen, und Kilohana hätte dadurch an erster Stelle gestanden. Und er sagte, daß Rindfleisch niemals mehr, bis in alle Ewigkeit, billiger sein würde. Und er sagte auch, daß die Zukunft Hawaiis im Zucker läge. Das war vor fünfzig Jahren, und es hat sich mehr als bewahrheitet. Und er sagte, daß der junge Haole George Castner es in seiner vorausschauenden Art weit bringen würde und daß wir viele Mädchen wären in der Familie, daß die Ländereien von Kilohana dem Gesetz nach auf die Söhne übergehen müßten und daß meine Zukunft, wenn ich George heiratete, aufs beste gesichert wäre.

Ich war erst neunzehn. Gerade zurück von der Königlichen Schule - das war, bevor unsere Mädchen zur Ausbildung in die Staaten geschickt wurden. Du warst eine der ersten, Schwester Martha, die ihre Erziehung auf dem Festland erhielten. Und was wußte ich schon von Liebe und Geliebten oder gar von Ehe? Alle Frauen heirateten. Das war ihre Bestimmung im Leben. Mutter und Großmutter und alle, die vor ihnen waren, hatten geheiratet. Es war meine Aufgabe im Leben, George Castner zu heiraten. So sprach Onkel Robert in seiner Weisheit, und ich wußte, daß er sehr weise war. Und ich ging, um mit meinem Ehemann in dem grauen Haus auf Nahala zu leben.

Du erinnerst dich doch daran. Keine Bäume, nur endloses Weideland, dahinter die hohen Berge, darunter nur Meer und Wind! Der Wind von Waimea und der Wind von Nahala - uns erreichten beide, und der Wind von Kona. Doch sie hätten mich ebensowenig gestört, wie sie uns auf Kilohana störten oder den Bewohnern von Mana etwas ausmachten, wäre Nahala selbst nicht so grau gewesen und wäre mein Mann George nicht so grau gewesen. Wir waren allein. Er verwaltete Nahala für die Glenns, die nach Schottland zurückgekehrt waren. Er verdiente achtzehnhundert jährlich, dazu Fleisch, Reitpferde, Anspruch auf Arbeitskräfte und das Ranchhaus - «

»Das war ein hohes Gehalt in jenen Tagen«, sagte Martha.

»Und für George Castner und das, was er leistete, war es sehr wenig«, verteidigte Bella ihn. »Ich lebte drei Jahre lang mit ihm zusammen. Es gab keinen Morgen, wo er nach halb fünf noch im Bett war. Er opferte sich für seinen Arbeitgeber auf. Ehrlich bis auf den letzten Pfennig in seinen Abrechnungen, widmete er ihm seine ganze Zeit und Energie. Vielleicht hat das auch dazu beigetragen, daß unser Leben so grau war. Aber hör zu, Martha. Von seinen achtzehnhundert legte er jedes Jahr sechzehnhundert auf die Seite. Überleg’ dir! Wir beide lebten von zweihundert im Jahr. Glücklicherweise trank er nicht und rauchte nicht. Von diesem Geld haben wir uns auch gekleidet. Ich nähte mir meine Kleider selbst. Du kannst dir vorstellen, wie sie aussahen. Außer dem Feuerholz, das die Cowboys hackten, machte ich die ganze Hausarbeit. Ich kochte und buk und schrubbte - «