Выбрать главу

Robert und John hatten meinem Mann bei der Heirat je fünftausend Dollar gegeben. Aber George bat darum, es geheimzuhalten. Nur wir vier wußten davon. Und während ich auf dieser verrückten Maschine meine billigen Holokus [weite lose Kleider] nähte, kaufte er Land mit diesem Geld - das obere Nahalaland, weißt du - immer nur ein Stückchen, jeder Kauf ein zäher Handel, bei dem ihm die bittere Armut im Gesicht geschrieben stand. Heute bringt mir der Nahalagraben allein vierzigtausend jährlich.

Aber war es das wert? Ich hungerte. Wenn er mich nur ein einziges Mal leidenschaftlich umarmt hätte! Wenn er seinen eigenen Geschäften oder der Treue zu seinem Arbeitgeber nur einmal fünf Minuten gestohlen und sie mir gewidmet hätte! Manchmal hätte ich schreien, ihm die ewige Schüssel mit heißem Haferbrei ins Gesicht schleudern oder die Nähmaschine auf den Boden werfen und darauf Hula tanzen können, nur um ihn aus seiner Reserve zu locken, ihn in Rage zu bringen, damit er sich wie ein Mensch, ein Scheusal, wie jeder andere Mann verhielte, statt wie ein grauer, eisiger Halbgott.«

Der traurige Ausdruck auf Bellas Gesicht verschwand, und sie lachte laut auf, als sie sich an eine komische Einzelheit erinnerte.

»Und wenn ich in so einer Stimmung war, pflegte er mich besorgt und prüfend anzusehen, fühlte mir besorgt den Puls, besah meine Zunge, flößte mir mit besorgter Miene Rizinusöl ein, steckte mich besorgt und beizeiten mit heißen Ofenplatten ins Bett und versicherte mir, daß ich mich am nächsten Morgen besser fühlen würde. Früh ins Bett! Für uns war es eine Ausschweifung, wenn wir bis neun Uhr aufblieben. Acht Uhr war unsere gewohnte Schlafenszeit. Das sparte Petroleum. Es gab kein Mittagessen auf Nahala - erinnerst du dich an die große Tafel in Kilohana, an der wir alle zu Mittag aßen? Doch mein Mann George und ich aßen Abendbrot. Und danach pflegte er am Tisch dicht vor der Lampe zu sitzen und eine Stunde lang in alten, geliehenen Zeitschriften zu lesen, während ich ihm gegenübersaß und seine Socken und Unterwäsche stopfte. Er trug immer so billiges, schäbiges Zeug. Und wenn er zu Bett ging, ging ich auch. Keine unnütze Petroleumverschwendung, wenn es nur einem zugute kommen würde. Und zu Bett ging er immer nach demselben Ritual. Er drehte seine Uhr auf, trug das Wetter des Tages in sein Tagebuch ein, zog sich die Schuhe aus, stets den rechten zuerst, dann den linken, und stellte sie in der gleichen Reihenfolge am Fußende seiner Bettseite auf den Boden.

Er war der sauberste Mann, den ich je gekannt habe. Nie trug er dasselbe Unterzeug zweimal. Ich machte die Wäsche. Er war so sauber, daß es weh tat. Zweimal täglich rasierte er sich. Er verbrauchte für seinen Körper mehr Wasser als jeder Eingeborene. Er leistete mehr als zwei Haoles. Und er sah, welche Zukunft das Wasser von Nahala hatte.«

»Und er machte dich reich, aber er machte dich nicht glücklich«, bemerkte Martha.

Bella seufzte und nickte.

»Was ist schon Reichtum letzten Endes, Schwester Martha? Meine neue Limousine kam auf demselben Dampfer an wie ich. Mein dritter Pierce-Arrow in zwei Jahren. Aber ach, was sind schon alle Nobelkarossen und aller Reichtum dieser Welt verglichen mit dem Geliebten! - dem einzigen Geliebten, dem Gefährten, den man heiratet, an dessen Seite man sich abrackert, mit dem man Freud und Leid teilt, mit ihm, dem einen wirklichen Mann, Geliebten, Ehegatten - «

Ihre Stimme verlor sich, und die Schwestern waren in nachdenkliches Schweigen versunken, als eine auf einen Stock gestützte alte Frau, gebeugt, gekrümmt und eingeschrumpft unter der Last eines hundertjährigen Lebens, über den Rasen auf sie zugehumpelt kam. Ihre eingefallenen Augen, kaum mehr als Gucklöcher, waren scharf wie die eines Mungos. Zu Bellas Füßen sank sie zuerst nieder, murmelte und sang mit ihrem zahnlosen Mund in reinem Hawaiisch ein Mele über Bella und Bellas Vorfahren und fügte aus dem Stegreif einen Willkommensgruß anläßlich ihrer Rückkehr aus Kalifornien hinzu. Und während sie ihr Mele sang, praktizierten die geschickten Finger der Alten Lomi und massierten die seidenbestrumpften Beine Bellas vom Knöchel bis zur Wade, hinauf zum Knie und zum Schenkel.

Bellas und auch Marthas Augen schimmerten feucht, während die alte Dienerin Lomi und Mele bei Martha wiederholte, sie sich mit ihr in ihrer Muttersprache unterhielten und die uralten Fragen nach ihrer Gesundheit, ihrem Alter und ihren Ur-Ur-Urenkeln stellten. Schließlich hatte die Alte schon Lomi bei ihnen praktiziert, als sie noch kleine Kinder in dem großen Haus in Kilohana gewesen waren, so wie es ihre Vorfahren bei Bellas und Marthas Vorfahren seit unzähligen Generationen getan hatten. Als der kurze Pflichtbesuch beendet war, erhob sich Martha und begleitete sie zurück zum Bungalow, drückte ihr Geld in die Hand und befahl den stolzen, schönen japanischen Hausmädchen, der gebrechlichen Ureinwohnerin mit dem aus den Wurzeln der Wasserlilie bereiteten Poi, mit Iamaka - rohem Fisch - , mit zerstoßener Kukuinuß und mit Limu, dem für Zahnlose leicht zu kauenden, leichtverdaulichen und schmackhaften Seetang, aufzuwarten. Es waren die alten feudalen Bande, die Treue des Untertanen zu seinem Herrn, die Fürsorge des Herrschers für seine Untertanen. Und Martha, zu drei Vierteln eine Haole mit angelsächsischem Blut aus Neuengland, war, wenn es um die Bewahrung und Einhaltung der so gut wie ausgestorbenen alten Sitten und Bräuche ging, eine Vollbluthawaiianerin.

Als sie über den Rasen zu dem Hau-Baum zurückkehrte, sahen Bellas Augen die Echtheit ihres Wesens und ihres Blutes, und sie umarmte sie voller Liebe. Ein wenig kleiner als Bella war Martha, aber nur eine Winzigkeit, auch weniger königlich in ihrer Haltung, jedoch schön und wohlproportioniert; die Jahre hatten ihre Schönheit nur reifen lassen, nicht zerstört, und ihre polynesische Herrscherfigur kam eindrucksvoll und prächtig unter den ansprechenden Linien eines leicht taillierten, weitschwingenden schwarzen Seidenholokus zur Geltung, der verschwenderischer mit schwarzer Spitze besetzt war als jedes Pariser Modellkleid.

Und als die beiden Schwestern jetzt ihr Gespräch fortsetzten, würde ein Beobachter die auffallende Ähnlichkeit der reinen, geradlinigen Profile, der breiten Wangenknochen, der hohen, ausladenden Stirnen, der eisengrauen Haarfülle, der süßen Lippen ihrer von jahrzehntelangem, selbstbewußtem Stolz kündenden Münder und der anmutigen, schmalen Brauenbogen über ebenso anmutigen, langgeschnittenen Augen bemerkt haben. Ihre vom Alter kaum veränderten oder gezeichneten Hände waren wunderschön mit ihren schlanken, schmal zulaufenden Fingern, die von alten Hawaiianerinnen gleich der, die jetzt Poi, Iamaka und Limu im Hause aß, schon von klein auf liebevoll massiert und geformt wurden.

»So ging es ein Jahr lang«, fuhr Bella fort, »und allmählich, weißt du, begann ich mich dreinzuschicken. Ich fühlte mich immer mehr zu meinem Mann George hingezogen. So sind Frauen nun einmal. Ich jedenfalls war so eine Frau. Denn er war ein guter Mensch. Er war gerecht. Er besaß all die echten, alten puritanischen Tugenden. Ich begann mich zu ihm hingezogen zu fühlen, ihn zu mögen, ja fast möchte ich sagen, ihn zu lieben. Und hätte Onkel John mir nicht dieses Pferd geliehen, so würde ich ihn, das weiß ich, wirklich geliebt und mit ihm ein glückliches Leben geführt haben. Natürlich wäre es ein eher stilles Glück gewesen.

Ich wußte schließlich nichts über die Männer, kannte nichts anderes, nichts Besseres. Es kam so weit, daß ich mich freute, wenn ich ihm in der kurzen Zeit zwischen Abendessen und Schlafengehen über den Tisch hinweg beim Lesen zusehen durfte, wenn ich den Hufschlag seines Pferdes hörte, das er abends nach endlosen Ritten über die Ranch heimwärts lenkte.

Und sein spärliches Lob war echtes Lob, das mich vor Glück erbeben ließ - ja, Schwester Martha, ich wußte, was es hieß, unter seinem knappen, gerechten Lob zu erröten, wenn ich etwas gut oder richtig gemacht hatte.