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Ich habe mich oft gefragt, ob Onkel John sich wohl träumen ließ, was geschehen würde. Ich selbst, soviel weiß ich, hatte keinerlei Ahnung, als ich nach Mana hinüberritt, um mich der Prinzessin anzuschließen. Noch nie waren dort solche Feste gefeiert worden. Du kennst die großartige Gastfreundschaft der alten Parkers. Die Jagd auf Wildschweine und wilde Rinder, das Zureiten und das Brennen der Pferde. Die Unterkünfte der Dienerschaft quollen über. Parker Cowboys waren aus allen Richtungen herbeigeströmt. Und alle Mädchen von Waimea aufwärts waren gekommen, und die Mädchen von Waipio, Honokaa und Paauilo - ich sehe sie jetzt noch vor mir, wie sie in langen Reihen auf den Steinmauern der Koppel sitzen und Leis (Blumengirlanden) für ihre Cowboy-Liebsten winden. Und die Nächte, diese dufterfüllten Nächte, das Singen der Meles, das Tanzen der Hulas und der große Mana-Park, wo die Liebenden paarweise unter den Bäumen umherschlenderten.

Und der Prinz.« Bella hielt inne, und für eine endlose Minute wurden ihre tief in die Unterlippe gepreßten, kleinen, feinen, immer noch makellosen Zähne sichtbar, während sie mit sich rang und ihre Fassung wiedergewann und dabei den Blick geistesabwesend über den fernen blauen Horizont schweifen ließ. Als sie sich beruhigt hatte, kehrten ihre Augen wieder zu der Schwester zurück.

»Er war ein Prinz, Martha. Du hast ihn ja früher in Kilohana gesehen. als du aus dem Seminar heimkamst. Er war eine Augenweide für jede Frau, ja und auch für jeden Mann. Fünfundzwanzig war er, im besten Mannesalter, groß und königlich an Körper und Geist. So hoch es auch herging, so unbekümmert und ausgelassen die Vergnügungen auch waren, er schien nie zu vergessen, daß er von königlichem Geblüt war und daß alle seine Vorfahren große Häuptlinge gewesen waren bis zurück zu jenem ersten, von dem sie in den Genealogien sangen und der mit seinen Doppelkanus bis nach Tahiti und Raiatea und wieder zurück gefahren war. Er war gütig, sanft, liebenswürdig, kameradschaftlich, voller Wohlwollen - und streng und hart, wenn ihm eine allzu große Kränkung widerfuhr. Ich kann es schwer ausdrücken, was ich damit meine. Er war ein Mann, ein ganzer Mann, und er war ganz Prinz, mit einem Schuß jungenhafter Fröhlichkeit, und die Härte, die er besaß, würde ihn, wenn er auf den Thron gelangt wäre, zu einem guten und starken König von Hawaii gemacht haben.

Ich sehe ihn noch vor mir, so wie ich ihn an jenem ersten Tage sah und seine Hand berührte und mit ihm sprach. wenige Worte nur und scheu, ganz und gar nicht wie eine Frau, die schon ein Jahr lang mit einem grauen Haole im grauen Nahala verheiratet war. Ein halbes Jahrhundert liegt diese Begegnung nun zurück - du erinnerst dich, wie unsere jungen Männer sich damals kleideten: weiße Schuhe und Hosen, weiße Seidenhemden und um die Taille diese herrlich bunten spanischen Schärpen - und ein halbes Jahrhundert lang hat dieses Bild in meinem Herzen nichts an Glanz und Farbe verloren. Er stand inmitten einer Gruppe auf dem Rasen, und Ella Higginsworth wollte mich gerade vorstellen. Prinzessin Lihue hatte ihr irgendeine Neckerei zugerufen, so daß sie stehenblieb, um darauf zu antworten, und ich einen Schritt vor ihr haltmachte.

Sein Blick fiel zufällig auf mich, wie ich, verwirrt und verlegen, allein dastand. Ach, wie ich ihn vor mir sehe! - den Kopf leicht zurückgeworfen, mit dieser vornehmen, heiteren, gebieterischen und völlig unbekümmerten Gelassenheit, die so typisch für ihn war. Unsere Augen begegneten sich. Sein Kopf neigte sich nach vorn oder wandte sich mir zu. Ich weiß nicht, was geschah. Befahl er? Gehorchte ich? Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich gut anzuschauen war, bekränzt mit duftendem Maile in dem wundervollen Holoku der Prinzessin Naomi, den mir Onkel John aus seinem Taburaum geliehen hatte; und ich weiß, daß ich ganz allein über den Rasen von Mana auf ihn zuschritt und daß er sich von seiner Gruppe entfernte, um mir auf halbem Wege entgegenzukommen. Wir gingen, ohne Begleitung, über das Gras aufeinander zu, als ob wir durch unser Leben aufeinander zuschritten.

War ich sehr schön, Schwester Martha, als ich jung war? Ich weiß es nicht. Aber in diesem Augenblick, als er in all seiner Schönheit und seiner wahrhaft königlichen Männlichkeit zu mir herüberkam und mein Herz gefangennahm, fühlte ich mich plötzlich schön - wie soll ich es ausdrücken? - als ob seine eigene Vollkommenheit auf mich ausstrahlte und mich verzauberte.

Es fiel kein Wort. Aber, ach, ich weiß, daß ich in unmißverständlicher Antwort auf den Fanfarenklang der lautlosen Botschaft meinen Kopf hob und daß ich die Hingabe, die in meinem Gesicht und in meinen Augen, ja in meinem ganzen heftig atmenden Körper zu lesen war, nicht unterdrückt haben würde, selbst wenn ich diesen einen Augenblick mit meinem Leben hätte bezahlen müssen.

War ich schön, sehr schön, Martha, als ich neunzehn war, kurz vor meinem zwanzigsten Geburtstag?«

Und Martha, die Vierundsechzigjährige, sah die achtundsechzigjährige Bella und nickte aufrichtig, denn alles, was sie in diesem Augenblick sah, sprach dafür: Bellas Hals, der immer noch voll und gutgeformt und länger war, als es sonst bei Hawaiianerinnen der Fall ist, einer Säule gleich, auf der ihr königliches Haupt mit dem von hohen Wangenknochen geprägten, stolzen Antlitz ruhte, Bellas hochgestecktes, dichtes Haar, das sich, schimmernd vom Silber der Jahre, immer noch lockte und einen starken Kontrast zu ihren feingezeichneten schwarzen Brauen und den tiefbraunen Augen bildete. Beeindruckt von dem Bild, das sich ihr bot, ließ Martha, ihre Scheu überwindend, ihren Blick über den prachtvollen Busen und die vollen, edlen Linien der Gestalt Bellas bis zu den seidenbestrumpften, in hochhackigen Schuhen steckenden, kleinen, wohlgeformten Füßen mit dem tadellos gewölbten, fast spanischen Spann gleiten.

»Man ist nur einmal jung!« lachte Bella. »Lilolilo war ein Prinz. Ich sollte jeden seiner Züge und die Stimmungen, die er ausdrücken konnte, kennenlernen. später, in unseren verzauberten Tagen und Nächten an den singenden Wassern nahe der sachte rauschenden Brandung oder auf steilen Bergpfaden. Ich kannte seine schönen, mutigen Augen mit den geraden schwarzen Brauen, seine Nase, die er sicher von Kamehameha hatte, und die letzte, feinste Schwingung seines Mundes. Es gibt keinen schöneren Mund als den hawaiischen, Martha.

Und sein Körper! Er war ein König unter den Athleten, von seinem wilden, widerspenstigen Haar bis zu den Knöcheln aus gehärtetem Stahl. Erst neulich hörte ich, wie man von einem Enkel der Wilders als dem >Prinzen von Harvard< sprach. Du lieber Gott! Wie hätten sie dann erst meinen Lilolilo genannt im Vergleich zu diesem jungen Wilder und dem ganzen Harvard-Team!«

Bella schwieg und holte tief Atem, während sie ihre feinen, kleinen Hände in dem stattlichen, in Seide gehüllten Schoß faltete. Doch eine helle Röte überzog ihr Gesicht, und ihre Augen wurden warm, als sie ihre Tage mit dem Prinzen noch einmal durchlebte.

»Nun - du hast es wohl erraten?« sagte Bella mit herausforderndem Achselzucken und sah ihrer Schwester gerade in die Augen. »Wir verließen das fröhliche Mana und setzten die kurzweilige Reise fort - auf den Lavawegen hinunter nach Kiholo, um zu schwimmen, zu fischen, Feste zu feiern und im warmen Sand unter Palmen zu schlafen, und hinauf nach Puuwaawaa, um dort wieder auf Wildschweinjagd zu gehen, Rinder mit dem Lasso einzufangen und Wildschafe vom oberen Weideland zu erlegen; und weiter durch Kona, bald mauka (bergan), bald hinunter zu dem Königspalast in Kailua, und zum Schwimmen nach Keauhou und an die Kealakekua-Bucht und nach Napoopoo und Honaunau. Und überall strömten die Menschen herbei, in den Händen Blumen, Früchte, Fische und Schweinefleisch als Geschenk, in den Herzen Liebe und Gesang, ihre Häupter neigten sich ehrerbietig vor den königlichen Herrschaften, und von ihren Lippen ertönten Ausrufe des Erstaunens oder Meles über alte, unvergeßliche Zeiten.

Was willst du, Schwester Martha? Du weißt, wie wir Hawaiianer sind. Du weißt, wie wir vor einem halben Jahrhundert waren. Lilolilo war wundervoll. Ich war leichtsinnig. Lilolilo war ein Mann, der jede Frau leichtsinnig machen konnte. Ich war doppelt leichtsinnig, denn ich hatte das kalte, graue Nahala vor Augen. Ich wußte Bescheid. Es gab keinen Zweifel, keine Hoffnung. An eine Scheidung war in jenen Tagen nicht einmal im Traum zu denken. Die Frau George Castners konnte nie Königin von Hawaii werden, selbst wenn die von Onkel Robert prophezeiten Revolutionen nicht stattfänden und Lilolilo König würde. Aber ich dachte nie an den Thron. Was ich wünschte, war, Königin in Lilolilos Herzen, seine Frau und Gefährtin zu sein. Ich machte mir nichts vor. Man konnte nicht das Unmögliche möglich machen, und ich gab mich keinen unerfüllbaren Träumen hin.