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Es war eine Atmosphäre der Liebe. Und was für ein Liebhaber Lilolilo war! Stets bekränzte er mich mit Leis, ließ mir von seinen Läufern aus den weit entfernten Rosengärten Manas - du erinnerst dich an sie - Leis bringen; fünfzig Meilen über Lava und unwegsames Weideland hatten sie hinter sich und lagen doch taufrisch wie in dem Augenblick, als sie gepflückt wurden, in ihren Schmuckkästchen aus Bananenrinde. Ellenlang waren sie, diese Schnüre aus winzigen rosa Knospen, aufgereihten neapolitanischen Korallenperlen gleich. Und bei den Luaus (Festen), den ewigen, fortwährenden Luaus mußte ich auf Lilolilos Makaloa-Matte, der prinzlichen Matte sitzen, die nur ihm zustand und für jeden geringeren Sterblichen tabu war, es sei denn, er selbst gestand ihm diese Auszeichnung zu. Und ich mußte meine Finger in seine eigene Pa Wai Holoi (Fingerschale) tauchen, in der duftende Blütenblätter im warmen Wasser schwammen. Ja, und unbekümmert darum, daß alle die mir von ihm gewährte Gunst sahen, mußte ich mir meine Prisen von rotem Salz, Limu, Kukuinuß und Chilipfeffer aus seiner Pa-Paakai nehmen und aus seiner Ipu Kai (Fischschüssel) aus Kouholz essen, aus der schon der große Kamehameha selbst bei so mancher Reise gespeist hatte. Und ebenso war es mit den besonderen Delikatessen, die nur für Lilolilo und die Prinzessin bestimmt waren - Nein, Ake, Palu und Alaala. Und seine Kahili wurden über mir geschwungen, und seine Diener waren meine Diener, und er war mein; und von meinem blumenbekränzten Haar bis zu meinen glücklichen Füßen war ich eine Frau, die geliebt wurde.«

Wieder gruben sich Bellas kleine Zähne in ihre Unterlippe, als sie geistesabwesend über das Meer blickte und sich und ihre Erinnerungen wieder in die Gewalt bekam.

»So ging es immer weiter, durch ganz Kona und durch ganz Kau, von Hoopuloa und Kapua nach Honuapo und Punaluu, die Dauer eines ganzen Lebens hineingepreßt in zwei kurze Wochen. Eine Blume blüht nur einmal. Dies war meine Blütezeit - Lilolilo an meiner Seite, ich selbst auf meinem wunderbaren Hilo, eine Königin, nicht die Hawaiis, aber Lilolilos und der Liebe Königin. Er sagte, ich sei wie eine bunte, wunderschöne Seifenblase auf dem schwarzen Rücken des Leviathan, ein zarter Tautropfen auf dem rauchenden Kamm einer Lavawoge, ein auf einer Gewitterwolke reitender Regenbogen.«

Bella hielt für einen Moment inne.

»Ich will dir nun nichts mehr von dem erzählen, was er mir sagte«, erklärte sie ernst, »außer, daß in all seinen Worten das Feuer der Liebe und der Geist der Schönheit waren und daß er Hulas für mich komponierte und sie mir vor allen anderen vorsang, nichts mehr von Nächten unter dem Sternenhimmel, als wir bei den Festen auf unseren Matten lagen, und ich auf Lilolilos Makaloa-Matte.

Und weiter ging es nach Kilauea - so nah war der Traum schon seinem Ende; und natürlich warfen wir Leis aus Maileranken, Fische und den feucht in Ti-Blätter gewickelten harten Poi als Opfergaben an Pele, die Feuergöttin, in den Abgrund, dort, wo sich die Lava ins Meer ergießt. Und wir zogen weiter, hinunter durch das alte Puna, und feierten Feste, tanzten und sangen in Kohoualea und Kamaili und Opihikao und schwammen in den klaren Süßwasserteichen von Kalapana. Und schließlich erreichten wir das am Meer gelegene Hilo.

Das war das Ende. Wir hatten nie darüber gesprochen, und doch wußten wir genau, daß es so war. Die Jacht wartete. Wir hatten uns um Tage verspätet. Es kam die Nachricht aus Honolulu, daß der König mehr denn je dem Pupule (Wahnsinn) verfallen sei, daß sich ein Komplott katholischer und protestantischer Missionare zusammenbraue und Schwierigkeiten mit Frankreich drohten. Mit Gelächter, Blumen und Gesang, so wie sie zwei Wochen zuvor in Kawaihae gelandet waren, legten sie von Hilo ab. Es war ein fröhlicher Aufbruch, voller Späße und Ausgelassenheit mit tausend letzten Botschaften, Ermahnungen und Neckereien. Der Anker wurde zu einem Abschiedslied von Lilolilos Sängern auf dem Achterdeck gelichtet, während wir in den großen Kanus und Walfangbooten zusahen, wie die erste Brise die Segel des Schiffes füllte und die Entfernung allmählich größer wurde.

In all dem Durcheinander und der Aufregung blickte Lilolilo, der an der Reling stand und vielen Abschiedsgrüße und Scherze zurufen mußte, geradewegs zu mir herunter. Auf dem Kopf trug er meinen Ilima-Lei, den ich für ihn gewunden und ihm aufgesetzt hatte. Und alle auf der Jacht begannen, ihren Liebsten in den Kanus ihre vielen Leis zuzuwerfen. Ich durfte nichts erwarten. Und doch war da eine winzige, sehnsüchtige Hoffnung, ohne daß mein Gesicht, das stolz und fröhlich wie das aller anderen war, etwas davon verriet. Aber Lilolilo tat, was er, wie ich von Anfang an gewußt hatte, tun mußte. Mir immer noch unverwandt und aufrichtig in die Augen blickend, nahm er meinen schönen Ilima-Lei vom Kopf und riß ihn mittendurch. Ich sah, wie seine Lippen das einzige Wort pau (vorbei) formten, es aber nicht aussprachen. Immer noch den Blick auf mich gerichtet, zerriß er die beiden Teile des Leis noch einmal und warf die Stücke nicht zu mir herüber, sondern ließ sie über die Reling ins Meer fallen. Pau. Es war vorbei.«

Lange verweilte Bellas abwesender Blick am Horizont der See. Martha wagte es nicht, mit Worten dem Mitgefühl, das ihre Augen feucht werden ließ, Ausdruck zu verleihen.

»Und ich ritt an diesem Tag auf dem alten, schlechten Pfad die Hamakua-Küste entlang«, fuhr Bella fort, und ihre Stimme klang zuerst seltsam rauh und trocken. »Dieser erste Tag war nicht so schlimm. Ich war wie betäubt. Ich war noch zu sehr erfüllt von all dem Wunderbaren, das ich vergessen mußte, um zu wissen, daß ich es vergessen mußte. Ich verbrachte die Nacht in Laupahoehoe. Weißt du, ich hatte eigentlich eine schlaflose Nacht erwartet. Statt dessen schlief ich, vom Reiten erschöpft und immer noch benommen, die ganze Nacht wie eine Tote.

Doch am nächsten Tag, bei stürmischem Wind und peitschenden Regengüssen! Wie es wehte und schüttete! Der Pfad war wirklich unpassierbar. Immer wieder rutschten unsere Pferde ab. Der Cowboy, den Onkel John mir mit den Pferden geliehen hatte, protestierte anfangs, doch dann trabte er, kopfschüttelnd zwar, aber schicksalsergeben, hinter mir her und murmelte dabei immer wieder vor sich hin, daß ich pupule sei. Das Packpferd ließen wir in Kukuihaele zurück. Mud Lane schwammen wir fast wie einen Schlammstrom hinauf. In Waimea mußte der Cowboy sein Pferd wechseln.

Aber Hilo hielt durch. Von Tagesanbruch bis Mitternacht war ich im Sattel, bis Onkel John mich in Kilohana vom Pferd hob und auf seinen Armen ins Haus trug, die Frauen aus ihren Betten holte, damit sie mich entkleideten und massierten, während er mir heißen Palmwein einflößte, der mir Schlaf und Vergessen schenken sollte. Ich weiß, daß ich erzählt und phantasiert haben muß. Onkel John hat sicher alles erraten.

Aber er hat zu keinem, selbst zu mir nicht, auch nur ein Sterbenswörtchen davon gesagt. Was er auch erraten haben mochte, er verschloß es in Naomis Tabuzimmer.

Ich habe noch verschwommene Erinnerungen an diesen Tag, an verzweifeltes, wütendes Hadern mit dem Schicksal - an mein aufgelöstes, vom Sturm und Regen gepeitschtes, wirres und triefnasses Haar, an endlose Tränen, die sich mit der Sintflut um mich herum mischten, an leidenschaftliche Ergüsse und Haßausbrüche gegen eine völlig verdrehte und ungerechte Welt, Erinnerungen daran, daß ich mit den Händen auf meinen Sattelknauf einschlug, daß ich meinen Kilohana-Cowboy schroff anfuhr, meinem armen, prachtvollen Hilo die Sporen in die Rippen stieß, mit einem inbrünstigen Gebet auf den Lippen, daß sie ihn so wild machen sollten, daß er sich aufbäumte, auf mich stürzte und meine Schönheit für immer zerstörte. Oder daß er mich vielleicht vom Pfad werfen könnte und ich am Fuß der Paus (Klippen) mein Leben aushauchen und hinter meinem Namen pau stehen möge, so endgültig wie das unausgesprochene? auf Lilolilos Lippen, als er meinen Ilima-Lei zerriß und ins Meer fallen ließ.