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»Doch der ganze verderbliche Einfluß auf deine Seele ging von anderen Seelen aus«, lautete Abel Ah Yos kompromißlose Antwort. »Wenn du eine Last trägst, wirf sie ab. Du kannst nicht eine Last tragen und gleichzeitig von ihr frei sein.«

»Ich will jeden Tag zu Gott beten, und das viele Male am Tag«, wandte sie ein. »Ich werde mich Gott in Demut nähern, mit Seufzern und Tränen. Ich will oft für den Gabenteller spenden, und ich will Bibeln kaufen, Bibeln, unendlich viele Bibeln.«

»Und Gott wird dir nicht gnädig sein«, entgegnete Gottes Sprachrohr. »Und du wirst müde und schwer beladen bleiben. Denn du wirst nicht deine ganze Schuld eingestanden haben, und erst wenn du alles ausgesprochen hast, wirst du davon befreit werden.«

»Diese Wiedergeburt ist schwierig«, seufzte Alice.

»Eine Wiedergeburt ist sogar noch schwieriger als eine Geburt.« Abel Ah Yo machte es ihr alles andere als leicht. »Erst wenn du wie ein kleines Kind wirst.«

»Wenn ich mir jemals alles von der Seele rede, dann wird es ein langer Bericht werden«, vertraute sie ihm an.

»Dann hast du um so mehr Grund dazu.«

Und so war die Situation völlig festgefahren, da Abel Ah Yo absolute Ergebenheit gegenüber Gott forderte und Alice Akana immer noch unschlüssig an den Randzonen des Paradieses herumflatterte.

»Du kannst darauf wetten, daß es eine große Enthüllung geben wird, wenn Alice erst einmal loslegt«, sagten die sich am Strand herumtreibenden und heruntergekommenen Kamaainas [Alteingesessenen] schadenfroh zueinander und schlürften ihren billigen Palm-Tree-Gin.

In den Clubs wurde einer möglichen Beichte größere Bedeutung beigemessen. Die jüngere Generation der Männer verkündete, daß sie sich um Plätze in der vorderen Reihe bemühen würde, während viele der älteren über Alices Bekehrung halbherzige, hohle Scherze machten. Ferner wurde Alice plötzlich von guten Freunden umschwärmt, die zwanzig Jahre lang vergessen hatten, daß sie überhaupt existierte.

Eines Nachmittags, als Alice, in der Hand die Bibel, gerade bei der Haltestelle Hotel und Fort in die elektrische Straßenbahn einsteigen wollte, befahl Cyrus Hodge, der Zuckerkommissionär und Magnat, seinem Chauffeur, neben ihr anzuhalten. Er komplimentierte sie in seine Limousine, opferte eine Dreiviertelstunde seiner Zeit und fuhr einen Umweg, um sie zu ihrem Ziel zu bringen.

»Welche Wohltat für meine schmerzenden Augen, dich zu sehen«, plapperte er los. »Wie die Jahre nur so fliegen! Du siehst gut aus. Du scheinst das Geheimnis ewiger Jugend zu kennen.«

Alice lächelte und sagte ihm ihrerseits in der wunderbaren, freundlichen polynesischen Art einige Nettigkeiten.

»Du meine Güte«, schwelgte Cyrus Hodge in Erinnerungen. »Ich war noch so ein junger Bursche in jenen Tagen!«

»Und was für ein Bursche«, lachte sie gutmütig.

»Doch nichts anderes im Kopf als die Tollheiten der Jugend.«

»Erinnerst du dich an die Nacht, als dein Fahrer sich betrank und dich im Stich gelassen hatte - «

»Schsch!« warnte er. »Dieser japanische Chauffeur hat einen Hochschulabschluß und kann besser Englisch als du oder ich. Ich glaube auch, daß er ein Spion seiner Regierung ist. Warum also sollten wir ihm etwas erzählen? Außerdem war ich ja noch so jung. Erinnerst du dich.?«

»Deine Wangen waren wie die Pfirsiche, die wir zogen, ehe sie von der aus den Mittelmeerländern eingeschleppten Fruchtfliege befallen wurden«, pflichtete Alice bei. »Ich glaube nicht, daß du dich damals öfter als einmal in der Woche rasieren mußtest. Du warst ein hübscher Junge. Erinnerst du dich nicht an den Hula, den wir dir zu Ehren komponierten, den - «

»Sch, sch!« brachte er sie zum Schweigen. »Das ist doch alles längst begraben und vergessen. Und es soll auch vergessen bleiben.«

Und sie bemerkte, daß in seinen Augen nichts mehr von der jugendlichen Treuherzigkeit war, die sie in Erinnerung hatte. Statt dessen blickten seine Augen sie scharf und fordernd an und wollten von ihr die Versicherung, daß sie seinen speziellen Anteil an dieser begrabenen Vergangenheit nicht wieder auferstehen ließ.

»Religion ist eine gute Sache für uns, nun da wir in die Jahre kommen«, erzählte ihr ein anderer alter Freund. Er baute gerade ein wunderbares Haus auf den Pacific Heights, hatte vor kurzem zum zweiten Mal geheiratet und war auf dem Weg zum Anleger, um seine beiden Töchter willkommen zu heißen, die soeben ihr Studium am Vassar College beendet hatten. »Wir brauchen die Religion in unserem Alter, Alice. Sie macht uns milder, toleranter und läßt uns die Schwächen anderer verzeihen, insbesondere die Schwächen der Jugend, der - der anderen, wenn sie sich amüsierten und nicht wußten, was sie taten.«

Er wartete gespannt.

»Ja«, sagte sie. »Wir sind alle geboren, um zu sündigen, und es ist schwer, aus der Sünde herauszukommen. Aber ich schaffe es, ich schaffe es schon.«

»Vergiß nicht, Alice, in jenen Tagen war ich immer ehrlich zu dir. Du und ich, wir hatten nie Streit miteinander.«

»Nicht einmal an jenem Abend, an dem du zu deinem einundzwanzigsten Geburtstag ein Luau gegeben und nach jedem Toast darauf bestanden hast, die Gläser kaputtzuwerfen. Aber natürlich bist du für den Schaden aufgekommen.«

»Großzügig aufgekommen«, machte er fast flehend geltend.

»Großzügig«, stimmte sie zu. »Ich konnte fast die doppelte Menge ersetzen, so daß ich beim nächsten Luau einhundertzwanzig Gedecke hatte, ohne einen Teller oder ein Glas ausleihen zu müssen. Lord Mainweather gab dieses Luau

- du erinnerst dich an ihn.«

»Ich war mit ihm auf Wildschweinjagd in Mana«, nickte der andere zustimmend. »Wir haben dort ein Fest gefeiert, das zwei Wochen dauerte. Also Alice, wie du weißt, glaube ich, daß diese Sache mit der Religion in Ordnung ist, ohne Wenn und Aber. Nur, laß dich davon nicht völlig überwältigen. Und erzähle nichts über mich, wenn du dein Gewissen erleichterst. Was würden meine Töchter über die Geschichte mit den zerbrochenen Gläsern denken!«

»Ich hatte immer ein Aloha für dich, Alice«, versicherte ihr ein fettes, kahlköpfiges Senatsmitglied.

Und ein anderer, ein Rechtsanwalt und Großvater, bemerkte: »Wir waren immer Freunde, Alice. Und denk daran, wenn du juristische Beratung oder Beistand bei einer geschäftlichen Transaktion brauchst, so werde ich das für dich erledigen, umsonst, um unserer alten Freundschaft willen.«

Spät am Heiligen Abend kam ein Bankier zu ihr, mit schrecklich gerichtsmäßig aussehenden Kuverts in der Hand, die er ihr überreichte.

»Ganz zufällig«, erklärte er, »fand ich, als meine Leute nach Grundbüchern von Iapio Valley suchten, einen Hypothekenbrief über zweitausend Dollar, ausgestellt auf deinen Besitz dort - dieses Reisland, das an Ah Chun verpachtet war. Und meine Gedanken schweiften zurück in die Vergangenheit, als wir alle jung waren und ungestüm, ja etwas ungestüm, das stimmt. Und bei der Erinnerung an dich wurde mir warm ums Herz, und so habe ich, als ein Aloha, die ganze Geschichte für dich in Ordnung gebracht.«

Und auch von ihren eigenen Leuten wurde Alice nicht vergessen. Ihr Haus wurde ein Mekka für eingeborene Männer und Frauen, die gewöhnlich ihre Pilgerreise heimlich nach Einbruch der Dunkelheit antraten, stets ein Geschenk in den Händen - Tintenfisch frisch vom Riff, Opihis und Limu, Körbe voll Avocados, die ersten grünen Maiskolben zum Rösten von der Windseite Oahus, Mangos und Sternäpfel, rosafarbener feinster Taro, Spanferkel, Bananenpoi, Brotfrucht und Krabben, die am selben Tag im Pearl Harbor gefangen worden waren. Mary Mendana, die Frau des portugiesischen Konsuls, brachte sich bei ihr mit einer Bonbonniere für fünf Dollar und einem Mandarinumhang in Erinnerung, der beim Ausverkauf fünfundsiebzig Dollar gebracht hätte. Und Elvira Miyahara Makaena Yin Gap, die Frau von Yin Gap, dem reichen chinesischen Importeur, überreichte Alice persönlich zwei ganze Ballen Pifia-Stoff von den Philippinen und ein Dutzend Paar Seidenstrümpfe.