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Es gab keinen Widerspruch.

»Die Kommission wird sich nun zur geheimen Beratung zurückziehen«, erklärte Lask Finneston, der sich mit diesen Worten erhob und den Weg zur Bibliothek wies.

GEBEINE

Sie sind mit ihren Waffen in die Grube gefahren und haben ihre Schwerter unter die Köpfe gelegt.

»Es war schlimm, mit anzusehen, wie die alte Dame wieder in den alten Glauben zurückfiel.« Prinz Akuli warf einen besorgten Blick zur Seite, dorthin, wo sich gerade eine alte Wahine im Schatten eines Kukui-Baumes niederließ, um sich an irgendeine Arbeit zu machen.

»Ja«, nickte er mir fast traurig zu, »in ihren letzten Lebensjahren kehrte Hiwilani zu den alten Bräuchen und dem alten Glauben zurück - heimlich, natürlich. Und, glaube mir, sie war selbst eine beachtliche Sammlerin. Du hättest ihre Knochen sehen sollen. Sie hatte sie in jeder Ecke ihres Schlafzimmers in großen Gefäßen herumstehen, und ihre Verwandten waren fast vollständig vertreten, abgesehen von etwa einem Dutzend, bei denen Kanau ihr zuvorgekommen war. Die Art und Weise, wie die beiden um diese Gebeine zu streiten pflegten, war furchteinflößend. Und als Junge überlief es mich jedesmal eiskalt, wenn ich in ihr großes, stets im Halbdunkel liegendes Zimmer ging und mir klar machte, daß sich in diesem Krug alles befand, was von meiner Großmutter mütterlicherseits übriggeblieben war, und daß in jenem Topf mein Urgroßvater ruhte, daß in all diesen Gefäßen die Knochenreste der zu Staub verfallenen Körper meiner Vorfahren aufbewahrt wurden, deren Erbteil auf mich gekommen und in meinem lebendigen, atmenden Ich aufgegangen war. Hiwilani war zuletzt ganz in die Eingeborenenbräuche zurückgefallen, schlief auf dem harten Fußboden auf Matten - sie hatte das große, prächtige, vierpfostige Himmelbett hinausgeworfen, das ihre Großmutter von Lord Byron, der der Vetter des dichtenden Schwerenöters Byron war und im Jahre 1825 auf der Fregatte Blonde hierherkam, geschenkt bekommen hatte.

Sie führte zuletzt ganz das Leben einer Eingeborenen, und ich sehe sie noch vor mir, wie sie aus dem rohen Fisch ein Stück herausbiß, ehe sie ihn ihren Frauen hinschob. Und sie ließ sie auch ihren Poi aufessen oder was immer sie sonst nicht ganz verzehrte. Sie - «

Doch plötzlich brach er ab, und an der merklichen Blähung seiner Nasenflügel und der Veränderung seines lebhaften Gesichtsausdrucks sah ich, daß er die Luft eingesogen und den Geruch, der ihn beleidigte, identifiziert hatte.

»Der Kuckuck soll das Zeug holen!« rief er mir zu. »Es stinkt zum Himmel. Und ich werde dazu verurteilt sein, es so lange zu tragen, bis man uns abholt.«

Es gab keinen Zweifel über den Gegenstand seiner Abscheu. Die alte Frau war dabei, einen Liebes-Lei (Kranz) aus der Frucht der Hala, der Schraubenpalme oder Pandanus des südlichen Pazifiks, zu winden. Sie schnitt die zahlreichen Unterteilungen oder Schalen der Frucht glockenförmig auf, um sie dann auf die zusammengedrehte und zähe innere Rinde des Hau-Baumes aufzufädeln. Es stank gewiß zum Himmel, doch mir, einem Malihini, schien der Geruch eher weinig herb und fruchtig und nicht unangenehm.

Prinz Akulis Limousine war einen halben Kilometer von hier mit einem Achsenbruch liegengeblieben, und er und ich hatten in diesem laubenähnlichen Berghaus Schutz vor der Sonne gesucht. Bescheiden und mit Gras gedeckt war das Haus, aber es stand in einem kostbaren Garten voller Begonien, die ihre zarten Blüten etwa sechs Meter über unseren Köpfen ausbreiteten, Bäumen gleich mit ihren biegsamen Stämmen, die so dick wie der Arm eines Mannes waren. Hier erfrischten wir uns mit Trinkkokosnüssen, während ein Cowboy etwa zwanzig Kilometer zum nächsten Telefon ritt und einen Wagen aus der Stadt anforderte. Die Stadt selbst, Olokona, Metropole der Insel Lakanaii, konnten wir sehen, und zwar als einen Rauchfleck über der Küstenlinie, sobald wir über die sich kilometerweit ausdehnenden Zuckerfelder, die wellenumspülten Konturen des Riffs und den blauen Dunst des Ozeans zu der Insel Oahu hinüberschauten, die wie ein blasser Opal am Horizont schimmerte.

Maui ist die Insel der Täler und Kauai die Garteninsel Hawaiis, doch Lakanaii, die Oahu gegenüber liegt, ist heute ebenso wie schon von altersher als das Juwel der Gruppe bekannt. Weder die größte noch auch nur annähernd die kleinste, gilt Lakanaii doch als die unberührteste, die auf ihre wildromantische Art schönste und bei ihrer Größe fruchtbarste Insel des Archipels. Der Zuckerrohrertrag dort ist der höchste, ihre Bergrinder sind die fettesten, ihre Niederschläge am ergiebigsten, ohne je Überschwemmungen zu verursachen. Mit Kauai hat sie gemeinsam, daß sie zuerst entstanden und daher die älteste Insel ist, so daß sie genügend Zeit hatte, ihre Lava in fruchtbaren Boden zu verwandeln und die Bergschluchten zwischen den früheren Kratern so auszuwaschen, daß sie den Grand Canyons des Colorado gleichen mit ihren zahlreichen Wasserfällen, die Hunderte von Metern senkrecht herabstürzen oder sich in Nebelschleier auflösen und in der Luft verschwinden, um sanft und unsichtbar in einer Fata Morgana von Regenbogen als Tau oder leichte Schauer auf dem Grund der Schlucht niederzugehen.

Dennoch ist Lakanaii leicht zu beschreiben. Aber wie soll man Prinz Akuli schildern? Wenn man ihn begreifen will, muß man ganz Lakanaii durch und durch kennen. Außerdem muß man auch von der übrigen Welt einiges wissen. Erstens hat Prinz Akuli kein anerkanntes oder verbrieftes Recht darauf, als >Prinz< angesprochen zu werden. Des weiteren bedeutet >Akuli< so viel wie >Tintenfisch<. So daß Prinz Tintenfisch wohl kaum der würdige Titel für den direkten Nachfahren der ältesten und höchsten Alii Hawaiis sein dürfte - einem alten und vornehmen Geschlecht, in dem, wie einst bei den ägyptischen Pharaonen, Brüder und Schwestern sich auf dem Thron miteinander vermählten, da sie nicht unter ihrem Rang heiraten wollten, es auf der ganzen ihnen bekannten Welt aber niemanden gab, der über ihnen stand, und die Dynastie um jeden Preis fortgeführt werden mußte.

Ich habe Prinz Akulis singende Chronisten (die er von seinem Vater geerbt hatte) ihre endlos langen Genealogien vortragen hören, mit denen sie bewiesen, daß er der höchste Alii von ganz Hawaii war. Angefangen bei Wakea, der ihr Adam ist, und Papa, ihrer Eva, lassen sie sich durch so viele Generationen hindurch, wie es Buchstaben in unserem Alphabet gibt, bis zu Nanakaoko, dem ersten auf Hawaii geborenen Vorfahren, und dessen Frau Kahihiokalani zurückverfolgen. Später, doch immer auf höchster Ebene, spaltete sich ihre Linie von der Uas ab, der der Begründer der beiden separaten Königsgeschlechter von Kauai und Oahu war.

Im elften Jahrhundert nach Christus und den Chronisten von Lakanaii zufolge zu der Zeit, als Brüder und Schwestern untereinander heirateten, da es niemanden gab, der über ihnen stand, erhielt ihre Linie eine Auffrischung mit neuem edlen, ja beinahe göttlichem Blut. Ein gewisser Hoikemaha, der nach den Sternen und den alten Überlieferungen steuerte, traf mit einem großen Doppelkanu aus Samoa ein. Er heiratete eine niedrigere Alii von Lakanaii und kehrte dann, als seine drei Söhne erwachsen waren, mit ihnen nach Samoa zurück, um seinen eigenen jüngsten Bruder zu holen. Doch zusammen mit ihm brachte er auch Kumi, den Sohn Tui Manuas, dessen Adel der höchste in ganz Polynesien und der nur noch den Halbgöttern und Göttern untergeordnet war. So hatte das wertvolle Erbe Kumis vor acht Jahrhunderten Eingang in die Aliis von Lakanaii gefunden und war von ihnen in direkter Linie weitergegeben worden, um in Prinz Akuli bewahrt zu werden.