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Dennoch ist meine ganz private Meinung, daß es das Anaana-Getue war, das ihn schließlich mürbe machte. Sie schnitt ihm eines Tages mit einer Nagelschere eine Strähne aus seinem Haar. Diese Haarsträhne war das, was man bei uns Maunu, das heißt Köder, nennt. Und sie war sehr darauf bedacht, daß er erfuhr, daß sie ein Haarbüschel von ihm besaß. Dann ließ sie ihm die Warnung zukommen, daß sie es vergraben habe, und war jede Nacht völlig von ihren an Uli gerichteten Opfer- und Beschwörungsritualen in Anspruch genommen.«

»War das das richtige Zu-Tode-Beten?« fragte ich, als Prinz Akuli innehielt, um sich eine Zigarette anzuzünden.

»Ganz genau«, nickte er. »Und Ahuna fiel darauf herein. Zuerst versuchte er, das Versteck seines Haarköders herauszubekommen. Als ihm das nicht gelang, beauftragte er einen Pahiuhiu-Zauberer, es für ihn zu finden. Aber Hiwilani vereitelte seinen Plan, indem sie dem Zauberer drohte, Apo Leo bei ihm anzuwenden, das ist die Kunst, einer Person für immer die Sprache zu rauben, ohne ihr anderweitig zu schaden.

Dann fing Ahuna an, dahinzuschwinden und immer mehr wie ein Leichnam auszusehen. In seiner Verzweiflung wandte er sich an Kanau. Ich war zufällig dabei. Du hast ja bereits gehört, was für ein Mensch mein Vater war.

>Schwein!< nannte er Ahuna. >Du dummes Schwein! Du stinkender Fisch. Stirb und hör endlich auf damit. Du bist ein Narr. Es ist alles Unsinn. Da steckt gar nichts dahinter. Der ewig betrunkene Haole Howard kann beweisen, daß die Missionare unrecht haben. Der billige Fusel beweist, daß auch Howard nicht recht hat. Die Ärzte sagen, er wird keine sechs Monate mehr leben. Selbst der billige Gin lügt. Auch das Leben ist ein Lügner. Und hier haben wir harte Zeiten und einen Verfall der Zuckerpreise. Meine Zuchtstuten sind vom Rotz befallen. Ich wünschte, ich könnte mich hinlegen und hundert Jahre schlafen, und wenn ich aufwachte, wäre der Zucker um hundert Punkte gestiegen.<

Vater war selbst so etwas wie ein Philosoph, mit einem bitteren Witz und der Angewohnheit, kurze und treffende Sprüche vom Stapel zu lassen. Er klatschte in die Hände. >Bring mir einen Highballs befahl er, mein, bring mir zwei Highballs. < Dann wandte er sich an Ahuna: >Geh und stirb, alter Heide, du Überbleibsel der geistigen Finsternis, Pesthauch der Hölle, der du bist. Aber stirb nicht in diesem Haus. Ich wünsche Fröhlichkeit und Lachen und das süße Geriesel von Musik und die Schönheit jugendlicher Bewegungen, nicht das Krächzen kranker Kröten und immer noch auf wackligen Beinen um mich herumschleichender Leichname mit verdrehten Augen. Ich werde bald selbst so sein, wenn ich lange genug lebe. Und ich würde es ewig bedauern, wenn es mich zu früh dahinraffte. Weshalb, zum Teufel, habe ich nur diese letzten Zwanzigtausend in Curtis’ Plantage gesteckt? Howard hat mich gewarnt, daß die Absatzkrise kommen würde, aber ich dachte, der Gin hätte ihm dieses Hirngespinst eingegeben. Und Curtis hat sich eine Kugel durch den Kopf gejagt, und sein Oberluna ist mit seiner Tochter durchgebrannt, der Zuckerchemiker hat Typhus, und alles bricht zusammen.<

Er klatschte in die Hände und befahl seinen Dienern: >Bringt mir meine Sänger herbei. Und die Hulatänzerinnen - viele. Und schickt nach dem alten Howard. Irgend jemand muß zahlen, und ich werde die sechs Monate, die er noch zu leben hat, um einen Monat verkürzen. Aber vor allem, Musik. Laßt Musik erklingen. Sie wirkt stärker als Alkohol und schneller als Opium.<

Er mit seiner Droge Musik! Es war sein Vater, der alte Wilde, der auf einer französischen Fregatte eingeladen war und zum erstenmal ein Orchester hörte. Als das kleine Konzert vorüber war, fragte ihn der Kapitän, der wissen wollte, was ihm am besten gefallen hatte, welches Stück er noch einmal hören wollte. Nun, als Großvater mit seiner Beschreibung fertig war, was glaubst du, um welches Stück es sich da handelte?«

Ich gab mich geschlagen, während der Prinz sich noch eine Zigarette ansteckte.

»Nun, es war natürlich das erste. Nicht das erste wirkliche Stück, sondern das ihm vorausgehende Stimmen der Instrumente.«

Ich nickte amüsiert, und nachdem er nochmals einen besorgten Blick auf die alte Wahine und ihren halbfertigen Hala-Lei geworfen hatte, nahm Prinz Akuli seine Erzählung von den Gebeinen seiner Ahnen wieder auf.

»Es war etwa zu diesem Zeitpunkt, als der alte Ahuna Hiwilani gegenüber nachgab. Er gab nicht ganz nach. Er schloß mit ihr einen Vergleich. In diesem Moment komme ich ins Spiel. Wenn er ihr die Knochen ihrer Mutter und ihres Großvaters (der der Vater Kaaukuus war und der Überlieferung nach sogar noch viel größer als sein Riese von Sohn gewesen sein sollte) bringen würde, dann würde sie Ahuna den Köder aus seinem Haar zurückgeben, mit dem sie ihn zu Tode betete. Er seinerseits kam mit ihr überein, daß er ihr die geheime Begräbnisstätte all der früheren Aliis von Lakanaii nicht verraten brauchte. Doch er war zu alt, um das Abenteuer allein zu wagen, es mußte ihm jemand dabei helfen, der dadurch notgedrungen das Geheimnis erfahren würde -und dieser Jemand war ich. Ich war, neben meinem Vater und meiner Mutter, der höchste Alii, und sie standen nicht höher als ich.

So betrat ich die Szene, nachdem ich in das düstere Zimmer zu diesen beiden dubiosen Alten gerufen worden war, die sich mit den Toten beschäftigten. Was für ein Paar! - Mutter hoffnungslos fett bis zur Hilflosigkeit, Ahuna klapperdürr wie ein Skelett und ebenso zerbrechlich. Bei ihr hatte man den Eindruck, daß sie, wenn sie auf dem Rücken lag, sich nicht ohne Hilfe von Block- und Takelwerk umdrehen konnte; bei Ahuna glaubte man, daß er, dürr wie ein Zahnstocher, auseinanderbrechen würde, wenn man gegen ihn stieß.

Und als sie die Angelegenheit zur Sprache gebracht hatten, gab es weitere Pilikia (Schwierigkeiten). Die Haltung meines Vaters bestärkte mich in meinem Entschluß. Ich weigerte mich, auf Knochenraub auszuziehen. Ich sagte, ich mache mir nicht das geringste aus den Gebeinen all der Aliis meiner Familie und Rasse. Weißt du, ich hatte gerade Jules Verne entdeckt, den mir der alte Howard geliehen hatte, und las, bis mir der Kopf rauchte. Knochen? Wenn es Nordpole und Erdmittelpunkte und geschweifte Kometen gewesen wären, auf denen man im Weltraum zwischen den Sternen hätte umherreiten können! Natürlich wollte ich auf keine Expedition gehen, um Knochen zu holen. Ich sagte, daß mein Vater kerngesund und kräftig sei, daß er ja gehen und sich mit ihr alle Knochen, die er heimbrächte, teilen könne. Aber sie meinte, bei ihm sei das nur ein verdammtes Hobby, oder gebrauchte ähnliche, nur stärkere Ausdrücke gleichen Inhalts.

>Ich kenne ihn<, versicherte sie mir. >Er würde die Gebeine seiner Mutter bei einem Pferderennen oder beim Pokern verwetten.<

Ich hielt zu Vater, was modernen Skeptizismus betraf, und gab ihr zu verstehen, daß die ganze Geschichte völliger Quatsch sei. >Knochen?< sagte ich. >Was sind schon Knochen? Selbst Feldmäuse und eklige Ratten und Küchenschaben haben Knochen, wenn auch die Schaben ihre Knochen auf der Außenseite anstatt im Fleisch mit sich herumtragen. Was den Menschen von den anderen Tieren unterscheidet<, erklärte ich ihr, >sind nicht die Knochen, sondern der Verstand. Also, ein Rind hat stärkere Knochen als ein Mensch, und ich habe mehr als einen Fisch gegessen, der mehr Knochen hat, während ein Wal mit seinen Knochen die ganze Schöpfung schlägt.<