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Ich habe mir mal alle Museen auf den Inseln vorgeknöpft«, Prinz Akuli verfiel wieder in Slang, »und ich muß sagen, daß alle diese Sammlungen miteinander nicht an das herankommen, was ich in unserer Grabhöhle von Lakanaii gesehen habe. Bedenk nur, und das ist geschichtlich fundiert, daß wir den edelsten und ältesten Stammbaum der Inseln haben. Alles, von dem ich je geträumt oder gehört hatte, und noch viel mehr, war vorhanden. Es war ein wunderbarer Ort. Ahuna, der feierlich Gebete und Meles murmelte, ging umher und zündete verschiedene, mit Walfischtran gefüllte Kalebassenlampen an. Alle waren sie dort versammelt, die ganze hawaiische Rasse vom Urbeginn der Zeit an. Knochenbündel um Knochenbündel, alle fein säuberlich in Tapa eingewickelt, so daß es für die Nachwelt wie die Paketausgabe eines Postamtes aussah.

Und all die anderen Dinge! Kahilis, die sich, wie du vielleicht weißt, aus Fliegenwedeln zu Symbolen der Königswürde entwickelt haben, bis sie schließlich größer als die Federbüsche an den Leichenwagen waren, mit Stielen von eineinhalb bis über dreieinhalb Meter Länge. Und was für Stiele! Aus dem Holz der Kauila, mit Einlegearbeiten aus Muscheln, Elfenbein und Bein und mit einer Kunstfertigkeit verziert, die bei unseren Handwerkern schon seit einem Jahrhundert ausgestorben ist. Es war wie ein jahrhundertealter Familiendachboden. Zum erstenmal sah ich Dinge, von denen ich nur gehört hatte, wie etwa die Pahoas, gefertigt aus Walfischzähnen und an geflochtenem menschlichen Haar aufgehängt, die nur von den höchsten Würdenträgern angelegt werden durften.

Da gab es die seltensten und ältesten Tapas und Matten, Umhänge und Leis, und Helme und Mäntel, alle von unschätzbarem Wert, und daneben noch die uralten Mäntel aus den Federn des Mamo, des Iiwi, des Akakane und des O-o. Ich sah einen der Mamo-Mäntel, der schöner war als das hervorragendste Exemplar im Bishop-Museum in Honolulu, das sie auf eine halbe bis eine Million Dollar schätzen. Du meine Güte, ich dachte damals, wie gut, daß Kanau nichts davon wußte.

So ein Durcheinander! Geschnitzte Gurden und Kalebassen, Muschelschaber, Netze aus Olona-Fasern, ein Berg von Körben und Angelhaken aus jeder Art von Knochen neben aus Muscheln gefertigten Blinkern. Musikinstrumente aus vergessenen Tagen - Ukekes und Nasenflöten, und Kiokios, die ebenfalls mit einem zugestopften Nasenloch gespielt wurden. Tabu-Poischüsseln und Finger schalen, linkshändige Äxte der Kanugötter, Lampenschalen aus ausgehöhlter Lava, Steinmörser und Stößel und Poi-Stampfer. Und noch mehr Äxte, eine Unzahl von Äxten, schöne Exemplare mit einem Gewicht von dreißig Gramm aufwärts für die feineren kultischen Schnitzereien bis hin zu Vierzehnpfündern zum Bäumefällen, und alle mit den herrlichsten Griffen, die ich je gesehen habe.

Da waren auch Kaekeekes - du weißt schon, unsere alten Trommeln, ausgehöhlte Stammabschnitte von Kokospalmen, auf einer Seite mit Haifischhaut bespannt. Den ersten Kaekeeke ganz Hawaiis zeigte mir Ahuna und erzählte mir seine Geschichte. Er war offensichtlich sehr, sehr alt. Ahuna hatte Angst, ihn zu berühren, da er fürchtete, das altersmorsche Holz mit den immer noch daranhängenden Haifischhautfetzen würde unter seinen Händen zu Staub zerfallen. >Das ist der allerälteste, der Vater aller unserer Kaekeekes<, berichtete mir Ahuna. >Kila, der Sohn Moikehas, brachte ihn aus Raiatea im Südpazifik mit. Und Kilas eigener Sohn, Kahai, war es, der die gleiche Reise unternahm, zehn Jahre lang unterwegs war und von Tahiti die ersten Brotfruchtbäume einführte, die auf hawaiischem Boden keimten und wuchsen.<

Und Knochen über Knochen! Aufgereiht wie in der Paketausgabe eines Postamtes! Neben den kleinen Bündeln mit den langen Knochen gab es ganze, mit Tapa umwickelte Skelette, die in Einer-, Zweier- oder Dreierkanus aus kostbarem Koa-Holz lagen, mit geschwungenen Auslegern aus Wiliwili-Holz und eigentümlichen Paddeln, die mit dem Fortsatz am Ende zu bedienen waren, der die Fortsetzung des Griffes nachahmte, wie ein Fleischspieß längs durch die flache Ruderblattseite gesteckt. Und ihre Waffen waren neben den leblosen Knochen, die sie einst geführt hatten, abgelegt -rostige alte Sattelpistolen, kurze Derringer-Pistolen, RevolverVorläufer, fünfläufige Gewehrkonstruktionen, lange KentuckyBüchsen, im Tauschhandel von der John Company und Hudson’s Bay erworbene Musketen, Schwerter aus Haifischzähnen, hölzerne Dolche, Pfeile mit Spitzen aus Fischbein, aus Schweine- und Menschenknochen und Speere und Pfeile mit feuergehärteten Holzspitzen.

Ahuna gab mir einen Speer in die Hand, dessen gut geschärfte Spitze aus dem langen Schienbein eines Mannes gefertigt war, und erzählte mir seine Geschichte. Doch zuvor wickelte er die langen Knochen, Arme und Beine, aus zwei Paketen aus, die unter der Umhüllung ordentlich wie ein Reisigbündel zusammengeschnürt waren. >Das hier<, sagte Ahuna und zeigte den erbärmlichen weißen Inhalt eines Päckchens, >ist Laulani. Sie war die Frau Akaikos, dessen Gebeine, die jetzt in deiner Hand liegen - sie sind viel größer und männlicher, wie du feststellen kannst - vor dreihundert Jahren das Fleisch eines zweihundertsiebzig Pfund schweren und zwei Meter fünfzehn großen Mannes stützten. Und diese Speerspitze ist aus dem Schienbein Keolas gearbeitet, seinerzeit ein großer Ringer und Läufer. Und er liebte Laulani, und sie floh mit ihm. Doch in einer längst vergessenen Schlacht auf dem Sandstrand von Kaiini durchbrach Akaiko die feindlichen Reihen, führte den Sturmangriff an und packte Keola, den Liebhaber seiner Frau, warf ihn zu Boden und schnitt ihm mit einem Messer aus Haifischzahn die Kehle durch. Auf diese Weise kämpften schon in alten Zeiten Männer um eine Frau. Und Laulani war so schön, daß Keola um ihretwillen zu einer Speerspitze verarbeitet werden sollte! Sie war gebaut wie eine Königin, ihr Körper ein einziges Gefäß der Anmut und des Liebreizes, und ihre Finger waren schon an der Mutterbrust mit Zoraz-Massage in ihre grazile Form gebracht worden. Über zehn Generationen hinweg haben wir uns an ihre Schönheit erinnert. Die Sänger deines Vaters besingen sie heute noch in dem nach ihr benannten Hula. Das ist Laulani, die du in deinen Händen hältst.<

Und als Ahuna geendet hatte, konnte ich gleichzeitig ernüchtert und befeuert von meiner Einbildungskraft auf die damalige Zeit blicken. Der alten Trunkenbold Howard hatte mir Tennyson geliehen, und ich hatte oft und lang über den >Idylls of the King< gebrütet. Hier waren die drei, dachte ich -Arthur, Lancelot und Guinevere. Das also, überlegte ich, war bei all dem herausgekommen, war das Endergebnis des Lebens und Kampfes, der Anstrengung und Liebe - daß die erschöpften Geister dieser längst Verstorbenen von einer fetten alten Frau und nichtswürdigen Zauberern angerufen, ihre Gebeine von Sammlern begehrt und bei Pferderennen und für eine Hand voller Asse verwettet oder zu Geld gemacht und in Zuckeraktien angelegt werden.

Für mich war es eine Erleuchtung. Ich lernte dort in der Grabhöhle die Lektion meines Lebens. Und zu Ahuna sagte ich: >Den Speer mit der Spitze aus Keonas langem Knochen werde ich mir mitnehmen. Niemals werde ich ihn verkaufen. Ich werde ihn immer behalten.<

>Und wozu?< fragte er. Und ich entgegnete: >Damit sein Anblick mir einen klaren Kopf macht und ich mit beiden Beinen auf der Erde bleibe. Damit ich begreife, daß nur von den großen Ausnahmen drei Jahrhunderte nach ihrem Tod genug für eine Speerspitze übrigbleibt.<

Und Ahuna neigte sein Haupt und pries die Weisheit meines Urteils. Doch in diesem Augenblick riß die längst brüchige Olona-Schnur, und die bedauernswerten Frauenknochen Laulanis entglitten meinen Händen und fielen klappernd auf den felsigen Boden. Ein Schienbein, das irgendwie abgelenkt worden war, kullerte unter den dunklen Schlagschatten eines Kanubugs, und ich beschloß, daß es mir gehören sollte. So beeilte ich mich, Ahuna beim Aufklauben und Zusammenbinden der Knochen zu helfen, damit er sein Fehlen nicht bemerkte.